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Produkte, die man in deutschen Supermarktregalen findet, sucht man in China meistens vergeblich.

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Besuch im Supermarkt: Warum es deutsche Lebensmittelhändler in China schwer haben

Ausländische Konzerne ziehen sich aus Chinas Lebensmittelhandel zurück. Metro versucht es jetzt mit einem Joint-Venture.

Blut tropft von den Fischköpfen auf den ohnehin schon nassen Boden an der Fischtheke. Eine Frau sucht, mit einer Plastiktüte als Handschuhe, tiefgekühlte Hähnchenflügel aus, die lose zur Selbstbedienung in der Gefriertruhe liegen. Einen Schönheitswettbewerb gewinnen die WuMart-Filialen nicht. Dabei heißt die größte Supermarktkette im Norden Chinas in der Landessprache WuMei – schöne Waren.

Doch in den Läden ist es wuselig, die Gänge sind eng. Der Gesamteindruck ist schmuddelig. Dennoch strömen selbst an einem Wochentag ohne Unterlass Kunden in die Filiale im Pekinger Stadtteil Chaoyang. WuMart wirbt damit, unschlagbar günstig zu sein: Shampoos 25 Prozent billiger – aber nur noch zwei Tage. Zwei Joghurts zum Preis von einem, plärren Lautsprecher, die direkt neben den reduzierten Produkten stehen. Flusskrebs, der saisonale Kassenschlager, kostet nur 1,25 Euro pro Stück.

Billiger bieten das nicht mal die Online-Lebensmittelhändler wie „7Fresh“ von JD.com oder Alibabas „Hema Xiansheng“ an. Bei denen können die Kunden per App einkaufen und digital bezahlen. Die Waren werden innerhalb von 30 Minuten geliefert. Deren Kunden sind vor allem jünger und legen mehr Wert auf Qualität und ausländische Waren.

Obwohl bei WuMart noch die ältere Generation einkauft, gibt es dort immer mehr Scan-Automaten an denen man seinen Einkauf selber abwickelt. Für den Selbst-Check-out scannt man einen QR-Code, muss eine App aufmachen und seine Telefonnummer eingeben. So läuft das in den 1100 Filialen von WuMart in sechs Städten Nordchinas. Zhang Wenzhong macht den von ihm 1994 gegründeten Konzern fit für die Zukunft.

Der Discounter erzielt einen jährlichen Umsatz von über 50 Milliarden Yuan (umgerechnet 6,4 Mrd. Euro) und ist seit vergangener Woche durch den Zukauf des China-Geschäfts der deutschen Metro AG weiter gewachsen. Metro soll von WuMart umgerechnet etwa eine Milliarde Euro bekommen haben und bleibt mit 20 Prozent beteiligt.

Steigende Mieten und ständiger Ärger

China bleibt für ausländische Lebensmittelhandelskonzerne ein schwieriger Markt. Steigende Mieten und ständiger Ärger mit Zulieferern und Zahlungsmodalitäten machen ihnen zu schaffen. Deswegen haben sich zuletzt nicht nur Lidl, sondern die britische Tesco-Gruppe und Dia aus Spanien aus dem Markt zurückgezogen. Erst im Juni hatte der französische Konzern Carrefour sein China-Geschäft für 700 Millionen Dollar an die chinesische Elektronikkette Sunning verkauft.

Selbst der US-Discounter WalMart hat nach fast zwanzig Jahren in China gerade mal 430 Filialen. Der Marktanteil liegt bei nur 1,7 Prozent. Immerhin ist WalMart mit zwölf Prozent an dem chinesischen Online-Händler JD.com beteiligt. Auch Lidl eröffnete vor fast genau zwei Jahren einen Webshop auf JD.com, doch im April dieses Jahres kündigte der Discounter aus „wirtschaftlichen Erwägungen“ den Rückzug aus China an.

Kaum deutsche Produkte in Chinas Supermärkten

Kleinere Hersteller aus Deutschland kommen gar nicht zum Zuge. Produkte, die man in Deutschland in allen Supermärkten findet, sucht man in China meistens vergeblich, denn 90 Prozent der Produzenten kommen aus dem Mittelstand und können sich die Investitionen nicht leisten, die Lidl und Aldi mit Online-Flagship-Läden zunächst getätigt hatten, bevor sie nach langen Testphasen eigene Filialen eröffneten.

Als Agrarministerin Julia Klöckner im Sommer in China war, forderte die Bundesvereinigung der deutschen Lebensmittelindustrie (BVE), dass sie sich für die Belange der deutschen Hersteller stärker einsetzen solle. Die Liste der Stolpersteine ist lang: von Importzertifikaten für risikoarme Lebensmittel, die die chinesischen Behörden einführen wollen, bis zu intransparenten Zulassungsverfahren und Zollvorschriften. Auch die gegenseitige Anerkennung von internationalen Standards ist ungeklärt. So müssen Bioprodukte aus Deutschland in China kostenaufwendig nach chinesischen Standards nach-zertifiziert werden.

China der größte Absatzmarkt außerhalb der EU

Laut dem BVE ist China für die Ernährungsindustrie der größte Absatzmarkt außerhalb der EU. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr Lebensmittel im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro nach China exportiert. Die beliebtesten Exportprodukte sind: Fleisch und Fleischprodukte, Milch und Milcherzeugnisse, Backwaren und andere Zubereitungen aus Getreide, Bier, Wein sowie Kakao und Kakaoerzeugnisse.

Aldi verkauft seit Juni genau diese Produktpalette, aber auch andere etablierte Marken, wie Milch aus Australien, importiertes Olivenöl und Bier. In einem Schanghaier Pilotprojekt hat Aldi gleich noch ein Café und ein Restaurant für die Bedürfnisse der anspruchsvolleren chinesischen Verbraucher integriert. Bis 2020 sollen bis zu 50 Filialen in China eröffnet werden.

Zukauf von 100 Metro-Filialen

Zhang Wenzhong verfolgt eine ähnliche Strategie. Mit dem Zukauf der fast 100 Metro-Filialen in China, die 2018 einen Umsatz von 2,7 Milliarden Euro erzielten und ein Betriebsergebnis von 153 Millionen Euro erwirtschafteten, erweitert er sein Angebotsportfolio.

Gepaart mit seinen WuMart-Filialen profitiert er künftig sowohl von der digitalen Transformation, die er als einer der Ersten vollzogen hat, als auch von den hochpreisigen importierten Produkten in den bisherigen Metromärkten, deren Margen höher liegen als in seinen Discountern. Damit deckt er jetzt das ganze Spektrum möglicher Kundenprofile ab. Vor allem war er aber auch an den deutschen Qualitätsstandards von Metro interessiert, die er sich gleich mit eingekauft hat. Vielleicht hilft das am Ende sogar, das Erscheinungsbild seiner WuMei-Filialen tatsächlich zu verschönern, auf dass sie ihrem Namen endlich Ehre machen.

Ning Wang

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