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Wirtschaft: Betrugsverfahren gegen ehemaligen Chef der Berliner Volksbank

Ulrich Misgeld ist auch der Untreue angeklagt und weist alle Vorwürfe zurück – es geht um einen Schaden von mehr als 66 Millionen Euro

Berlin (k.g./dr). Mehr als vier Jahre nach Anklageerhebung beginnt am Dienstag der Prozess gegen den ehemaligen Vorstandssprecher der Berliner Volksbank, Ulrich Misgeld. Er muss sich vor einer Wirtschaftsstrafkammer des Berliner Landgerichts verantworten. In der Anklage wirft die Staatsanwaltschaft dem 52Jährigen Betrug und Untreue im Zusammenhang mit der Schieflage zweier geschlossener Immobilienfonds (siehe Lexikon Seite 17) vor. Neben Misgeld werden zwei weitere ehemalige leitende Mitarbeiter der Genossenschaftsbank sowie zwei Manager der früheren Berliner Bauträgergruppe Euwo Holding AG, darunter der Ex-Vorstand Peter Schiansky, auf der Anklagebank sitzen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den fünf Angeklagten vor, zwischen 1993 und 1996 mehr als 600 Anleger der beiden Euwo-Immobilienfonds Tabakmoschee (Dresden) und Dienstleistungszentrum Spandau (Berlin) systematisch geschädigt zu haben. Der Schaden wird auf etwa 66,5 Millionen Euro beziffert. Nach Überzeugung der Anklage wurden die beiden Fondsprojekte aufgelegt, obwohl die Unternehmensgruppe bereits überschuldet war. In Kenntnis dieses Umstandes hätten die damaligen Manager des Geldinstitutes der Euwo-Gruppe immer neue Kredite gewährt. Alle Angeklagten hätten gewusst, das die Anleger über die Werthaltigkeit der Fonds getäuscht wurden.

Bislang haben die Angeklagten im Alter zwischen 44 und 72 Jahren die Vorwürfe zurückgewiesen oder sich nicht dazu geäußert. Misgeld sagte bereits 1999, es habe sich um ein normales Kreditgeschäft der Berliner Volksbank gehandelt, die Staatsanwaltschaft ziehe falsche Schlüsse aus bankinternen Vermerken.

Mehr als 30 Jahre lang war der heute 61-jährige Schiansky mit der Euwo in der Bau- und Immobilienbranche tätig. Von Ende 1992 an soll es bei der Euwo auf Grund negativer Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten gekommen sein. Zudem scheiterte ein Vorhaben in Spanien, für das Schiansky über 21 Millionen Euro Kredite und Eigenkapital zur Verfügung gestellt haben soll. Die Euwo war nach Auffassung der Ermittler bereits Ende 1993 überschuldet. Die drohende Zahlungsunfähigkeit der Unternehmensgruppe sei nur deshalb nicht eingetreten, weil die Hausbank der Euwo, die Berliner Volksbank, jeweils mit neuen, ungesicherten Krediten geholfen habe.

Risiko auf die Anleger verlagert

In der Anklage gegen die Manager heißt es: „Die Berliner Volksbank hatte der Unternehmensgruppe bis Ende 1993 bereits erhebliche Kredite zur Verfügung gestellt, von denen mindestens 25 Millionen Mark nicht gesichert waren." Die Bank habe sich durch das Aufrechterhalten der Unternehmensgruppe trotz Überschuldung Erträge unter anderem aus der Auflage weiterer Immobilienfonds erhofft. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien auf Anleger verlagert worden. Ihnen seien für die Tabakmoschee und für das Dienstleistungszentrum am Brunsbütteler Damm feste Fertigstellungstermine und Mieteinnahmen zugesichert worden. Diese seien aber wegen der wirtschaftlichen Lage der Euwo-Gruppe wertlos gewesen.

Der Immobilienskandal hatte für Aufsehen gesorgt. Die Staatsanwaltschaft erwirkte im August 1998 Haftbefehle. Auch Misgeld und Schiansky mussten etwa eine Woche in Untersuchungshaft verbringen. Misgeld wurde gegen eine Kaution in Millionenhöhe freigelassen. Inzwischen sind die Haftbefehle aufgehoben worden. Für die Ermittler hatte das Verfahren gegen leitende Bankmitarbeiter im Zusammenhang mit der Krise des Immobilienmarktes Pilotcharakter. Schließlich sollte das Strafverfahren auch die Richtung für Verfahren vor Zivilgerichten geben, wo Anleger im Rechtsstreit mit der Bank um ihr Geld kämpfen.

Bereits im Sommer 1998 lag die etwa 300 Seiten umfassende Anklageschrift vor. Vor mehr als zwei Jahren war jedoch ein geplanter Prozessbeginn auf Antrag von Verteidigern verschoben worden. Die Verteidiger hatten damals umfassende Akteneinsicht verlangt, dem Gericht war es jedoch nicht möglich gewesen, die Akten rechtzeitig zu beschaffen. Danach wurde es still um das Verfahren. Bis die Staatsanwaltschaft Anfang dieses Jahres Druck machte. „Die jetzige Terminierung ist von der Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer angeregt worden", sagte eine Justizsprecherin.

Misgeld bat den Aufsichtsrat der Berliner Volksbank im Februar 1999 um Entbindung von seinen Pflichten als Vorstandssprecher. Er begründete seinen Rücktritt mit dem Wunsch, nach „Monaten außerordentlicher persönlicher Belastungen seine volle Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen“. Später trat er in den Vorstand der Berliner Semperlux AG ein, dem er bis heute angehört.

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