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Kleiner Mann, langer Schatten. Bernie Ecclestone am Dienstag im Gericht.

© dpa

Bernie Ecclestone - so konnte er sich freikaufen: Schwarz-Rot stand im Gerichtssaal Pate

Bernie Ecclestone profitiert im Bestechungsprozess von deutschen Gesetzen aus der Zeit der ersten großen Koalition. Um einen "Deal" gehe es aber nicht, beharren die Juristen.

Am Ende macht Bernie Ecclestone eine kleine Runde durch den Gerichtssaal. Er geht zu Richter Peter Noll, schüttelt ihm die Hand, bedankt sich für dessen Geduld. Bei Staatsanwalt Christian Weiß klopft er kurz erleichtert mit der Handfläche auf den Tisch und bedankt sich ebenfalls. „Ich gehe davon aus, dass wir uns nur noch im Fernsehen wiedersehen“, sagt der Richter scherzend zum Abschied. Der freundliche Umgang des Formel-1-Chefs mit Staatsanwaltschaft und Gericht sowie umgekehrt führt zu der Frage: Wie geht das? Ecclestone zahlt 75 Millionen Euro und kann gehen – ohne Urteil, ohne Vorstrafe?

Die Einstellung des Verfahrens empört die Öffentlichkeit. Doch Beobachter verweisen auf die Gesetze. Das war ein „Deal“, heißt es. Der Angeklagte habe von einer gesetzlichen Regelung aus dem Jahre 2009 Gebrauch gemacht: der „Verständigung im Strafverfahren.“

Das stimmt nicht ganz. Denn der „Deal“ besagt, dass ein Angeklagter eine Absprache mit dem Gericht treffen kann. Legt er ein Geständnis ab, kann ihm das Gericht im Gegenzug eine geringe Strafe in Aussicht stellen. Das Gerichtsverfahren wird dann verkürzt, am Ende steht in aller Regel das milde Urteil (Paragraf 257c Strafprozessordnung). Bernie Ecclestone erhält aber überhaupt kein Urteil. Sein gesamtes Verfahren wird gegen Geldzahlung eingestellt. Dennoch: Deal und Einstellung des Verfahrens gegen Geldzahlung (Paragraf 153a Strafprozessordnung) sind „Brüder im Geiste“. Ohne das Deal-Gesetz von 2009 würden sich die Gerichte nicht ermuntert sehen, trotz schwerer Straftaten Verfahren gegen Geld einzustellen.

Das Gesetz über den Deal hatte die frühere große Koalition aus Union und SPD 2009 erarbeitet. FDP und Grüne stimmten dem Gesetz am 29. Juli 2009 zu. Im September 2009 wurde neu gewählt. Union und FDP regierten, Justizministerin wurde Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Das Deal-Gesetz wurde nicht geändert. Vor wenigen Tagen kritisierte die FDP-Politikerin im Ecclestone- Verfahren die Möglichkeit eines Einstellungsbeschlusses gegen die Geldauflage von 100 Millionen Dollar als „Frechheit“. Dies sei „nicht mit dem Sinn und Zweck unserer gesetzlichen Regelung in Einklang zu bringen“.

Staatsanwalt: "Das war kein Deal"

Die Münchner Staatsanwaltschaft wies die Kritik der Ex-Justizministerin am Dienstag  zurück. Die Angaben der FDP- Politikerin seien „schlichtweg falsch“, sagte Staatsanwalt Thomas Steinkraus- Koch. Es handle sich eben nicht um einen „Deal“, sondern um einen gerichtlichen Beschluss.  Einstellungen von Verfahren nach Paragraf 153a würden jeden Tag in Deutschland „tausendfach“ beschlossen. Steinkraus-Koch betonte: „Wenn man das politisch nicht möchte, muss man das Gesetz entsprechend ändern.“

Ohne Kontroverse werden die 100 Millionen Dollar verteilt, die Ecclestone zahlen muss. 99 Millionen gehen an die Staatskasse, eine Million an die Deutsche Kinderhospizstiftung in Olpe, die die Kinderhospizarbeit bundesweit fördert und Familien mit lebensverkürzend erkrankten oder bereits gestorbenen Kinder unterstützt. Die Auswahl der Einrichtung oblag dem Richter, der die Stiftung auf einer Liste mit „hunderten gemeinnütziger Organisationen“ fand, wie Gerichtssprecherin Andrea Titz erklärte. Ecclestone hätte diese Auswahl auch ablehnen können, tat es aber nicht. Begründet haben die Richter ihre Wahl nicht. Das sei nicht üblich, sagte Titz. Will eine gemeinnützige Organisation auf eine solche Liste, die allen Oberlandesgerichten vorliegt, muss sie einen Antrag beim Präsidenten des Gerichts stellen. ukn/vin/AFP/dpa

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