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Fashion und Design. Modemessen wie die Bread & Butter kurbeln auch die lokale Wirtschaft an.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Cluster: Kreativwirtschaft - Die Zukunft als Projekt

Dass Berliner erfinderisch sind, ist keine Frage. Aber lässt sich damit auch Geld verdienen? Im Cluster Kreativwirtschaft versucht der Senat, genau das zu fördern.

Kleine Kinder sind keine einfachen Patienten. Nicht nur, weil sie oft nicht richtig erklären können, was ihnen fehlt. „Auch die Untersuchung ist schwierig“, sagt Jörg Schmidtsiefen, Geschäftsführer der Berliner Archimedes Exhibitions. „Und Untersuchen üben ist noch schwieriger.“ Darum hat Archimedes zusammen mit der Charité eine Simulation entwickelt, die in der Ausbildung junger Kinderärzte eingesetzt wird. Auf dem virtuellen Untersuchungstisch liegt ein lebensechter digitaler Patient, der auf die Berührungen des Arztes reagiert. „Es ist sehr real, man wird ganz schön nervös, wenn man mit dem kleinen Patienten arbeitet“, sagt Schmidtsiefen. Für ihre Entwicklung haben Archimedes und die Charité – die Design- und Technologiefirma und das Krankenhaus – vom „Projekt Zukunft“ einen Preis und dazu vom Land noch eine Förderung erhalten. „Ohne Förderung“, sagt Schmidtsiefen, „hätte es die Entwicklung nicht gegeben.“

Projekt Zukunft. Das klingt ambitioniert. Ist es auch. 1997 startete der Berliner Senat die Landesinitiative Projekt Zukunft mit dem Ziel, Berlin fit zu machen für die Informationsgesellschaft. Das geschah aus der Not heraus: Seit dem Mauerfall waren von den 400 000 Industriearbeitsplätzen der Stadt 300 000 verschwunden, und es gab wenig Hoffnung, dass sie je wieder aufgebaut werden könnten. Potenzial sah man dagegen in der Informations- und Kommunikationstechnik (kurz IKT), in der Medienbranche und später auch in der Film-, Musik-, Design- und Kunstbranche. In der Anfangsphase umfasste das Netzwerk 150 Personen aus Unternehmen, Wissenschaft, Verbänden und Verwaltung.

Heute managt das Projekt Zukunft auf Berliner Seite das Cluster IKT, Medien und Kreativwirtschaft, das gemeinsam mit dem Land Brandenburg betrieben wird. Cluster (zu Deutsch: Ballung) sind Netzwerke, die sich an einem Ort um ein Thema bilden und die gesamte Wertschöpfungskette von Produzenten, Zulieferern, Forschungseinrichtungen und Dienstleistern umfassen. Die Idee ist, dass durch die Vernetzung die einzelnen Mitglieder stärker werden und am Ende mehr dabei herauskommt, als wenn jeder allein agieren würde. Inzwischen zählen mehr als 36 000 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zusammen mehr als 26 Milliarden Euro zum Cluster. Mehr als 400 000 Menschen in der Region arbeiten in diesem Bereich.

Im Gegensatz zu anderen Clustern wie etwa Gesundheitswirtschaft oder Verkehr ist dieses Cluster sehr bunt: Es reicht von spezialisierten Softwarefirmen wie PSI über die vielen Start-ups aus der Internetszene wie Wooga oder Soundcloud bis zur Musik- und Filmindustrie, von der Design- und Modebranche bis hin zum Kunstmarkt. Zum Cluster gehören auch so unterschiedliche Organisationen wie die Softwarefirmen im SIBB (siehe Interview) oder das Medienboard Berlin-Brandenburg.

Die Handlungsfelder sind zum Beispiel Breitband, mobile Dienste, vernetztes Leben oder Cloud Computing, und zu jedem Handlungsfeld wurde eine Strategie entwickelt. „Auf einen übergreifenden Masterplan wie in anderen Kompetenzfeldern haben wir verzichtet. Das hat mit der Schnelligkeit zu tun, mit der sich die Branchen entwickeln“, sagt Clustermanagerin Ingrid Walther, Referatsleiterin im Berliner Wirtschaftssenat. „Wir konzentrieren uns darauf, Plattformen zu schaffen, auf denen sich die lokalen IT-und Kreativunternehmen international präsentieren können. Die Unternehmen erzielen damit eine hohe Aufmerksamkeit.“ Beispiele sind die Fashion Week, Music Week oder Web Week. „Das ist unbestritten ein wichtiger und erfolgreicher Teil unserer Arbeit“, sagt die Clustermanagerin.

Jedes Jahr stehen insgesamt rund drei Millionen Euro zur Verfügung, etwa die Hälfte davon stammt aus Fördertöpfen der EU, die andere aus dem Berliner Landeshaushalt. Darüber hinaus beteiligt sich Berlin an verschiedenen EU-Projekten – etwa am Projekt Open Cities – und erhält so zusätzlich rund 200 000 Euro pro Jahr aus Brüssel.

Fördermittel fließen zum Beispiel in die Messen, in die neue Marketingkampagne für den IT-Standort Berlin: „redefine the possible. log in. berlin“ oder in die Wettbewerbsreihe „Berlin – made to create“. In den Wettbewerben sollen auf Grundlage eines transparenten Verfahrens die besten Ideen und Konzepte gefunden und gefördert werden. Ein Beispiel ist der Wettbewerb „Serious Games, spielend lernen“ zu dessen Preisträgern auch das Projekt von Archimedes und der Charité gehören.

Bleibt die Frage, ob die Mittel richtig eingesetzt sind. Bisher gibt es keinen Evaluierungsbericht für das Cluster. Doch immerhin will man nun prüfen lassen, ob die Arbeitsweise internationalen Standards entspricht. „Wir lassen uns gerade vom Elektrotechnikverband VDI/VDE zertifizieren“, sagt Walther. Überprüft werde, wie professionell die Strukturen sind und ob die Aktivitäten im Vergleich mit der Clusterpolitik andernorts mithalten können.

Rolf Heinze, Professor an der Ruhr- Universität Bochum, hat im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung die Wirtschaftsförderung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in drei Städten untersucht. Sein Fazit: Berlin ist ein Magnet für die Branche, aber es gebe viele Randbereiche, in denen die Menschen nicht genug verdienen. „Das wird oft vergessen oder als sexy dargestellt“, sagt Heinze und findet das unanständig. Dennoch habe Berlin viel erreicht. Auch die Veranstaltungen mit internationaler Ausstrahlung und die Finanzierungsmöglichkeiten lobt Heinze. Nun müsse das Ziel sein, die Kreativwirtschaft stärker mit anderen Branchen und der Wissenschaft zu vernetzen – das Projekt von Archimedes und der Charité sei so ein positives Beispiel.

Schmidtsiefen von Archimedes hat auch eine Idee, wie man die Förderung verbessern könnte. Das Land Berlin gebe Aufträge gern an international bekannte Firmen. „Wenn wir uns andernorts bewerben, verlieren wir dagegen meist gegen die dortigen Platzhirschen“, sagt er. „Die Vergabepolitik sollte aber der Förderpolitik nicht im Wege stehen.“

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