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Stauschau. In der Berliner Verkehrsinformationszentrale hat man den Überblick. Immer wichtiger wird die Vernetzung von Straße und Schiene.

© dapd

Berliner Cluster, Teil 3: Verkehr, Mobilität und Logistik - Ins Netz gegangen

Die Metropole braucht fließenden Verkehr, eine effiziente Logistik und Mobilität für alle – zusammen mit Brandenburg wird an Zukunftsvisionen und Geschäftsideen gearbeitet.

Berlin ist nicht das Maß aller Dinge – zum Beispiel für den Fortschritt der Elektromobilität. Ein E-Auto lässt sich in der Großstadt prima bewegen, weil kaum jemand mehr als 20 Kilometer am Tag zurücklegt. Ladesäulen und Steckdosen gibt es (künftig) an jeder Ecke. Auf dem Land ist es anders: Wer von Potsdam nach Cottbus mit einem batteriebetriebenen Auto fahren will, wird auf der rund 150 Kilometer langen Strecke wahrscheinlich mit leerem Akku liegen bleiben.

Die Brandenburgische Technische Universität (BTU) in Cottbus untersucht in einem umfangreichen Praxistest die Leistungsfähigkeit von Batterien. Im Rahmen des 2011 gestarteten „E-Sol-Car“-Projekts wird nicht nur ermittelt, wie weit ein E-Auto fahren kann. Vielmehr beschäftigt die Forscher die Frage, wie Batterien als mobile Speicher Energie an das Netz zurückgeben können – etwa, wenn die Versorgung mit Wind- oder Sonnenenergie schwankt.

Der Großversuch ist Baustein einer Vision: Das „Energieland“ Brandenburg soll in der Zukunft den Strom aus erneuerbaren Quellen liefern, der von E-Autos in der Region verbraucht oder gespeichert wird. Die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern in der Modellregion Berlin-Brandenburg ist Teil des „Schaufensters Elektromobilität“, in dem Projekte in einem Volumen von 120 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren umgesetzt werden.

Partner des von der EU geförderten „E-Sol-Car“-Projekts sind unter anderem der Energiekonzern Vattenfall, der 100 Ladesäulen aufbaut, und der Fahrzeugumrüster German E-Cars, der bis zu 50 umgebaute Opel Corsa mit einer speziellen Batterie ausgestattet hat. Die Erfahrungen aus dem Cottbuser Forschungsvorhaben sollen nicht nur den Brandenburgern zugute kommen. Die „Smart Capital Region“ in Cottbus wird internen Planungen zufolge Teil eines bundesländerübergreifenden Netzwerks, in dem die Einbindung von Elektrofahrzeugen in intelligente Stromnetze („Smart Grids“) und die optimale Nutzung erneuerbarer Energien für den elektromobilen Verkehr untersucht werden soll. „Früher oder später kommen wir zusammen“, sagt Artur Napierala, Koordinator des „E-Sol-Car“-Projektes, zur Vernetzung der Berliner und Brandenburger Forschungsinitiativen. Es gebe bereits Nachfolgeprojekte im Kontext der Schaufenster-Förderung.

Dezentrale Smart-Grid-Ansätze, Elektromobilität im ländlichen Raum: „Das sind unserer nächsten großen Themen“, sagt auch Frank Christian Hinrichs, Leiter der Plattform Elektromobilität der Berliner InnoZ. Das Unternehmen untersucht auf dem Euref-Campus am Schöneberger Gasometer praxisnah Innovationsprozesse im Mobilitätssektor. Vor einigen Monaten ist hier ein Mini-Smart-Grid ans Netz gegangen. Vom Windrad auf dem Dach bis zur Stromtankstelle reicht das Spektrum. Die Schnittmengen zwischen dem Berliner und dem Cottbuser Projekt sind offenkundig.

Im Cluster Verkehr, Mobilität und Logistik, dem 15 000 Unternehmen angehören, sind die Beziehungen nicht immer so einfach zu knüpfen. „Wir versuchen, die Fäden zusammenzuhalten“, beschreibt Clustermanager Thomas Meißner von der Technologiestiftung seine Aufgabe. Die Akteure aus den Unternehmen und Forschungseinrichtungen müssen zusammengebracht werden, Wege zu den Fördertöpfen geebnet oder Kooperationen im In- und Ausland angebahnt werden. Dabei zeigt sich laut Meißner, dass international anerkannt wird, dass man in Berlin-Brandenburg beim Thema Verkehr „fachlich sehr breit aufgestellt“ ist und ein „großes Portfolio und Erfahrungen“ zu bieten hat. Elektromobilität ist nur ein, wenn auch sehr prominentes Thema. Die Region verteile ihre Stärken auf verschiedene Verkehrsträger – öffentliche und private, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, sagt Meißner. „Andere Regionen konzentrieren sich auf die Luftfahrt oder den Automobilbereich.“

Parallel bemüht man sich um weitere finanzielle Unterstützung aus Brüssel.

Die Vielfalt ist allerdings auch eine Herausforderung. „Jede Branche hat ein eigenes Selbstverständnis – da fällt die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg nicht immer leicht“, weiß Meißner. Ein Problem, das alle Cluster haben: Wie bringt man Leute zusammen, die in unterschiedlichen Firmen und Branchen Ähnliches tun, aber noch nie miteinander gesprochen haben.

Immerhin weiß man im Verkehrs- Cluster mit rund 164 000 Beschäftigten schon recht gut, wohin die Reise gehen soll. Nachdem fünf Handlungsfelder ermittelt wurden – Autoindustrie, Schienenverkehrstechnik, Luft- und Raumfahrt sowie Logistik und Verkehrstelematik – wird gerade ein Masterplan erarbeitet, der im Frühjahr 2013 fertig sein soll.

Parallel bemüht man sich um weitere finanzielle Unterstützung aus Brüssel. EU-Experten arbeiten dort an den Details für das achte europäische Rahmenprogramm für Forschung und Innovation („Horizon 2020“), das ab 2014 für sieben Jahre in Kraft treten soll. Mit einem Volumen von mehr als 80 Milliarden Euro soll es europäische Projekte unter drei Leitbegriffen fördern: exzellente Wissenschaft, industrielle Führungsrolle und gesellschaftliche Herausforderungen. Der Verkehr gehört dazu. Erste Ausschreibungen sollen im Laufe des kommenden Jahres starten – und da will sich Berlin frühzeitig positionieren.

Im November reist eine Gruppe Unternehmer und Wissenschaftler nach Brüssel, um mit Kommissionsvertretern zu diskutieren, was die Region plant. Elektromobilität und Verkehrsmanagement/Telematik werden eine zentrale Rolle spielen. Da Brüssel international gemischte Konsortien vorschreibt, denken die Berlin-Brandenburger beim Thema E-Mobility an Kooperationen mit Partnern aus Wien, Amsterdam, Paris, London, Kopenhagen oder Warschau. „Das soll verhindern, dass wir parallel, wie auf Inseln, neue Technologien entwickeln“, sagt Thomas Meißner. Käme ein Verbundprojekt mit Beteiligung der Berlin-Brandenburger zustande, so sei ein Volumen „um die 100 Millionen Euro“ vorstellbar, schätzt Meißner. Das Mobilitäts-Cluster der Hauptstadtregion bekäme so zusätzlichen Schwung.

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