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Berliner Wirtschaft muckt auf: Kaputte Straßen

Die Wirtschaft setzt Prioritäten für öffentliche Investitionen: Mittel für Infrastruktur vervierfachen, meinen die Unternehmensverbände UVB.

Berlin - Die Straßen der Hauptstadt zerbröseln unter dem zunehmenden Verkehr, der Sanierungsbedarf wird inzwischen auf 500 Millionen Euro veranschlagt. Um die Löcher zu schließen und den „Werteverzehr“ in der Verkehrsinfrastruktur zu stoppen, plädiert die Wirtschaft für eine massive Erhöhung der Ausgaben: Statt derzeit 33 Millionen Euro sollten pro Jahr 120 Millionen Euro ausgegeben werden – und zwar für die kommenden zehn Jahre. Für die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), gehört die Straße zu den vorrangigen Handlungsfeldern der Politik. Danach folgen Bildung und Gesundheit. Öffentliche Ausgaben für den Erwerb des Energienetzes lehnt UVB-Chef Christian Amsinck ab. Ein landeseigenes Energieunternehmen habe keinen Einfluss auf Energiekosten und Versorgungssicherheit „und damit keinen Mehrwert für Klima, Wettbewerb und Verbraucher“.

„Aus Sicht der Unternehmen sind Mobilität, Energiekosten, Bildung und Fachkräfte entscheidende Standortfaktoren“, sagte der UVB-Hauptgeschäftsführer am Mittwoch anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts des Dachverbands. Der Zuzug nach Berlin, aber auch die Pendlerströme aus dem Umland belasteten die Straßen erheblich. So stieg die Zahl der „Einpendler“ von 180 000 im Jahr 2000 auf inzwischen 254 000. Aus Berlin raus fahren täglich 152 000 Beschäftigte zu ihrem Arbeitsplatz im Umland, das sind rund 40 000 mehr als im Jahr 2000. Schließlich gibt es immer mehr Autos in der Stadt, inzwischen sind es 1,135 Millionen (2009: 1,088 Millionen). Das ist auch eine Folge der wirtschaftlichen Entwicklung und des Bevölkerungswachstums, das sich wiederum positiv in der Konjunktur bemerkbar macht. Auch in diesem Jahr werde die Berliner Wirtschaft mit 1,7 Prozent deutlich stärker wachsen als der Bundesdurchschnitt mit 0,8 Prozent. Amsinck erklärt das mit dem „boomenden Tourismus und der Sonderkonjunktur am Bau“. Alles in allem könnten in diesem Jahr 20 000 zusätzliche Arbeitsplätze in der Stadt entstehen – vor allem in der Gesundheitswirtschaft, in „wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ sowie Autohandel und -Reparatur. Aufgeteilt nach Branchen sei derzeit vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe optimistisch, in der Industrie rechneten Maschinenbau, Chemie und Ernährungswirtschaft mit guten Geschäften.

Zwischen 2010 und 2012 war die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Region um knapp 178 000 gestiegen, im gleichen Zeitraum gab es 150 000 Arbeitslose weniger. Amsinck machte in dem Zusammenhang aufmerksam auf das besondere Problem der Jugend. Mehr als 70 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen in Berlin hätten keine Berufsausbildung; fast zehn Prozent aller Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss und ein Drittel der Azubis breche die Ausbildung ab. Besonders extrem seien die Abbrecherquoten in einzelnen Handwerksberufen: Sage und schreibe 65 Prozent aller Friseur–Lehrlinge beenden nicht ihre Ausbildung, in der Systemgastronomie (zum Beispiel McDonalds) sind es 55 Prozent und bei Lackierern und Malern beläuft sich die Abbrecherquote auf 54 Prozent.

Für Amsinck ist erschreckend, dass „wir nicht wissen, was mit den Abbrechern passiert“. Er schlägt deshalb nach Hamburger Vorbild die Einrichtung einer „Jugendberufsagentur für junge Arbeitslose und Menschen ohne Ausbildung bis 25 Jahre“ vor. Um aber die jungen Leute, allein in Berlin seien es Tausende, überhaupt erst erfassen zu können, brauche man eine Berufsschulpflicht. Die gibt es in Hamburg und Brandenburg, aber nicht in Berlin. Der UVB- Chef zeigte sich zuversichtlich über die Einführungschancen einer solchen Pflicht. Senat und Arbeitsagentur seien überhaupt interessiert an einer Jugendberufsagentur mit den Kernaufgaben „Übergangsmanagement, Absicherung der Ausbildung und Angebotssteuerung“. Außer Arbeitsagenturen, Senat und Bezirksämtern sollten Kammern und Verbände sowie Elterneinrichtungen und Träger der Jugendhilfe bei der neuen Agentur mitmachen.

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