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Benzinpreisdebatte: "Der Sprit ist noch zu billig"

Soll der Staat die Pendlerpauschale erhöhen? Oder die Mineralölsteuer senken? Umweltschützer sagen, das wäre das falsche Signal.

Die Reaktionen ließen an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. „Lass Dich nicht anzapfen“, riet die CDU per Wahlplakat den Bürgern, und Gerhard Schröder nannte die Idee schlicht „Quatsch“. Das war im März 1998, kurz nachdem die Grünen auf einem denkwürdigen Parteitag in Magdeburg gefordert hatten, der Preis für den Liter Benzin solle binnen eines Jahrzehnts auf fünf Mark steigen. An der Tankstelle kostete der Sprit damals 1,55 Mark. Die Grünen von damals sind heute nur noch 89 Cent von ihrem Traum entfernt. Dann kostet der Treibstoff so viel wie weiland von der Parteilinken erträumt – ganz ohne staatliches Verteuerungsprogramm.

Kurz vor Ostern kostet der Liter in Berlin 1,66 Euro, in anderen Teilen der Republik 1,70 – doch die Ziele der Grünen sind noch immer aktuell. „Für die Autoindustrie und die Gutverdiener sind die Spritpreise eigentlich noch zu niedrig“, sagt Michael Ziesak. „Sonst würden nicht so viele spritschluckende Luxusautos gebaut und gekauft.“ Ziesak ist Vorsitzender des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Der setzt sich für einen umweltschonendere Mobilität ein – ein Auto besitzt Ziesak nicht, dafür ist er leidenschaftlicher Bahnfahrer.

Ziesak stellt sich damit gegen die Debatte um zu teures Benzin und eine höhere Pendlerpauschale, wie sie die FDP fordert. Eine „Subvention für Gutverdienende, die im Grünen wohnen“, sei die Ausgleichszahlung vom Finanzamt, findet er. Nicht der Staat, sondern die Arbeitgeber sollten ihren Beschäftigten so viel zahlen, dass sie sich den Weg zur Arbeit leisten könnten. Dabei helfen könne ein Mindestlohn. „Ist er hoch genug, kann man eines Tages auf die Pendlerpauschale verzichten.“

Mit dieser Ansicht ist der VCD-Chef kein Exot. Die Bundesregierung plant, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken – geschafft ist aber erst die Hälfte. Das Auto spielt im Verkehrssektor immer noch die wichtigste Rolle, es wird für 80 Prozent aller Fahrten benutzt. Trotz aller Milliardentransfers vom Staat stagniert der Marktanteil des Schienenverkehrs, beim Personen- ebenso wie beim Gütertransport.

Um das zu ändern, gibt es zahlreiche Ideen. Ziesak will den CO2-Ausstoß neuer Autos von demnächst 130 auf 80 Gramm begrenzen. Das würde ein Auto zwar um 1000 Euro verteuern, glaubt er – nach 50 000 Kilometern rechne sich dies aber, „wenn man von einem Benzinpreis im Jahr 2020 von zwei Euro ausgeht“.

Dem Verkehrspolitiker Michael Cramer, für die Grünen im Europaparlament, schwebt dagegen eine Maut für Autos und Flugzeuge vor. „Jedes Auto wird heute mit 1500 Euro subventioniert, Flugzeuge müssen keine Kerosinsteuer zahlen. Das geht nicht.“ Jeder Verkehrsträger solle die Kosten tragen, die er verursacht. Dafür plädiert auch EU-Verkehrskommissar Siim Kallas in seinem jüngsten Weißbuch – bewegt hat er allerdings noch nichts.

Das Umweltbundesamt, eine Behörde unter der Aufsicht von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), geht in eine ähnliche Richtung. „Um den Pkw-Verkehr stärker an den von ihm verursachten Umweltkosten zu beteiligen, hält das UBA die europaweite Erhöhung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für zielführend“, heißt es in einer aktuellen Studie.

Derweil streitet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) darüber, ob alles so bleiben kann wie bisher – oder ob der Staat das Auto noch stärker fördern soll. Die Entfernungspauschale von derzeit 30 Cent pro Kilometer sei „nicht geeignet, um auf die tägliche Benzinpreisentwicklung“ zu reagieren, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag . Er widersprach damit einem Vorstoß Röslers, der für eine „maßvolle Anhebung“ der Steuervergünstigung plädiert hatte. „Im Wettbewerbsrecht sehen wir am ehesten das Mittel zum Reagieren“, sagte Seibert. Die Bundeskanzlerin will also die Macht der Mineralölkonzerne zum Thema machen. Das Bundeskartellamt sieht hier allerdings kaum Ansatzpunkte. An Seiberts Seite stand der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Eine um zehn auf 40 Cent erhöhte Pauschale schlüge seinen Angaben zufolge mit sechs Milliarden Euro zu Buche. Eine Anhebung würde ein Milliardenloch in die öffentlichen Kassen reißen. Die Pauschale drückte die Steuereinnahmen von Bund, Länder und Kommunen 2011 um 4,4 Milliarden Euro.

An der Seite von Rösler steht bislang nur die Linkspartei. Deren Chefin Gesine Lötzsch sprach sich für eine Erhöhung der Pendlerpauschale sogar auf 45 Cent aus. „Seit dem Jahr 2004 ist keine Erhöhung mehr erfolgt“, sagte sie. „Das ist eine sehr lange Zeit.“

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