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Wenig gefragt. 55 Prozent der Betriebe im Gastgewerbe konnten nicht alle Ausbildungsplätze besetzen.

© picture alliance / dpa

Bewerbermangel: 70 000 Ausbildungsplätze unbesetzt

Besonders der Mittelstand leidet unter Nachwuchsproblemen, weil immer mehr Jugendliche studieren. 2014 sinkt zudem die Zahl der Schulabgänger kräftig.

Es dürfte bis auf Weiteres die letzte gute Nachricht sein: In diesem Jahr rechnen die Kammern mit einem Plus von einem Prozent bei den Ausbildungsverträgen, teilte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Dienstag in Berlin mit. Geschuldet sei dies vor allem den doppelten Abiturjahrgängen in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Ab kommendem Jahr aber soll es nur noch bergab gehen. „Die Zahl der Schulabgänger und damit auch der Ausbildungsverträge wird stetig zurückgehen“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DIHK, Achim Dercks. 2014 würden bereits rund 65 000 junge Menschen weniger die Schulen verlassen. „Die fehlenden Auszubildenden von heute sind die fehlenden Fachkräfte von morgen“, warnte Dercks. Besonders für den Mittelstand dürfte es künftig schwierig werden, sich im schärfer werdenden Wettbewerb um Azubis durchzusetzen und so den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Schon im vergangenen Jahr blieben im IHK-Bereich 70 000 Ausbildungsplätze unbesetzt, teilte der DIHK mit. Der Dachverband der Kammern hatte für seine Ausbildungsumfrage mehr als 15 000 Betriebe nach ihrer aktuellen Lage und ihren Plänen befragt. Als Hauptgründe sieht der DIHK neben der sinkenden Zahl der Schulabgänger (minus 1,8 Prozent in 2012) die größere Neigung, ein Studium zu beginnen. Besonders betroffen vom Bewerbermangel war das Gastgewerbe, hier konnten 55 Prozent der befragten Betriebe nicht alle Lehrstellen besetzen, mit deutlichem Abstand folgten Baugewerbe (25 Prozent) sowie Transport und Logistik (23 Prozent). Als Grund für die offen gebliebenen Plätze gaben mehr als zwei Drittel der Firmen an, nicht genügend geeignete Bewerber gefunden zu haben. 19 Prozent der befragten Ausbildungsbetriebe erhielten keine Bewerbungen – fünf Mal mehr als 2006. Und das, so meint zumindest der DIHK, obwohl die Firmen ihre Erwartungen an die Bewerber heruntergeschraubt hätten und auch für lernschwächere Schulabgänger offen seien. „70 Prozent der Betriebe sind grundsätzlich bereit, diese Jugendlichen aufzunehmen“, sagte Dercks. Ohnehin bieten der Umfrage zufolge schon knapp 60 Prozent der Firmen Nachhilfe an, weil sie mit den Mathe- und Deutschkenntnissen der Bewerber unzufrieden sind.

Bei den sozialen Kompetenzen ist der Nachholbedarf aus Sicht der Betriebe noch größer. Probleme gebe es vor allem bei Disziplin und Belastbarkeit, berichtet Dercks. Daher forderten immer mehr Firmen von Schulen „Informationen über die Stärken und Schwächen der Jugendlichen über die Noten hinaus“. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten (NGG) sieht die Schuld auch bei den Unternehmen. Das Image des Gastgewerbes sei bei den Jugendlichen schlecht – „und das nicht zu Unrecht“, sagte die stellvertretende Vorsitzende, Michaela Rosenberger, dem Tagesspiegel. In vielen Betrieben würden Azubis „als billige Arbeitskräfte missbraucht“.

Die Branche müsse endlich attraktiver werden. Viele Firmen aber ziehen eine andere Konsequenz aus dem Bewerbermangel: Sie „reduzieren ihr Angebot oder bilden gar nicht mehr aus“, mahnte Dercks. Das gilt besonders für kleine und mittlere Betriebe. Ein knappes Drittel der Firmen mit weniger als zehn Beschäftigten will 2013 die Zahl der Ausbildungsplätze verringern, bei den Betrieben mit bis zu 199 Mitarbeitern sind es ein gutes Fünftel. Deshalb fordert der DIHK, dass die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Wirtschaft verstärkt wird. „Wir brauchen eine wechselseitige Offenheit“, sagte Dercks. Immer mehr Firmen böten Schülern Betriebspraktika an, weil sie „wenig zufrieden mit der Berufsorientierung in den Schulen seien.“

Das soll auch helfen, die Zahl der Abbrecher und Wechsler zu reduzieren. Rund 24 Prozent der Azubis lösen ihre Verträge vorzeitig wieder auf. Die Betriebe wollen künftig auch mehr Studienabbrecher und 25- bis 34-Jährige rekrutieren. Für die Jugendlichen hat der Bewerbermangel einen Vorteil. Sie haben bei der Suche nach dem Ausbildungsplatz anders als früher große Auswahl.

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