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Wirtschaft: Bergmann will Frauen weiterhin bevorzugen

Senatorin begrüßt EuGH-Urteil / Ähnliche Regelung in Berlin / Positive Diskriminierung BERLIN (hej).Aufatmen in Berlin.

Senatorin begrüßt EuGH-Urteil / Ähnliche Regelung in Berlin / Positive Diskriminierung

BERLIN (hej).Aufatmen in Berlin.Als "Meilenstein in der Geschichte der Frauenförderung" wertet Christine Bergmann das "Marschall"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).Der Berliner Senatorin für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen dürfte am Dienstag ein Stein vom Herzen gefallen sein.Denn was die Luxemburger Richter für den Fall des nordrhein-westfälischen Lehrers Hellmut Marschall entschieden, betrifft auch den öffentlichen Dienst an der Spree.Auch das Landesgleichstellungsgesetz Berlin schreibt vor, daß Frauen mit gleicher Qualifikation bei der Einstellung und Beförderung "unter Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit" männlichen Konkurrenten vorgezogen werden sollen, bis die Frauenquote mindestens 50 Prozent beträgt.Indem auch die Berliner Regelung - anders als die von den EuGH-Richtern im Jahre 1995 verworfene Bremer Vorschrift ("Kalanke"-Fall) - wie das vom EuGH jetzt gebilligte Landesbeamtengesetz NRW keine automatische Bevorzugung von weiblichen Bewerberinnen vorsieht, sondern eine Einzelfallprüfung vorschreibt, sieht sich die Berliner Frauensenatorin jetzt auf der sicheren Seite. Wasser auf die Mühlen Bergmanns sind vor allem die Feststellungen der Richter zu den Benachteiligungen, die Frauen im Berufsleben nach wie vor erfahren müssen.Selbst bei gleicher Qualifikation bestehe die Tendenz, männliche Bewerber vorrangig zu befördern, räumen die EuGH-Richter ein.Das sieht man im Hause Bergmann genauso, deshalb will man auch in Zukunft an der "positiven Diskriminierung" festhalten.Mit Ausnahmen: "Ein schwerbeschädigter alleinerziehender Vater, der einen häuslichen Pflegefall betreut, hat in der Sozialauswahl gute Chancen", heißt es in der Senatsverwaltung.Die Einzelfallprüfung ist eine Sache des Ermessens.Doch eines ist klar: Mittelbar frauenfeindliche Kriterien wie die Reduzierung der Arbeitszeit auf Grund von Kinderbetreuung dürfen bei der Entscheidung keine Rolle spielen. Trotz des Landesgleichstellungsgesetzes herrscht auch in der Hauptstadt nicht eitel Freud und Sonnenschein in den Amtsstuben.Zwar beträgt der Anteil der Beamtinnen im gehobenen Dienst schon 52,4 Prozent, dafür haben im Wissenschaftsbereich wie eh und je die Männer die Hosen an.Gerade einmal sieben Prozent der hochdotierten C-4-Professuren hätten weibliche Gelehrte inne, klagt Bergmann.Und das, obwohl der Anteil der Studentinnen an der Humboldt-Uni bei 50 Prozent liegt. Für Beförderungen und Neueinstellungen läßt der angespannte Berliner Etat "wenig Luft", räumt man in der Senatsverwaltung ein.Dennoch sei das Luxemburger Urteil nicht für die Katz: Denn auch bei den Verteilungskämpfen, die mit dem Stellenabbau im öffentlichen Dienst verbunden sind, "wird die Quotenregelung die Position der Frauen stärken", glaubt Bergmann.Bislang sieht die Sache anders aus: Es sind rund 80 Prozent Frauen, die mit "goldenem Handschlag" aus dem Dienst scheiden.Zu verführerisch scheint der Köder: Abfindungen in Höhe eines Mittelklassewagens lassen so manches Paar wieder in die alte Rollenteilung zurückfallen.Zwar dürfen die Vorgesetzen mit Blick auf die Frauenquote einschreiten, doch praktisch geschieht das nie. Da an der Spree immer alles ein wenig anders ist, hat auch die Hauptstadt einen gerichtsanhängigen Diskriminierungsfall.Doch hier klagt nicht ein Mann, sondern eine Frau.Die Charlottenburger Frauenbeauftragte, die sich vergeblich um die Leitung des Fontane-Hauses in Reinickendorf bemüht hat, will arbeitsgerichtlich klären lassen, ob ihr das Landesgleichstellungsgesetz nicht einen Anspruch auf bevorzugte Einstellung gibt.Während die streitbare Bewerberin die Sache durchfechten will, ist der erste "Diskriminierungs"-Fall Berlins im Sande verlaufen.Der Steuerhauptsekretär aus Steglitz, der bei einer Beförderung das Nachsehen hatte, bekam schließlich doch noch seinen Aufstieg - "auf andere Weise", wie es in der Senatsverwaltung süffisant heißt.

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