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Wirtschaft: Berliner Richter urteilen gegen Pharmakonzerne

Festbetragsregelung auch für patentgeschützte Medikamente gebilligt – US-Konzern Pfizer rechnet mit dramatischen Einbußen

Berlin - Das Berliner Sozialgericht hat die Festbetragsregelung bei Arzneimitteln in zwei konkreten Fällen gebilligt und damit dem weltgrößten Pharmakonzern Pfizer einen Schlag versetzt. Erstmals bestätigte das Gericht damit die Neuregelung der Gesundheitsreform, nach der seit Jahresbeginn auch patentgeschützte Arzneimittel gemeinsam mit kostengünstigeren patentfreien Präparaten in einer Festpreisgruppe vereint werden dürfen (siehe Kasten). Dies gilt seit Januar auch für das noch bis 2011 patentgeschützte Pfizer-Medikament Sortis, einen Blutfettsenker. Allein dadurch kann der Pharmagigant einen dreistelligen Millionenbetrag an Umsatz verlieren.

Als Richter Ralf Dewitz die Urteilsbegründung am Dienstag verlas, kam Unruhe in Saal 4 des Sozialgerichtes an der Invalidenstraße auf. Denn Dewitz gab auf ganzer Linie dem Gemeinsamen Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern Recht, der Sortis in eine Gruppe mit billigeren Blutfettsenkern aus der Wirkstoffgruppe der so genannten Statine eingeordnet hatte. Deren Festbetrag, bis zu dem die gesetzlichen Krankenkassen den Verkaufspreis erstatten dürfen, liegt 38 Prozent unter dem Preis von Sortis. Vom darin enthaltenen Wirkstoff Atorvastatin behauptet der Konzern, er senke den Cholesterinwert im Blut am effektivsten von allen Statinen und verhindere so zum Beispiel Herzinfarkte am besten. Für mindestens 700 000 Risikopatienten in Deutschland – Diabetiker oder Patienten mit hohen Cholesterinwerten in der Familie – sei das Medikament ohne Alternative.

Dem wollten die Berliner Richter nicht folgen: Die vorliegenden Studien hätten dafür keinen eindeutigen Nachweis erbracht, urteilten sie. Am heftigsten dürfte es die Pfizer-Manager getroffen haben, dass sich die Kammer des Sozialgerichts inhaltlich der Bewertung des vor einem Jahr geschaffenen Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) anschloss. Das Kölner Institut soll im Auftrag des Bundesausschusses den Nutzen von Medikamenten bewerten. Im Falle von Sortis hatten die Wissenschaftler entschieden, dass eine Überlegenheit von Sortis nicht belegt sei. Zudem habe die Therapie mit der höchsten zugelassenen Sortis-Dosis in Studien wegen Nebenwirkungen häufiger abgebrochen werden müssen als bei einem Konkurrenzprodukt.

Vorwürfe des Pfizer-Anwalts vor Gericht, das IQWIG sei nicht unabhängig und sein Leiter Peter Sawicki voreingenommen, ließen die Richter nicht gelten. Und im Übrigen liege die Beweislast bei Pfizer. Von den Behörden könne nicht erwartet werden, dass sie eigene Studien anstellten, um die therapeutische Überlegenheit einer Arznei zu prüfen.

Doch das monatelange Hickhack ist mit diesem Urteil nicht zu Ende. Pfizer kündigte gestern an, in die Berufung zu gehen. Beobachter erwarten, dass der Streit bis zum Bundessozialgericht ausgetragen wird. Denn es geht um viel Geld: Noch 2004 wurde das Medikament hierzulande 1,5 Millionen Patienten verschrieben, was 400 Millionen Euro Umsatz brachte. Doch seit der Eingruppierung in eine Festbetragsgruppe mit den anderen Statinen müssen die gesetzlich Versicherten die Differenz zum Festpreis von rund 50 Euro pro 100er-Packung Sortis selbst zahlen – der Umsatz brach ein. Im vergangenen Jahr hatte Sortis laut Pfizer noch einen Marktanteil von 30 Prozent, jetzt seien es noch sechs bis sieben Prozent. Der Konzern rechnet für 2005 mit einem Umsatzrückgang von bis zu 130 Millionen Euro in Deutschland.

„Wir bedauern diese Entscheidung des Gerichtes sehr, weil wir sie für falsch halten“, sagt Michael Klein, Direktor für Recht und Corporate Affairs bei Pfizer Deutschland in Karlsruhe. „Es gibt Patienten, die auf Sortis angewiesen sind.“ In der Berufung werde man mit neuen und auch mit den bereits veröffentlichten Studien nachweisen, dass das Medikament einen therapeutischen Vorsprung gegenüber den Konkurrenzprodukten habe.

Sollten Pfizer und das Unternehmen MSD Chibropharm in Haar, dessen Klage gegen die Eingruppierung seines Blutdrucksenkers Lorzaar gestern ebenfalls scheiterte, am Ende des Instanzenweges doch Erfolg haben, hätte das starke Auswirkungen auf den Versuch der Politik, die Arzneimittelausgaben in den Griff zu bekommen. Denn weitere Klagen von Pharmafirmen gegen Eingruppierungen liegen bereits beim Sozialgericht vor.

Doch vorerst herrscht Freude: „Wir fühlen uns durch das Urteil bestätigt, dass dieser Weg zur Senkung der Arzneimittelkosten der richtige ist“, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums.

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