zum Hauptinhalt
Proviant Smoothies. Paul Löhndorf managt die Fruchtmanufaktur in Kreuzberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Wirtschaft ganz nah (1): Die Saftmacher

Das Label Proviant, das in Kreuzberg Smoothies und Limonade herstellt, ist eine echte Berliner Erfolgsgeschichte.

Von Maris Hubschmid

Edeka Süd hat wieder angerufen. Paul Löhndorf hat erneut abgelehnt. „Ohne die Bioläden wären wir nicht, was wir heute sind“, sagt der 33-jährige Geschäftsführer von Proviant Smoothies an seinem Schreibtisch in einer Kreuzberger Bürogemeinschaft. Die Großhändler Terra Naturkost und Denn’s schenkten der jungen Berliner Firma als Erste das Vertrauen, die Fruchtmixe aus dem Hinterhof in ihr Sortiment aufzunehmen. In acht Städten ist das Label inzwischen vertreten, außer in Ketten wie Bio Company sind die Smoothies nur in der Gastronomie erhältlich. Diese Exklusivität will Löhndorf der Marke nicht nehmen.

Liebesgruß und Kreuzbeere

Berlin ist bio-verrückt – und anders als die meisten Deutschen suchen Berliner bio auch tatsächlich in den Bioläden. Eine Überallerhältlichkeit, glaubt Löhnsdorf, hätte dem Produkt geschadet. Aber er ist Edeka entgegengekommen, produziert seit 2011 eine kleinere Auswahl von Smoothies unter dem Namen „Fruchtwerk“ für den Supermarkt. Mit der Marke Proviant, Kreationen wie „Liebesgruß“ und „Kreuzbeere“ bleibt er geizig. Das Wachstum – Regalreihen voller Bestellungsordner in seinem Rücken belegen es – ist auch so schon enorm.

Seit zwei Jahren machen sie auch Limonade

3500 Smoothies verlassen die Manufaktur pro Tag, seit 2012 hat das Unternehmen auch Limonade im Sortiment. Die wird sogar doppelt so viel nachgefragt wie die Fruchtsäfte. Proviant ist die Erfolgsstory dreier Freunde aus Kindertagen, die einfach Lust hatten, etwas zusammen aufzuziehen. Erst sollte es ein Café werden, dann ein Sportstudio, dann boten sie Wraps auf Straßenfesten an. Aber erst die Smoothies wurden ihnen aus den Händen gerissen.

Neun Sorten Smoothies

Ihr Geschäftsmodell lässt sich herrlich kurz zusammenfassen, das ist nicht untypisch für Berliner Erfolgsgeschichten: Jan, Tom und Paul mixen Saft. Jan Pilhofer designte ein nostalgisches Logo. Paul, der nach dem Abitur eine Ausbildung zum Fitnesskaufmann gemacht hat, errechnete, wie viele Flaschen sie pro Woche schaffen können mit ihren Mitteln und wie viel Obst dafür nötig ist. In Sachen Finanzierung hatten die drei Glück: Das Startkapital kam von ihren Familien. Sie kalkulierten in Eimern. Und das tun sie noch immer, 30 Eimer sind ein Fass. Neun Sorten haben sie etabliert. Der Umsatz hat sich jedes Jahr verdoppelt.

„Bei uns ist von der namensgebenden Zutat auch wirklich am meisten drin“, sagt Löhndorf nicht ohne Stolz. Und tatsächlich, in Konkurrenzprodukten sind auch bei Sorten wie „Beerenmix“ oder „Mango-Maracuja“ der billige Apfel- oder Orangensaft fast ausnahmslos die Hauptzutat. Das Angebot an Smoothies auf dem Markt ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Innocent, nach eigenen Angaben ebenfalls die Idee dreier Freunde namens Richard, Jon und Adam, gehört seit 2013 zu Coca-Cola. Große Lebensmittelhändler haben eigene Marken herausgebracht wie True Fruits von Rewe. In Berlin aber ist die Beliebtheit von Proviant wohl unerreicht. Die unter dem Namen Fruchtwerk bei Kaiser’s und Edeka verkauften Flaschen mit gleicher Rezeptur machen dabei nur einen Anteil von fünf Prozent am Umsatz aus.

Kaufhof, VW und Google lassen ihr Logo auf die Saftfläschchen drucken

Vor drei Jahren wurde die Produktion ausgeweitet, auf 350 Quadratmetern Fläche werkeln die Saftmacher jetzt mit 20 Mitarbeitern, nur fünf Minuten Fußweg von ihrem Büro in der Zossener Straße entfernt. Eine professionelle Etikettiermaschine haben sie sich angeschafft und anfangs ehrfürchtig davorgestanden – inzwischen ist sie schon fast wieder zu klein. Was schwer zu mixen ist, kaufen die jungen Männer heute fertig püriert. In Edelstahltanks warten Bananenbrei und Kiwimus auf ihren Einsatz. Die Zutaten kommen von niemand anderem als dem Babybreihersteller Hipp. „Der unterliegt besonders hohen Kontrollen, der hat die beste Qualität“, sagt Löhndorf.

Die Smoothies sind auch mit individuellen Etiketten zu haben – deshalb zählen auch Konzerne wie Kaufhof, VW, Siemens und Google zu Löhndorfs Kunden. „Irgendwann kam die erste Anfrage. Das hat sich verselbstständigt“, sagt er. Die Unternehmen geben die Saftfläschchen mit ihrem Logo an Geschäftspartner aus, profitieren gern auch ein bisschen von dem frischen, unverfälschten Image.

Die Limonade wird in der Rhön abgefüllt

Dafür arbeitet Paul Löhndorf leidenschaftlich und viel, „richtig Freizeit hat man nie“, sagt er. Seine Mitunternehmer Jan Pilhofer und Tom Wrobel haben sich inzwischen aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, reden aber bei wichtigen Entscheidungen weiterhin mit. Wie in der Edeka-Frage. Oder der Bestimmung der Limonadensorten: Zitrone und Rhabarber, ganz klassisch. Eine Apfelschorle gibt es auch. Die Erfrischungsgetränke werden in einem kleinen Betrieb in der Rhön abgefüllt. „Für so was haben wir hier einfach keine Möglichkeiten“, sagt Löhndorf. Der Partner in Motten schafft 20 000 Limonadenflaschen in einer Stunde, so viel wie sie Smoothies in einer Woche. Alle 14 Tage wird abgefüllt.

Nur frisch gepresster Saft, Wasser und Rohrzucker

Der Limonadenmarkt ist hart umkämpft. Löhndorf war ein Fan des Hamburger Labels Fritz Limo, ehe er seine eigene Limonade machte. Er erkannte: Etwas ist nicht dann perfekt, wenn nichts mehr hinzuzufügen ist, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann. Nichts weiter als frisch gepresster Saft, Wasser und ein bisschen Rohrzucker kommen in die Limo hinein. Die kostet einen Euro pro Flasche, der Smoothie 2,40 Euro. Vom Umsatz seien die beiden Sparten somit etwa ausgeglichen. Selbst nach Litauen und Finnland exportieren die Berliner ihre Limonade schon. Aber in die Supermärkte drängen sie auch damit nicht. „Keiner von uns hat die Ambitionen, die nächste Bionade zu werden.“

Schon jetzt beschwerten sich manche Kunden, dass sie die Limos nicht direkt am Firmenstandort beziehen können, sondern über den Großhändler ordern müssen. „Es lässt sich in den Mengen nicht anders organisieren“, sagt Löhndorf. Aber er und seine Freunde spüren in solchen Momenten einmal mehr: Die Berliner wollen sie genau so, wie sie angefangen haben – als ein Start-up in einem Kreuzberger Hinterhof.

Mehr zur Wirtschaft in der Hauptstadt lesen Sie in der neuen Serie "Made in Berlin – Berliner Wirtschaft ganz nah". Ab sofort jeden Sonntag bis zum 17. August.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false