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Wirtschaft: Betriebsräte und Politiker verteidigen die Mitbestimmung

Daimler-Chrysler-Vertreter betont sozialen Frieden/Staatsanwaltschaft schaltet in der VW-Affäre Landeskriminalamt ein

Wolfsburg Betriebsräte und Politiker haben trotz der Korruptionsaffäre bei VW die Mitbestimmung in Deutschland verteidigt. Der Betriebsratschef von Daimler-Chrysler, Erich Klemm, sagte den „Stuttgarter Nachrichten“: „Wer solche Einzelfälle dafür nutzen will, künftig gegen die Interessen der Arbeitnehmer im Unternehmen schalten und walten zu können, gefährdet den sozialen Frieden in den Betrieben.“ Tausende Betriebsräte nähmen bei der Interessenvertretung ihrer Kollegen auch Nachteile in Kauf.

Niedersachsens SPD-Chef Wolfgang Jüttner sagte, wenn sich ein Gewerkschafter Fehlverhalten zu Schulden kommen lasse, sei es falsch, anschließend die Mitbestimmung in Frage zu stellen. „Wenn ein Unternehmer in die Kasse greift, wird ja auch nicht der Kapitalismus an sich in Frage gestellt.“ Außenminister Joschka Fischer (Grüne) nannte die betriebliche Mitbestimmung einen „Positivfaktor unserer Wirtschaft“. Und auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ronald Pofalla (CDU), stellte sich hinter die Mitbestimmung: „Sie hat sich in Deutschland bewährt.“

Dagegen forderte der stellvertretende FDP-Chef Rainer Brüderle erneut eine Reform der paritätischen Mitbestimmung. Bei VW habe sich eine Grauzone jenseits des Aktienrechts entwickelt, in der sich Manager und Gewerkschafter offensichtlich über Bezüge, Sondervergütungen und Prämien arrangierten, sagte Brüderle im Deutschland-Radio.

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) stellte auch die Beteiligung des Landes an VW in Frage: „Nach Aufklärung der Affäre müssen die VW-Strukturen möglicherweise geändert werden“, sagte er. Vor dem Jahr 2008 sei der Verkauf der Landesbeteiligung in Höhe von 18,2 Prozent wegen der bestehenden Koalitionsvereinbarung mit der CDU aber kein Thema.

Derweil erwägt VW, seinem Personalvorstand Peter Hartz die Zuständigkeit für die Abteilung „Regierungsbeziehungen“ zu entziehen. Seit Monaten gebe es solche Überlegungen, sagte ein Sprecher. „Mit der aktuellen Diskussion hat das aber nichts zu tun.“

Nach Ansicht des Frankfurter Oberstaatsanwalts Wolfgang Schaupensteiner zeigt die Korruptionsaffäre die Notwendigkeit von Transparenzklauseln in Managerverträgen. Unternehmen sollten ihre führenden Mitarbeiter regelmäßig verpflichten, private Beteiligungen und unternehmerische Tätigkeiten offen zu legen, sagte der Korruptionsermittler.

Unterdessen arbeiten VW, unabhängige Wirtschaftsprüfer und die Staatsanwaltschaft Braunschweig weiter an der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen den Ex-Skoda-Personalchef Helmuth Schuster und einen seiner Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Sie sollen Gelder, die VW oder der tschechischen Tochter Skoda zugestanden haben, über ein Firmengeflecht auf eigene Konten umgeleitet haben. Außerdem soll Schuster Schmiergeld von Zulieferern verlangt haben. Ferner soll der VW-Konzern Betriebsräten Prostituierte zugeführt und bezahlt haben. Die Staatsanwaltschaft schaltete jetzt das Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA) ein. Die Ermittlungen könnten „Monate dauern“, hieß es.

Den Absatz von VW hat die Affäre bislang nicht beeinträchtigt. Sowohl in der Wolfsburger VW-Zentrale als auch beim größten Berliner VW-Händler Eduard Winter sind keine Auswirkungen auf die Nachfrage festgestellt worden. dpa/Tsp

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