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Wirtschaft: Berlin darf bei Staatsaufträgen keine Tariftreue fordern - BGH übergibt das Kartellverfahren an das Bundesverfassungsgericht

Im Streit um die Vorgabe von Tariflöhnen bei öffentlichen Aufträgen zwischen dem Land Berlin und dem Bundeskartellamt muss nun das Bundesverfassungsgericht (BVG) entscheiden. Das ergibt sich aus einem Beschluss, den der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe verkündete.

Im Streit um die Vorgabe von Tariflöhnen bei öffentlichen Aufträgen zwischen dem Land Berlin und dem Bundeskartellamt muss nun das Bundesverfassungsgericht (BVG) entscheiden. Das ergibt sich aus einem Beschluss, den der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe verkündete. Der BGH hält so genannte Tariftreue-Erklärungen, wie sie inzwischen in 13 Bundesländern als Bedingung für die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen gemacht werden, zwar für rechtswidrig. Gleichwohl konnte der BGH im zugrundeliegenden Fall nicht endgültig entscheiden, weil Berlin aus der Verwaltungsvorschrift während des Verfahrens ein Landesvergabegesetz machte und über die Rechtmäßigkeit von Gesetzen nur das BVG entscheiden kann. Eine Vertreterin des Bundeskartellamtes begrüßte gleichwohl den Beschluss. (Aktenzeichen: KVR 23/98)

Zu dem Verfahren war es gekommen, weil das Land Berlin ab 1995 in der Tariftreue-Erklärung auch tariffreie Firmen zur Zahlung des Berliner Tariflohnes an ihre Beschäftigten zwingen wollte. Während für diese Firmen ein Mindest-Stundenlohn von 16 Mark im Westen und 15,14 Mark im Osten gilt, liegen die Berliner Tariflöhne etwa für einen Facharbeiter bei 25,26 Mark. Beim Verstoß gegen die so genannte Tariftreue-Erklärung war in den Berliner Vertragsbedingungen vorgesehen, dass das betreffende Unternehmen für zwei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werde.

Das Kartellamt sah darin eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung und hatte dem Land die Vorgabe 1997 untersagt; dagegen hatte das Land zuerst vor dem Berliner Kammergericht und später bis vor den Bundesgerichtshof geklagt. Nach BGH-Ansicht verstößt das Vergabegesetz gegen Bundesrecht und gegen das Grundgesetz. Es zwinge wegen der Marktbeherrschung der öffentlichen Auftraggeber tarifvertragsfreie Firmen faktisch zur Zahlung von Tariflöhnen. Dazu habe das Land aber keine gesetzgeberische Kompetenz. Zudem verstoße der Tarifzwang gegen die im Grundgesetz verankerte "Koalitionsfreiheit" von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Der BGH machte in seinem Beschluss deutlich, dass die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes aus seiner Sicht zu Recht ergangen sei. Berlin habe das Vergabegesetz erlassen, um die heimische Bauindustrie vor Anbietern mit Niedriglöhnen zu schützen und dadurch der Arbeitslosigkeit zu begegnen. Diese an sich legitimen Motive verstießen allerdings gegen Kartellrecht, weil das Land bei der Vergabe von Straßenbauaufträgen als "Marktbeherrscher" auftrete und deshalb keine Vorgaben machen dürfe, die einzelne Wettbewerber behinderten. Insbesondere die Bauindustrieverbände in Brandenburg hatten sich gegen die Tariftreueerklärung gewandt.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände begrüßte die BGH-Entscheidung. Es müsse bei den Kriterien der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit bleiben, die nicht durch gesellschaftspolitische Wunschvorstellungen wie Frauenförderung oder Tariftreue verwässert werden dürften, forderte die Vereinigung. Dies belaste die öffentlichen Haushalte und manipulieren das System der Auftragsvergabe.

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