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Wirtschaft: „Bier braucht Heimat“

Privat-Brauer Zötler über 558 Jahre Tradition

Herr Zötler, wie schafft man es, ein Unternehmen 558 Jahre lang in der Hand der Familie zu halten?

Für so eine lange Tradition gibt es sicher keine Goldene Regel. In der Geschichte der 20 Brauerfamilien haben immer wieder Zufälle, Glück und Schicksalsschläge eine Rolle gespielt. Aus heutiger Sicht ist es wichtig, die ganze Großfamilie in die wichtigen unternehmerischen Entscheidungen einzubeziehen.

Sie selbst sind seit 20 Jahren im Unternehmen. Ist Ihnen die Rolle als vorbestimmter Chef leicht gefallen?

Da ich als einziger Sohn sozusagen von Geburt an der Kronprinz war, hatte ich schon größere Probleme mit dieser Fremdbestimmung, vor allem, als noch die üblichen Vater-Sohn-Probleme dazukamen. Dafür verstehen wir uns heute besser denn je. Mein 81-jähriger Vater ist noch topfit, schaut fast jeden Morgen in die Brauerei und stellt mir knifflige Fragen…

Werden in Zukunft Ihre Kinder das Unternehmen übernehmen?

Mein 19-jähriger Sohn will Betriebswirtschaft und Braumeister in Weihenstephan studieren. Ihm würde es Spaß machen, irgendwann die Brauerei zu führen.

Lastet nicht auf den nachfolgenden Generationen ein enormer Druck?

Doch, ja. Die Familie kann wertvoll sein, aber sie kann bei Meinungsverschiedenheiten die Firma auch schnell kaputtmachen. Emotionen spielen einfach eine dominante Rolle. Besonders groß wäre der Druck, wenn das Unternehmen schlecht liefe. Wenn ich in der 20. Generation verkaufen oder Insolvenz anmelden müsste, wäre das persönlich schon schwierig.

Was ist die größte Stärke eines Familienunternehmens?

Wir planen langfristiger als der Manager einer Aktiengesellschaft. Sein Vertrag läuft maximal fünf Jahre und er muss die kurzfristigen Interessen der Aktionäre berücksichtigen. Unsere Überlegungen reichen über Generationen. Wir haben eine Lebensverantwortung. Und wir geben eigenes Geld aus. Das zählt auch bei den Banken, solange die Zahlen stimmen. Eine Stärke sehe ich auch darin, dass wir näher bei den Kunden sind.

Das sagen managergeführte Aktiengesellschaften auch…

Im Normalfall sind Familienunternehmen kleiner und flexibler. Ich kenne alle unsere 300 Kunden aus der Gastronomie, ich bin fast jeden Tag draußen an der Front. Die Kunden kennen auch meinen Vater und den Braumeister und wissen, dass wir ehrliche Handwerker und Kaufleute sind. Da tut sich das Management von, sagen wir, Heineken schwerer.

Flexibler, aber den Familieninteressen verpflichtet – widerspricht sich das nicht?

Ich denke nicht. Wenn wir, wie 2004, für zwei Millionen Euro ein neues Besucherzentrum und ein Lager bauen, schließt das nicht aus, dass wir ein neues Mixgetränk ausprobieren. Das Getränk kann ich aber viel schneller vom Markt nehmen, wenn es nicht läuft, als etwa die Radeberger-Gruppe. Bei der muss ein ganz anderer Apparat ins Rollen gebracht werden.

Das, was sie beschreiben, könnte ein angestellter Manager nicht genauso gut?

Ein mittelständischer Familien-Unternehmer ist ein innovativer Mensch, der sein eigenes Geld investiert und daher Mut zum Risiko mitbringen muss. Er hat auch keine Stabsabteilung unter sich, sondern muss Kaufmann, Techniker, Marketing-Guru und Mitarbeiter-Motivator in einer Person sein. Solche Leute finden sie in den Konzernen nur selten.

Der Biermarkt wird von internationalen Konzernen dominiert. Fürchten Sie nicht, gegen diese Konkurrenz zu unterliegen?

Wettbewerb gab es immer. In Bayern gibt es 600 Brauereien. Ich glaube, dass die Chancen der Kleinen mit Tradition eher wachsen, weil wir unsere Stärken – Marktnähe, Flexibilität, Qualität – ausspielen können. Bier braucht Heimat. Die Kunst der Familienbetriebe muss sein, ihre Marke zu hegen und zu pflegen. Sie muss mit Werten aufgeladen werden, die es Verbrauchern erleichtert, drei oder vier Euro mehr für den Kasten Bier auszugeben.

Das Interview führte Henrik Mortsiefer

Herbert Zötler (52)

ist Geschäftsführer der Zötler-Brauerei in

Rettenberg (Allgäu). Das Unternehmen,

eines der ältesten Deutschlands, wird seit 1447 von der Familie geführt.

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