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Im Frühjahr 2013 gründete der Senat den landeseigenen Betrieb Berlin Energie, um sich an den Konzessionsverfahren für das Gas- und das Stromnetz zu beteiligen. Der Zuschlag beim Gas wurde von der Gasag vor Gericht erfolgreich angefochten. Beim Strom soll eine Entscheidung im Herbst fallen, Favorit ist Vattenfall. Wolfgang Neldner, der für die Veag und für Vattenfall arbeitete, ist Chef der Berlin Energie.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Energiepolitik: "Rot-rot-grün ist gut für uns"

Wolfgang Neldner, Chef der landeseigenen Berlin Energie, möchte am liebsten alle Energienetze in der Hand haben: Strom, Gas und Fernwärme.

Herr Neldner, wie viel ist das Berliner Stromnetz wert?

Sicherlich eine Milliarde Euro.

Manche meinen, sogar mindestens zwei Milliarden.

Das kann schon sein.

Haben Sie eine Ziffer in Ihr Angebot geschrieben?

Selbstverständlich, aber die unterliegt, wie das gesamte Angebot – 15 000 Seiten in zehn Ordnern – der Geheimhaltungspflicht. Alles in allem ist das schon ein massives Werk, jede Aussage muss erläutert und belegt werden.

Und dieses Werk haben Sie mit Ihren paar Leuten erstellt?

Wir verfügen über ein Netzwerk mit mehr als 30 Firmen und Organisationen, mit denen wir Kooperationsvereinbarungen haben. Und als zusätzlichen Berater hatten wir die PwC mit an Bord.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, wie ist Ihr Gefühl?

Super.

Wann gibt es das Ergebnis?

Vielleicht geht es ganz schnell, weil die wie verrückt arbeiten; kurz nach der Abgeordnetenhauswahl könnte dann das Ergebnis vorliegen. Oder es dauert lange, also bis Ende des Jahres. In jedem Fall muss die Entscheidung vom neu gewählten Abgeordnetenhaus gebilligt werden.

Am Ende entscheidet die Politik?

Es gibt ein sauberes Verfahren auf gesetzlicher Grundlage, womit Bundes- und Landesrecht, aber auch EU-Vorgaben gemeint sind. Die Möglichkeiten der Politik werden von diesem rechtlichen Rahmen abgesteckt. Fakt ist, die Entscheidung des Verfahrens muss gerichtsfest sein.

Was passiert, wenn „Berlin Energie“ den Zuschlag bekommt?

Wir wollen natürlich die 1500 Mitarbeiter der Vattenfall Gruppe, die sich heute um den Betrieb des Stromnetzes kümmern, übernehmen. Die machen exzellente Arbeit und sollen das auch in Zukunft tun.

Vattenfall als Netzbetreiber und -besitzer bewirbt sich mit einem Konzessionsangebot für die vollständige Betriebsübernahme und mit einem Kooperationsangebot, in dem eine Beteiligung für das Land Berlin vorgesehen ist. Damit wird Vattenfall kaum zu schlagen sein.

Bei dem Thema Netzführung ist das äußerst schwer, wie ich gerne einräume. Aber das ist ja nur eine Facette des Netzbetriebs. Für viele Berliner ist das Thema der Netzentgelte sicherlich eine viel wichtigere Facette. Netzsicherheit und Netzkosten stehen da ganz oben.

Die Netzgebühren werden von der Regulierungsbehörde festgelegt, die sind für Vattenfall ebenso hoch wie für Berlin Energie.

Aber ich bin sicher, dass wir die Netzkosten senken werden.

Wie soll das gehen, es müssen Hunderte Millionen Euro in den kommenden Jahren ins Netz investiert werden?

Wir schauen uns die komplette Kette an und haben dabei eine andere Zielsetzung als ein Konzern: Wir sind nicht renditemaximiert, sondern wollen das machen, was am besten für die Stadt ist. Dabei brauchen wir nicht unbedingt eine so hohe Erlösobergrenze wie Vattenfall. Und die Differenz zwischen Erlösobergrenze und Kosten fließt im Moment nach Schweden. Künftig bleibt das Geld in Berlin.

Sie meinen den Profit, den Vattenfall mit dem Netz erwirtschaftet und der bei rund 100 Millionen Euro im Jahr liegt.

Das ist schon eine Menge Geld. Vor allem über den gesamten Konzessionszeitraum von 20 Jahren.

Trotzdem: Finanzsenator Kollatz-Ahnen sagt, dass Vattenfall als Netzbetreiber der Favorit ist. Wie wollen Sie den schlagen?

Mit unserem integrierten Ansatz, der langfristigen Zusammenführung von verschiedenen Netzen beziehungsweise leitungsgebundenen Leistungen.

Wie soll das funktionieren?

Das berühmte Beispiel ist der Anschluss eines neuen Hauses. Der Hausbesitzer muss sich mit einer Handvoll Netzbetreibern auseinandersetzen – ein wahnsinniger Aufwand. Bei entsprechenden Kooperationen könnten wir zum Beispiel auch das Telekommunikationskabel legen. Berlin soll Smart City werden, das funktioniert aber nur mit leistungsfähigem Internet. Wir haben dazu mit unseren Telekommunikationspartnern Kooperationen vereinbart, ebenso mit den Berliner Wasserbetrieben und der BSR oder anderen Stadtwerken.

Wie läuft das in anderen Städten?

Es gibt da eben zumeist den spartenübergreifenden Betrieb, also Netzleistungen aus einer Hand. Aber das dauert, München hat zehn Jahre gebraucht für den Aufbau eines Stadtwerks. Vielleicht braucht Berlin 15 Jahre, aber wir sollten jetzt losgehen, indem wir mit dem Stromnetz beginnen und das dann erweitern über verschiedene Kooperationen. Etwa auch mit der BVG, wenn es um die Elektrifizierung des Verkehrs geht. Wir wollen pfiffige Lösungen für die leitungsgebundene Infrastruktur, zum Wohle der Berlinerinnen und Berliner.

Klingt alles super, aber im Gas-Konzessionsverfahren gab es vor Gericht eine Klatsche für die Finanzverwaltung und für Berlin Energie.

Wir haben an keiner Stelle vor Gericht eine Würdigung der Angebote für das Gasnetz erlebt; die liegen auch dem Gericht nach dessen Aussage gar nicht vor.

Aber die Bieterfähigkeit von „Berlin Energie“ wurde infrage gestellt.

Ja, vom Landgericht Berlin. Aber dies wurde von der höheren Instanz des Kammergerichts Berlin revidiert. Die Bieterfähigkeit unseres Unternehmens ist gegeben. Der Vorwurf des Gerichtes betraf zum einen unsere Organisationsform und zum anderen die Bieterfähigkeit. Bei der Organisationsform sind wir guter Dinge und erwarten im Oktober ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Wir gehen davon aus, dass die Organisationsform eines wirtschaftlich selbstständigen Landesbetriebes bestätigt werden wird. Wir sind jetzt beim Strom ein Landesbetrieb und waren beim Gas ein Landesbetrieb und nicht eine Abteilung einer Senatsverwaltung, wie das Landgericht meinte.

Hilft es beim Stromverfahren, dass die Eon-Tochter Edis als Ihr Partner auftritt und Eon der favorisierte industrielle Partner des Senats bei der Gasag ist?

Edis hat viel Erfahrungen mit dem Netzbetrieb unter anderem in Brandenburg und kann uns womöglich beim praktischen Netzbetrieb helfen. Das Thema Gasag oder die industrielle Partnerschaft der Stadt spielt weder im Stromverfahren noch bei unserem Kooperationsvertrag mit Eon/Edis eine Rolle.

Wozu betonen Sie dann immer wieder die vielen Partner von „Berlin Energie“?

Als kommunales Netzunternehmen können wir mit Edis wie auch mit den vielen anderen Kooperationspartnern – aus Netzbetreibersicht – zügiger viele Dinge anschieben, die der gesamten Stadt nützen, zum Beispiel bei der Elektrifizierung des ÖPNV oder auch der Berliner Schifffahrt. Infrastrukturen müssen endlich zusammengedacht werden – das ist unser Ansatz. Ideal wären alle leitungsgebundenen Netze in einer Hand: einmal gedacht und einmal gemacht. Das kann über Kooperation genau wie über Kombination erfolgen.

Ein schöner Traum.

Bei Vattenfall steht dieser Ansatz nicht im Zentrum. Leider. Wenn man in München sieht, wie das funktioniert, dann kriegt man feuchte Augen: Eine Bohrung in der Hauswand, und dann alles an einem Tag – Strom, Wasser, Wärme, Breitband. Alles nach einer Norm, ein Ansprechpartner, eine Rechnung. Das ist ein Traum. Warum sollen wir den Traum nicht in Berlin Realität werden lassen?

Dazu wäre vermutlich eine rot-rot-grüne Landesregierung hilfreich.

Da kann ich nicht widersprechen. Insbesondere nachdem ich mir sehr genau den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ des Abgeordnetenhauses zum Thema integrierter Netzbetrieb angeschaut habe.

Was, wenn es die Konzession nicht gibt?

Wir haben alle einen befristeten Arbeitsvertrag, Berlin Energie wird dann abgewickelt. Aber das glaubt hier keiner. Wir freuen uns auf die Konzession und werden nach dem Zuschlag sofort loslegen. Die wachsende Stadt Berlin braucht eine moderne Infrastruktur.

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