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Wirtschaft: Berater warnen Biotechfirmen vor Sparkurs

Weil Kapital knapp ist, kürzen viele Unternehmen die Forschungsausgaben – und gefährden dabei ihre Zukunft

Berlin (pet). BiotechnologieExperten haben Unternehmen davor gewarnt, ihre Forschungsausgaben angesichts der großen Finanzierungsprobleme drastisch zu kürzen. „Wenn die Firmen anfangen, sich in den eigenen Muskel zu schneiden, sparen sie sich kaputt“, sagt Jochen Duelli, Biotech-Experte der Unternehmensberatung Bain&Company aus München. Besser wäre es, sagt er, wenn sich die Firmen stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrierten. Die Unternehmensberatung Ernst&Young – Herausgeberin des jährlich erscheinenden Biotechnologie-Reports, der eine regelmäßige Bestandsaufnahme der Branche gibt – sieht viele Firmen von der Pleite bedroht. Am heutigen Dienstag beginnt in Hannover die weltweit wichtigste Fachmesse, die Biotechnica 2003.

Die deutsche Biotech-Industrie steckt in der Krise. Im vergangenen Jahr ging die Zahl der Unternehmen nach Jahren des Wachstums erstmals von 365 auf 360 zurück, die Zahl der Beschäftigten sank ebenfalls deutlich. Anders als in den USA oder Großbritannien sind die meisten deutschen Unternehmen noch jung, klein und umsatzschwach. Keines hat bislang ein eigenes Produkt auf den Markt gebracht. Größtes Problem der forschungsintensiven Branche ist ihre Kapitalschwäche.

Während die jungen Firmen in der Biotech-Euphorie der Jahrtausendwende kein Problem hatten, Risikokapital und Fördermittel zu bekommen – die oft in keinem Verhältnis zu den realen Erfolgsaussichten standen –, sind die Investoren deutlich vorsichtiger geworden. Nach einigen bösen Überraschungen schauen sie heute stärker auf den Business-Plan. Die Kapitalsuche wird zusätzlich dadurch erschwert, dass auch Pharmafirmen angesichts eigener Probleme kaum noch in Kooperationen mit Biotech-Unternehmen investieren. Und auch die Möglichkeit, an der Börse frisches Geld zu bekommen, fällt angesichts der Schwäche der Kapitalmärkte derzeit aus. „Die Kapitalquellen versiegen“, sagt Bain-Experte Duelli. Den Firmen geht langsam das Geld aus.

Die Folge ist ein extremer Kostendruck. Besonders stark sparen deutsche Biotech-Firmen bei den Forschungs- und Entwicklungskosten, allein im vergangenen Jahr wurden diese um elf Prozent auf rund eine Milliarde Euro eingedampft. Eine fatale Entscheidung, wie viele Branchenbeobachter meinen. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, sagt Julia Schüler, Biotechnologie-Expertin der Unternehmensberatung Ernst&Young. „Die Unternehmen schwächen ihre Innovationsfähigkeit, weil es länger dauert, Produkte zu entwickeln.“ Das wiederum mindert die Lust der Investoren, ihr Geld in die Firmen zu stecken.

Um marktfähige Produkte zu entwickeln, müssen Biotech-Firmen viele Jahre lang viele Millionen Euro investieren. Der Erfolg ist trotzdem ungewiss. „Die Firmen stehen unter erheblichem Druck, schnell Produkte auf den Markt zu bringen“, sagt Duelli. „Das Risiko, dass ein Kandidat abstürzt, ist groß.“ Auch Duelli befürchtet, dass das Risiko noch größer wird, wenn die Unternehmen ihre Forschungsmittel drastisch zusammenstreichen. „Das ist eine Spirale nach unten. Am Ende gibt es nur noch Verlierer.“

Dass die Finanzierungskrise der deutschen Biotech-Branche bald endet, erwartet kaum jemand. „Investoren stecken ihr Geld lieber in reifere Unternehmen“, sagt Holger Reithinger von der Finanzierungsgesellschaft 3i. Und die sitzen eher in den USA und Großbritannien. Hier ist die Chance für Investoren größer, das Geld Gewinn bringend anzulegen. „Um eine Erfolgsstory zu schreiben“, sagt Reithinger, „müssen zwischen zehn und zwanzig Prozent der Unternehmen, in die investiert wird, an die Börse gehen.“ In Deutschland ist das Börsenfenster nach Ansicht von Branchenkennern noch mindestens bis Ende 2004 geschlossen.

Keine guten Aussichten für die noch junge Branche. In diesem Jahr hat es nach Angaben von Ernst&Young-Expertin Schüler bereits 18 Firmenpleiten bei Biotech-Firmen gegeben, mindestens 50 weitere Unternehmen seien dringend auf der Suche nach neuem Geld. Wenn sie es bis spätestens Anfang des kommenden Jahres nicht gefunden haben, könnte die Zahl der Firmenpleiten nach Meinung Schülers noch deutlich steigen.

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