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Ein Gesicht auf einer digitalen Landkarte - die Jungunternehmerin Willempje Vrins hatte eine Idee.

© Tso

Berliner Gründer: Geben und Nehmen

Die junge Internet-Branche lebt von kreativen Zentren. Berlin ist eines. Das zieht auch immer mehr Gründer aus dem Ausland an.

Eines Tages war Willempje Vrins gerade fünf Minuten gejoggt, da kam die Erkenntnis: Sie langweilte sich dabei zu Tode. „Ich war regelmäßig laufen, um mich fit zu halten“, erzählt die 32-jährige Niederländerin. Aber alles, was ihr das Smartphone an Ablenkung bot, reichte ihr nicht zur Unterhaltung. Also erfand die studierte Medienanalystin, Kulturmanagerin und Spieleforscherin mit zwei Bekannten das „Figure Running“.

Ausgestattet mit einem Gerät, das über GPS-Satellitenortung verfügt, können Nutzer Figuren gehen oder laufen: ein Gesicht, einen Buchstaben, eine Schildkröte oder was ihnen sonst noch so einfällt. Das Resultat können sie auf einem Stadtplan darstellen und im Internet hochladen. Rund um Figure Running gibt es einen Blog, eine iPhone-Applikation und eine wachsende Zahl von Nutzern in der Welt. Bald soll eine App für Androidtelefone folgen.

Seit Juli ist Vrins in Berlin, um das Projekt weiter voranzutreiben. „Die Start- up-Szene hier ist sehr lebendig, die Lebensqualität hoch“, erklärt sie. In diesem Jahr will sie Partnerschaften mit Unternehmen abschließen, die Produkte für gesunden Lebenswandel verkaufen oder ein Interesse daran haben, dass Menschen sich mehr bewegen. Dann könnte FigureRunning genug Profit abwerfen, dass Vrins davon leben kann. Ihre blonden Haare fallen auf einen sandfarbenen Blazer, während sie an ihrem Kaffee nippt.

Zum Arbeiten kommt sie ins Kreuzberger Betahaus. Über den Bürokomplex nahe des Moritzplatzes, in dem man tage-, wochen- oder monatsweise einen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro mieten kann, ist viel geschrieben worden. Jetzt ist das Haus als Zentrum für Start-ups wieder im Gespräch. Neben dem Betahaus gilt das Café St.Oberholz am Rosenthaler Platz in Mitte als Zentrum des neuen Internetbooms. Außerdem ziehen Start-ups in Fabriketagen Tür an Tür, beispielsweise in der Wöhlertstraße.

Gründer wie Vrins tauschen sich an solchen Orten über den Laptopbildschirm hinweg mit Grafikern, Programmierern oder anderen Mitstreitern aus, finden Partner für ihr Projekt oder entwickeln gemeinsam Neues. Die Start-upWelt wird dabei immer internationaler, weil Berlins guter Ruf auch ausländische Gründer anlockt. „Es gibt fast keine Frage, die man nicht innerhalb des Betahauses klären kann“, sagt Conradin Mach-Sonnenberg. Der Schweizer verantwortet bei der Kollaborationsplattform „Jovoto“ die Kreativstrategien. Sein Unternehmen sitzt im vierten Stock des Betahauses.

Kunden wie die Bahn, Air Berlin, Unicef oder Starbucks nutzen Jovoto als Plattform, um Wettbewerbe zu initiieren, wenn sie zum Beispiel ein neues Logo oder einen Slogan brauchen. Kreative aus aller Welt reichen ihre Vorschläge ein – beim Wettbewerb um das Logo für Menschenrechte gingen auf der Plattform beispielsweise 15000 Ideen ein. Die Bestplatzierten bekommen ein Preisgeld, der Gewinnervorschlag wird gekauft.

Vier Jahre nach seiner Gründung gilt Jovoto als Urgestein in der Crowdsourcing-Branche, die sich Schwarmintelligenz im Netz zunutze macht. Auch Mach-Sonnenberg ist schon lange in der Szene unterwegs. Berlin sei ein wenig wie eine große Familie, sagt er: „Die Aufbruchstimmung ist viel solidarischer als während des ersten Internetbooms.“ Fairness wird bei Jovoto groß geschrieben. „Die Rechte bleiben bei den Kreativen, bis der Kunde sie kauft“, sagt der Strategiedirektor, die Preisgelder seien „ordentlich“.

So sollen möglichst viele Kreative von ihrer Arbeit auf der Plattform leben können. So könnte der Boom diesmal nachhaltig Arbeitsplätze in Berlin schaffen.

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