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Stahl

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Berlin: Tarifabschluss beim Stahl schockt Arbeitgeber

Einkommenserhöhung um 5,2 Prozent dürfe kein Vorbild sein. Die Angst vor Arbeitskampf lässt die Stahlindustrie zahlen.

Wie eine Schockwelle schwappte die Nachricht aus Ratingen in die Berliner Zentralen der Arbeitgeberverbände. 5,2 Prozent höhere Einkommen für die Stahlarbeiter, das ist der höchste Tarifabschluss seit 15 Jahren. Und die Tinte war gerade trocken unter dem neuen Tarif, da betonte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt schon die Einzigartigkeit dieses Vertrags, der „auf keinen Fall auf andere Wirtschaftszweige übertragen werden darf“. Nicht mal auf die mit dem Stahl verbandelte Metall- und Elektroindustrie. Das „ist weder strukturell noch konjunkturell Vorbild“, wehrte der Arbeitgeberverband Gesamtmetall rasch in einer Pressemitteilung ab. Die Angst ist groß vor der eigenen Tarifrunde, obwohl die in der Metallindustrie erst im Spätherbst ansteht.

Selbstverständlich unterscheiden sich grundsätzlich die einzelnen Branchen und verhandeln entsprechend ihre spezifischen Tarife. Aber die Lokführer mit rund elf Prozent Einkommenszuwachs in diesem Jahr und nun die Stahlarbeiter mit 5,2 Prozent haben Orientierungsmarken gesetzt. Das Tarifjahr 2008 wird teuer für die Arbeitgeber. Mit Warnstreiks trommeln Verdi und Beamtenbund derzeit für ihre Acht-Prozent-Forderung im öffentlichen Dienst; mit sieben Prozent liegt die IG Chemie-Forderung nur knapp darunter, im Handel will Verdi 6,5 Prozent mehr Geld. Vergleichsweise bescheiden sind da die Ansprüche der Gewerkschaften in der Landwirtschaft, dem Kfz-Gewerbe und im Organisationsgebiet der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten: Die Forderungen in diesen Bereichen liegen zwischen 4,5 und sechs Prozent.

Was auch immer am Ende rauskommt – alles in allem dürften die Tarifeinkommen in diesem Jahr stärker steigen als 2007. Da gab es im Schnitt 2,2 Prozent mehr, was bei einer Inflationsrate in gleicher Höhe gerade mal die Realeinkommen sicherte. Trotz Aufschwung blieb die Kaufkraft der Arbeitnehmer also unverändert. Auch nach Ansicht von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) soll sich das 2008 ändern. Den Stahl-Abschluss bewertete er als angemessen, und auch im öffentlichen Dienst müsse es mehr geben als in den vergangenen Jahren. Mit Blick auf die nächste Verhandlungsrunde am kommenden Montag forcierte Verdi am Mittwoch die Warnstreiks.

Sowohl Arbeitgeber als auch IG Metall-Vertreter betonten nach der Stahl-Einigung die Bedeutung der Streikdrohung für den hohen Abschluss. Ein Arbeitskampf, den die IG Metall für den Fall in Aussicht gestellt hatte, dass es kein Ergebnis in Ratingen gibt, „hätte gravierende Auswirkungen auf unsere Abnehmerbranchen gehabt“, sagte Helmut Koch, der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Stahl. „Auch dieser Aspekt war für den erzielten Abschluss bedeutsam.“

Ähnlich äußerte sich Arbeitgeberpräsident Hundt. Der Stahl-Tarif sei „sehr hoch und unter dem Druck der drohenden Eskalation der Tarifauseinandersetzung erfolgt“. Für IG-Metall-Chef Berthold Huber haben die in den vergangenen Wochen an Warnstreiks beteiligten Stahlarbeiter „die Entschlossenheit dokumentiert, die die Arbeitgeber benötigen, um kompromissbereit zu sein“. Und das will Huber durchaus als Vorbild für andere verstanden wissen. Der Tarif von Ratingen sei auch ein „weithin sichtbares Signal in die bundesrepublikanische Gesellschaft, dass nur gut in Gewerkschaften organisierte Belegschaften ihre Interessen vertreten können“, meinte der Gewerkschaftschef.

Neben den 5,2 Prozent für die 85 000 Stahlarbeiter vom 1. März an einigten sich die Tarifparteien auf einen Einmalzahlung von 200 Euro für Februar und eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 70 Euro pro Monat. Die Forderung nach kürzerer Arbeitszeit für Ältere konnte die IG Metall nicht durchsetzen.

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