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Wirtschaft: Besser schließen als retten

Die EU-Finanzminister einigen sich auf die Grundzüge einer Richtlinie für strauchelnde Banken.

Der Fall Lehman Brothers ist das Paradebeispiel: Die US-Regierung wollte, nachdem sie kurz zuvor Milliarden Dollar in die kränkelnde Investmentbank Bear Stearns gepumpt hatte, ein Zeichen setzen. Die ebenfalls von der Pleite bedrohten Lehman-Banker erhielten im September 2008 deswegen keine Staatshilfe – und lösten die Finanzkrise aus, dessen Folgen wir noch alle spüren. Seither traut sich fast niemand mehr, bei vermeintlich systemrelevanten Geldhäusern den Stecker zu ziehen. Allein die EU-Staaten haben in der Folge mit knapp fünf Billionen Euro – fast dem Doppelten der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres – für ihre Banken gebürgt.

Das soll ein Ende haben. Zumindest ist dies das Ziel einer EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung, auf die sich Europas Finanzminister am Freitagabend in Luxemburg verständigen wollten. Als „Kernstück der Bankenunion“ bezeichnete der Ratsvorsitzende, Irlands Minister Michael Noonan, das Regelwerk. Auch die deutsche Delegation rund um Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) maß einer Einigung gestern höchste Bedeutung bei auf dem Weg aus der Krise. EU-Währungskommissar Olli Rehn erwartete „einen weiteren Riesenschritt“ dorthin.

Erstens müssen die Banken künftig Pläne für ihr eigenes Ende in der Schublade haben. Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen zudem mehr Eingriffsmöglichkeiten bekommen, bevor es zu spät ist. Am Anfang einer Bankenkrise steht künftig die Feststellung, ob das betreffende Institut „systemrelevant“ ist oder nicht. Im letzteren Fall geht es in die Insolvenz, im ersteren dürfen die Aufseher in ihren Instrumentenkasten greifen. Wird die Bank beispielsweise für lebensfähig gehalten, wenn ein bestimmter Teil verkauft oder geschlossen würde, kann genau das angeordnet werden.

Muss die Bank ganz abgewickelt werden, gibt es künftig eine Hierarchie derer, die dafür aufkommen müssen. Zuerst sollen die Eigentümer herangezogen werden, dann die Gläubiger. Erst dann würden die Sparguthaben angetastet – allerdings nur jene über 100 000 Euro, da jene darunter geschützt sind. Ausgenommen werden sollen auch die Konten kleinerer Unternehmen – weil verhindert werden soll, dass Bankenschließungen wie in Zypern auch die Wirtschaft insgesamt schwächen. Erst wenn all diese Maßnahmen nicht ausreichen, würden die von den Banken selbst gefüllten Krisenfonds einspringen – solange diese noch nicht ausreichend gefüllt sind, müsste in den Eurostaaten der Rettungsfonds ESM aushelfen.

Zu diesem Punkt gab es die meisten Diskussionen. Eine Gruppe von Staaten, von Frankreich angeführt, sieht das sogenannte „Bail-in“ kritisch und sieht zu große Risiken, wenn bestimmte Anleger und Gläubiger grundsätzlich belangt werden. Sie fordern daher „Flexibilität“ für ihre Aufseher, damit diese im Einzelfall beispielsweise bestimmte Gläubigergruppen verschonen und früher den Bankenfonds anzapfen könnten. Die anderen Staaten, angeführt von Deutschland, wollen, dass es keinerlei Vertun mehr gibt: Niemand soll mehr denken können, dass andere für das eigene Risiko haften.

Auf dem Tisch der Minister lag am Abend ein Kompromisspapier der irischen Ratspräsidentschaft: Es sah vor, maximal 2,5 Prozent der Bilanzsumme einer Pleitebank innerhalb der von Schäuble so bezeichneten „Haftungskaskade“ verschieben zu können.

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