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Kinderbetreuung

© Kitty Kleist-Heinrich

Betreuungsangebote: Mit Kindern rechnen

Dahinter steckt weniger die soziale Art des Management, sondern harte betriebswirtschaftliche Kalkulation: Wenn Eltern ihren Nachwuchs versorgt wissen, arbeiten sie besser, haben Firmen entdeckt. Und investieren daher mehr in Betreuung.

Berlin - Als Andrea Wünsche vor zwei Jahren mit ihrer Firma in die „WeiberWirtschaft“ zog, war das für sie das Ende einer Odyssee. Denn das Gründerinnenzentrum, das in Berlin-Mitte Büros an selbstständige Frauen vermietet, hat einen eigenen Kindergarten. „Vorher musste ich unzählige Tagesmütter für meine kleine Tochter Daria engagieren“, sagt Wünsche, die eine BuchungsAgentur für Musiker betreibt. Jetzt geht sie mit der Zweijährigen morgens gemeinsam zur Arbeit.

Immer mehr Unternehmen in Deutschland entdecken, dass ihr unternehmerischer Erfolg auch von der Familiensituation ihrer Mitarbeiter abhängt. Weil das Konzept der „WeiberWirtschaft“ aus Sicht des Bundesfamilienministeriums ein gutes Beispiel dafür ist, wie das funktionieren kann, hat es das Gründerinnenzentrum als einziges Berliner Unternehmen in die letzte Runde des Wettbewerbs „Erfolgsfaktor Familie“ geschafft. Ausgelobt wurde es vom Ministerium. Die Gewinner werden am nächsten Donnerstag ausgezeichnet.

„Wir beobachten, dass in der Wirtschaft zurzeit ein Mentalitätswandel stattfindet“, sagt ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums. Dahinter steckt weniger die soziale Ader des Managements, sondern harte betriebswirtschaftliche Fakten. Es rechnet sich, Müttern und Vätern familienfreundliche Arbeitsmodelle anzubieten. Auch der demografische Wandel zwingt die Firmen zum Handeln: Wegen des Geburtenrückgangs erwarten Wirtschaftsexperten ab 2012 einen drastischen Mangel an Fachkräften. 40 000 fehlen schon heute, schätzt der Industrie- und Handelskammertag.

Zu den Pionieren der familienfreundlichen Unternehmensführung zählt der Düsseldorfer Henkel-Konzern. Seit 1940 gibt es eine betriebseigene Kindertagesstätte, seit 1975 können Eltern auch flexible Arbeitszeiten in Anspruch nehmen. Inzwischen haben Mütter und Väter auch die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Computer und Netzwerkleitung werden vom Unternehmen gestellt. „Mit diesen Investitionen machen wir Gewinn anstatt Verlust“, sagt Anke Meier, die Personalmanagerin bei dem Persil-Hersteller ist. Die Henkel-Eltern kehrten schneller ins Berufsleben zurück, so dass kostspielige Zwischenlösungen wie Zeitarbeit überflüssig würden. Außerdem seien die Mitarbeiter produktiver. „Wir beobachten, dass sie motivierter bei der Sache sind, wenn der Kopf frei ist von familiären Sorgen“, sagt Meier.

Eine Studie des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik (FFP) der Uni Münster weist nach, dass es sich für Unternehmen auszahlt, wenn sie mehr Angebote für Eltern machen. Mithilfe einer familienfreundlichen Personalpolitik konnte die Elternzeit in den 61 untersuchten Unternehmen um rund zehn Prozent verkürzt werden. Nach dem 2007 eingeführten Elternzeit-Gesetz können sich Mütter und Väter maximal drei Jahre freistellen lassen. Darüber hat das FFP herausgefunden, dass die Fehlzeitenquote der Mitarbeiter von 7,7 auf 5,7 Prozent sanken, weil die Firmen für alternative Betreuungsmöglichkeiten sorgten, wenn ein Kind zu Hause krank im Bett lag.

Arbeitgeber entdecken Familienpolitik aber auch zunehmend als Instrument, um im enger werdenden Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten. „Für viele hoch qualifizierte Berufseinsteiger ist das heute ein Kriterium bei der Suche des Arbeitsplatzes“, sagt FFP-Chef Helmut Schneider.

Konzerne wie BMW oder Airbus, die das frühzeitig erkannt haben, landen in Rankings zur Familienfreundlichkeit regelmäßig auf den oberen Plätzen. BMW etwa bietet 400 Teilzeitmodelle, bei Airbus können Väter und Kinder am Wochenende sogar kostenlos ins Zeltlager fahren. „Nur so können wir im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen“, sagt Regine von Larcher, die bei Airbus die Abteilung Aus- und Weiterbildung leitet. Auch immer mehr Männer forderten ihre Rechte ein.

In einem Punkt sind sich alle Experten einig: Der Bedarf ist noch längst nicht abgedeckt. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt Jutta Rump von der Fachhochschule Ludwigshafen, die seit 15 Jahren Firmen zum Thema Familienfreundlichkeit berät. Dazu kommt eine andere Herausforderung: Mitarbeitern entgegenzukommen, wenn sie ihre älteren Angehörigen pflegen müssen. „Das ist noch ein komplett unbearbeitetes Feld“, warnt Rump.

Ein Gründerinnenzentrum wie die Berliner „WeiberWirtschaft“ soll jetzt auch in Rheinland-Pfalz entstehen. Geschäftsführerin Katja von der Bey kann sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen: „Die Frauen rennen uns das Haus ein.“

WeiberWirtschaft im Internet unter: www.weiberwirtschaft.de

Kathrin Drehkopf

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