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Wirtschaft: Besser als Rabatt

Dieses Jahr verzichtet der Handel vor dem Fest auf Kampfpreise. Spaß und spektakuläre Aktionen sollen stattdessen Kunden anlocken

Aufmerksamkeit, darum dreht sich alles in der Werbung. Wer seine Kunden auffordert, sich Dieter-Bohlen-Masken über das Gesicht zu ziehen, und verspricht, jedem 13. so Maskierten an der Kasse den Einkauf zu schenken, der erreicht wie jetzt der Elektrodiscounter Makromarkt dieses Ziel. Ebenso wie im Sommer der Mediamarkt, der versprach, wenn Deutschland Fußball-Europameister würde, seinen Kunden die Fernseher zu schenken, die sie am 1. Juni dort gekauft haben. Oder der Textilhändler C&A, der im Weihnachtsgeschäft 2004 noch die alte D-Mark akzeptiert. In den ersten zehn Tagen sind bereits mehr als sechs Millionen D-Mark zusammengekommen. Künftig werde der Handel immer stärker auf solche medienwirksamen Sonderaktionen setzen, sagen Werbe- und Handelsfachleute. Doch sie warnen auch, denn nicht alle Kunden schätzen den Rummel, den diese Events mit sich bringen.

Zuletzt schien es so, als habe der Handel nur noch ein Verkaufsargument: den Preis. „Die Rabattschlachten haben den Handel zu viel Geld gekostet, man merkt, dass sie zurückgefahren werden“, sagt Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft. „Der Handel setzt zunehmend auf andere Werbeformen, die auch Geld kosten, im Vergleich aber logischer und bezahlbarer sind.“ Auch Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbands des deutschen Einzelhandels, sagt, „die Aufsehen erregenden Rabattaktionen der Vergangenheit – 20 oder 30 Prozent auf alles – sind viel teurer, als jede zehnte Kaffeemaschine zu verschenken“. Witzige Einzelaktionen seien kalkulierbarer und zielgerichteter. „Und sie erschüttern nicht das Vertrauen der Kunden in die Preiskalkulation“, sagt Pellengahr.

Doch solche Projekte könnten auch durchaus nach hinten losgehen, „wenn sie nur einige wenige beglücken, die Masse der Kunden aber sauer ist, weil sie leer ausgeht“, sagt Pellengahr. So nahm auch Saturn seine eigenen Vorgaben nicht ganz so ernst: An einem Montag sollten eigentlich nur Frauen eine Kaffeemaschine für einen Euro, am folgenden Montag nur Rentner einen Staubsauger für zehn Euro kaufen können. Um die restliche Kundschaft nicht zu verprellen, durften sich Männer jedoch an dem einen Tag eine Frauen-Maske aufsetzen oder junges Publikum am anderen Tag in Begleitung eines der vorsorglich von Saturn engagierten Senioren vor der Kasse erscheinen. Ob dieser Firlefanz nicht eine Zumutung für die Kunden ist? „Keiner ist gezwungen, den Spaß mitzumachen“, sagt Bernhard Taubenberger, Sprecher von Mediamarkt und Saturn.

So sieht das auch Michael Trautmann von der Agentur Kemper Trautmann, die die lautstarke und aggressive Werbekampagne vom Mediamarkt („Lass dich nicht verarschen, vor allem nicht beim Preis“) entwickelt. „Ich glaube, dass man mit solchen spektakulären Aktionen immer mehr rechnen muss“, sagt er. „Mit klassischer Werbung wird es immer schwerer, die Menschen zu erreichen. Es gibt zu viel davon.“ Über die EM-Wette und die Chance, einen Fernseher zu gewinnen, „darüber hat ganz Deutschland gesprochen“, sagt er.

Deutschland wurde nicht Europameister. Also musste Mediamarkt keine Fernseher verschenken. Geld hat die Aktion dennoch gekostet. Das Unternehmen hatte die Wette versichert. Andererseits hat Mediamarkt an diesem Tag etwa das 18-Fache eines normalen Tagesumsatzes an Fernsehgeräten umgesetzt, hat ein Branchenblatt ermittelt. Zahlen will Mediamarkt-Sprecher Taubenberger nicht verraten, nur so viel: „Wir waren sehr zufrieden.“ Mehr als 60 Journalisten hätten ihn an diesem Tag über die Aktion befragt, und auch am Abend in der Pizzeria sei die Wette das Gesprächsthema an den Nachbartischen gewesen.

Sowohl bei Mediamarkt als auch bei Makromarkt heißt es: Es wird weitere Aktionen geben. Welche und wann, wird nicht verraten. Man will die Kunden und auch den Wettbewerber überraschen.

Doch auch Werber Trautmann warnt. „Es kommt darauf an, wofür eine Marke steht. Wenn eine Aktion nicht dazu passt, kann das der Marke schaden.“ Einige Unternehmen, sagt Wolfgang Twardawa von der Gesellschaft für Konsumforschung, gingen dabei stark an diese Grenze heran. „Solche extremen Aktionen schädigen langfristig das Image“, sagt Twardawa. „Sie schaffen keine Kundenbindung, denn sie sprechen vor allem die Kunden an, die von Event zu Event rennen.“ Die Aktionen polarisieren. So seien zwar auch die Einkaufsabende für Singles in den Galeries Lafayette in Paris der große Renner. „Was aber bedeutet, dass die übrige Kundschaft den Tag wahrscheinlich meidet“, sagt Twardawa. Ganz anders die D-Mark-Aktion von C&A: Die errege viel Aufmerksamkeit – ohne jemanden zu verschrecken.

„Die Frage ist doch, kommen die Kunden wieder?“, sagt Ulrich Frey, Chef der auf Absatzmarketing spezialisierten Werbeagentur Frey.G2 in Düsseldorf. Und in puncto Kundenbindung haben hiesige Händler großen Nachholbedarf. „Die deutsche Hausfrau kauft in einem Vierteljahr durchschnittlich in 14,2 verschiedenen Geschäften ein, die britische in vier“, sagt Frey. Aufmerksamkeit zu erregen, sei zwar wichtig, um sich im Wettbewerb zu differenzieren. Statt das Geld aber in spektakulären Aktionen an Schnäppchenjäger zu verschenken, sei es sinnvoller, es in loyale Kunden zu investieren. „Die Shopper lassen sich nicht mehr so leicht für blöd verkaufen wie früher“, sagt Frey.

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