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Yager entwickelt derzeit das PC-Spiel "Dreadnought", in dem Fünferteams mit gewaltigen Raumschiffen gegeneinander antreten. Auf schnelle Reaktionen kommt es bei "Dreadnought" weniger an als auf die richtige Strategie.

© Yager

Berliner Spieleindustrie: Von Zombies, Raumschiffen und hüpfenden Katzen

Die Computerspielemesse Gamescom öffnet kommende Woche. Die Berliner Spielefirmen sind gut aufgestellt.

Ein riesiges Raumschiff schwebt träge über die Planetenoberfläche. Sein schwer gepanzerter, mit Geschütztürmen gespickter Körper wirft einen kolossalen Schatten auf Hochebenen und Felswüsten. Plötzlich spuckt ein naher Canyon zwei schlanke Raumgleiter aus: Kundschafter des Feindes, die nur geringe Feuerkraft besitzen. Die Situation ändert sich schlagartig, als aus dem Canyon ein weiteres Raumschiff auftaucht: Die Titanen manövrieren sich in Schussweite, der Kampf beginnt.

Die Szene stammt aus dem noch unfertigen PC-Spiel "Dreadnought", was so viel wie "Schlachtschiff" bedeutet. Entwickelt wird "Dreadnought" vom Spielestudio Yager, einem Aushängeschild der Berliner Games-Branche. 1999 gegründet, beschäftigt Yager mittlerweile 140 Mitarbeiter; das Studio liegt in der Kreuzberger Pfuelstraße unweit der Spree. 40 Yager-Angestellte arbeiten an "Dreadnought", das 2015 als Free-to-Play-Titel erscheinen soll. Das heißt: Man kann das Spiel kostenlos spielen, zahlt aber für Zusatzinhalte.

Der Großteil der Yager-Belegschaft - rund 80 Mitarbeiter - sitzt jedoch an "Dead Island 2", einem Zombie-Spiel für Konsolen und PC. "Dead Island 2" ist ein blutrünstiger Überlebenskampf, der die Zombie-Apokalypse aber auch ordentlich ironisiert. "Wir produzieren "Dead Island 2" für eine erwachsene Zielgruppe, das heißt für Spieler ab 18 Jahren", stellt Yager-Geschäftsführer Timo Ullmann klar. Auf der Spielemesse Gamescom, die nächste Woche in Köln beginnt, wird "Dead Island 2" erstmals anspielbar sein. Und neben einigen anderen Spielen die Games-Branche der Hauptstadtregion repräsentieren.

Die neuen Konsolen haben den Markt beflügelt

Auch wenn Zombie-Horror nicht jedermanns Sache ist: "Dead Island" bestätigt einen Trend, den der Branchenverband BIU zur Gamescom ausgerufen hat. Immer mehr Titel bieten offene Spielwelten, in denen man sich frei bewegen und starken Einfluss auf die Handlung nehmen kann. Diese "Open-World-Games" gibt es zwar schon lange, man denke nur an "Grand Theft Auto" oder "Skyrim". Doch mit der neuen Konsolengeneration - Playstation 4 und Xbox One starteten im letzten Herbst - steht Spielemachern deutlich mehr Rechenleistung als bisher zur Verfügung, die offenen Spielwelten werden immer detaillierter. Gamescom-Besucher werden sich davon überzeugen können - ob nun im Rennspiel "The Crew", im Fantasy-Abenteuer "The Witcher 3" oder im Superhelden-Spielplatz "Batman: Arkham Knight".

Die Branche macht einen Umsatz von knapp 800 Millionen Euro

Zur Gamescom veröffentlicht der BIU die neuesten Branchenzahlen - und die können sich durchaus sehen lassen. In der ersten Jahreshälfte wuchs der deutsche Markt für Computer- und Videospiele um rund sechs Prozent auf 798 Millionen Euro - einschließlich der Umsätze mit Spiele-Apps, virtuellen Zusatzinhalten und Abo-Gebühren. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres lag der Umsatz nur bei 752 Millionen Euro. Ein Wachstumstreiber waren PS4 und Xbox One, wobei die PS4 im Konsolenduell derzeit klar vorne liegt. Als weitere Erfolgsfaktoren sieht BIU-Geschäftsführer Maximilian Schenk "den Boom bei Spielen für Mobilgeräte und das Free-to-Play-Geschäftsmodell, die die Marktentwicklung in den kommenden Jahren maßgeblich beeinflussen werden". Mittlerweile spielen 20,6 Millionen Deutsche auf Smartphones und Tablet-Computern: Das sind 23 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2013. Entsprechend hoch fiel auch der Umsatz mit Spiele-Apps und virtuellen Zusatzinhalten aus: Im ersten Halbjahr 2014 ist er - im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - um satte 133 Prozent gewachsen.

Berlin ist auf mobile Spiele spezialisiert

Der Boom bei Mobile Games ist für die Spieleindustrie der Hauptstadt höchst erfreulich. "Berlin gilt mittlerweile international als Mobile Hotspot", sagt Michael Liebe, Botschafter (Ambassador) des Firmennetzwerks games.net. "Neuzugänge am Standort wie Kabam oder King.com suchen hier nach guten Entwicklern und wollen am Puls der Mobile-Industrie sein." Erst im Februar übernahm die ProSiebenSat.1 Group den Berliner Spieleanbieter Aeria Games Europe. Im Juli zog es auch die chinesische Firma Shanda nach Berlin, sie eröffnete ihre Europafiliale in der Ackerstraße. Die größten Spieleproduzenten der Hauptstadt sind nach wie vor Wooga (Social und Mobile Games), GameDuell (Browsergames) und eben Yager, das aufwändige Konsolen- und PC-Titel wie "Spec Ops: The Line" produziert. Daneben gibt es aber auch kleinere Studios, die besonders schnell wachsen, zum Beispiel Infernum Productions, Skill Games und Stryking Entertainment. Einige dieser Unternehmen sind an dem Gemeinschaftsstand vertreten, den games.net auf der Gamescom organisiert.

Hamburg liegt noch vor Berlin

Im deutschlandweiten Vergleich hat es Berlin noch nicht ganz an die Spitze geschafft. "Hamburg liegt nach wie vor vorne, besonders was Umsatz und Mitarbeiterzahlen angeht", sagt Michael Liebe, "Berlin holt aber massiv auf". Derzeit gibt es in der Hauptstadtregion rund 200 Spielefirmen, die Zahl ist zuletzt relativ konstant geblieben. "Wir verzeichnen aber einen deutlichen Zuwachs bei Vermarktern und Dienstleistern", so Liebe - und nennt als Beispiele Firmen wie Crobo, Skrill, Gamegenetics, Applift, Adjust und Redpinapple. Gamegenetics etwa vermarktet Online- und Mobile-Games: Für ihre 300 Kunden schaltet die Distributionsfirma rund 100 Milliarden Werbeanzeigen pro Monat. Zum "gesunden Ökosystem", wie Michael Liebe die Games-Branche der Hauptstadt nennt, gehören aber auch kleine Independent-Studios wie Kunst-Stoff, Happy-Tuesday oder Brightside Games. Letztere sind mit dem putzigen 2D-Spiel "Team Indie" mit hüpfenden Katzen auf der Gamescom vertreten.

Keine Probleme mit dem Nachwuchs

Unternehmen wie Yager profitieren von dem guten Ruf, den Berlin weltweit genießt. "Das ist ein Pfund, mit dem man als heimisches Studio wirklich wuchern kann", sagt Geschäftsführer Timo Ullmann. "Das große Angebot an Freizeitaktivitäten hilft uns, hochqualifizierte Arbeitskräfte aus aller Welt anzuwerben. Yager hat ein sehr buntes Team, hier arbeiten fast zwanzig verschiedene Nationalitäten zusammen." Yager beschäftigt einen Mix aus Newcomern und erfahrenen Leuten, sagt Ullmann: "Bei Großproduktionen ist es unheimlich wichtig, mit Profis zu arbeiten." Nachwuchstalente findet Yager in Berlin, sei es nun an der Games Academy, der School for Games oder an den Unis mit Informatik-Studiengängen. Die können dann bei der Entwicklung von Spielen wie "Dreadnought" Erfahrungen sammeln.

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