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Berlin: Milliardäre willkommen

Der Berlin-Tourismus boomt. Branchenexperten glauben, dass die Hauptstadt die Wirtschaftskrise relativ erfolgreich durchstehen wird. Eine ungewöhnliche Kampagne soll noch mehr Besucher anlocken.

Burkhard Kieker, seit Jahresanfang Chef der Berlin Tourismus Marketing Gesellschaft (BTM), hat seinen neuen Job zu einem ungünstigen Zeitpunkt angetreten. Fünf Jahre hintereinander verbuchte das Statistikamt neue Rekorde bei den Besucherzahlen, die BTM sonnte sich im Erfolg. Jetzt ist die Wirtschaftskrise da. Muss Kieker nun am Ende seines ersten Jahres eine düstere Bilanz vorlegen? „Ich glaube, Berlin wird als Gewinner aus der Krise hervorgehen“, sagt der frühere Flughafensprecher. „Fragt sich nur, ob der Gewinner noch einen Besucherzuwachs verzeichnet, mit stabilen Zahlen davonkommt oder nur das geringste Minus aufweist.“

Auch viele andere Experten aus der Tourismusbranche der Hauptstadt glauben, dass Berlin die Krise relativ erfolgreich durchstehen wird. „Berlin wird nicht vorrangig betroffen sein“, sagt etwa Lutz Freise, Geschäftsführer der Reederei Riedel, die von Ausflugsfahrten auf Spree und Landwehrkanal lebt und im vergangenen Jahr 400 000 Besucher beförderte. „Wir haben hier ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis, vor allem in der Hotellerie. Wenn die Leute in der Krise mehr auf ihr Geld achten, werden sie bei einem Vergleich schnell erkennen, wie günstig Berlin im Vergleich zu Städten wie Paris oder London ist.“

Andere europäische Ziele leiden stärker als Berlin: zum Beispiel Paris, der vor Berlin beliebtesten Touristenstadt auf dem europäischen Festland. Die Metropole zählte im vergangenen November, dem aktuellsten Berichtsmonat, 100 000 Besucher weniger als im Vorjahreszeitraum. Zwar verzeichnet Paris mit rund 15 Millionen Gästen jährlich deutlich mehr Touristen als Berlin. Aber während die Zahl der Gäste in der französischen Hauptstadt 2008 leicht sank, freute sich Berlin über ein Plus von 4,3 Prozent auf fast acht Millionen Hotelgäste.

Bekannte Eigenheiten des Berliner Tourismusmarktes, die sonst als Schwächen gelten, entwickeln sich in der Krise zum Vorteil. Zum Beispiel die relativ geringe Quote ausländischer Besucher, die in Berlin bei knapp 40, in Paris bei 65 Prozent liegt. „Auf Fernreisen wird in der Krise eher verzichtet als auf kürzere Städtetrips. Davon profitiert Berlin“, sagt Mathias Feige vom Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr in Berlin. Die Pariser Besucherstatistik zeigt: Gerade die sonst treuen US-Touristen machen sich rar.

Eine Fünf-Sterne-Übernachtung bekommt man in Berlin oft schon für 150 bis 170 Euro, in Paris zahlt man das Doppelte. Normalerweise klagen die Berliner Hoteliers über das Preisniveau, das durch immer neue Hotelprojekte niedrig bleibt. Jetzt sorgt es mit dafür, das die Gästezahlen nicht einbrechen. „Wir haben kaum Stornierungen, allerdings bemerken wir, dass zu Veranstaltungen zum Teil weniger Gäste geladen werden als in anderen Jahren“, heißt es im Berliner Interconti.

In der Krise wirbt BTM-Chef Kieker offensiv mit dem guten Preis-Leistungs- Verhältnis. Auf der BTM-Homepage können Reisende mit einem „Berlin Kalkulator“ nachrechnen, wie günstig es hier ist. Los geht es mit „Berlin kostenlos“. Für das Einsteigerwochenende zahlen Besucher ab 99,63 Euro. Am anderen Ende der Skala gibt es ein kostenbewusstes Reisepaket „für krisengeschüttelte Milliardäre“. Das Wochenende inklusive Champagnerfrühstück, Limousinenservice und Golfrunde kostet lachhafte 1596,50 Euro. Alexander Visser

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