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Wirtschaft: Bieterschlacht um Europas Branchenprimus

Weltmarktführer Mittal Steel: Arcelor ist 18,6 Milliarden Euro wert / IG Metall sieht produktive deutsche Standorte gestärkt

Berlin - Der größte Stahlhersteller der Welt, die indisch-niederländische Mittal-Gruppe, will Arcelor, den größten europäischen Stahlproduzenten, kaufen. Das teilte das Unternehmen am Freitag mit. Das Arcelor-Management habe das Angebot in einem Gespräch vor kurzem abgelehnt. Deshalb wende man sich jetzt direkt an die Arcelor-Aktionäre. Für die deutschen Standorte der beiden Unternehmen sehen Arbeitnehmervertreter „keine direkten Probleme“. Friedhelm Martic, Leiter des Vorstandsbüros der IG Metall in Düsseldorf, sagte dem Tagesspiegel, es seien sogar positive Effekte möglich. Ein Unsicherheitsfaktor sei die EU-Kommission, die die Fusion noch genehmigen muss. Besorgt äußerte sich dagegen die französische Regierung.

An den Börsen wurde spekuliert, dass sich Arcelor noch teurer macht. Mittal bewertet Arcelor mit 18,6 Milliarden Euro. Sobald die Arcelor-Aktien, die zwischenzeitlich vom Handel ausgesetzt wurden, wieder zu kaufen waren, schoss der Kurs an der Euronext um fast 41 Prozent auf 31,29 Euro. Er lag damit 3,08 Euro über dem Preis, den Mittal bietet. Der Schlusskurs betrug aber nur noch 28,54 Euro. Mittal wollte eine Erhöhung des Angebots nicht grundsätzlich ausschließen. Mittal-Titel verteuerten sich um knapp zwölf Prozent auf 28,49 Euro.

Ein Profiteur des Geschäfts wäre Thyssen-Krupp. Der Konzern hatte bei einem Bieterwettkampf um den kanadischen Konzern Dofasco erst vor wenigen Tagen gegen Arcelor verloren. Mittal will Dofasco nun aber nach einer erfolgreichen Übernahme von Arcelor an Thyssen-Krupp weiterreichen (siehe Artikel unten). Dadurch könnte Mittal möglichen Einwänden der Kartellbehörden zuvorkommen.

Mittal und Arcelor zusammen wären der erste Konzern, der mehr als 100 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr produziert. Insgesamt kämen sie auf Kapazitäten von 115 Millionen Tonnen. Die Gruppe hätte 320 000 Beschäftigte und einen Umsatz von gut 69 Milliarden US-Dollar. Sowohl Arcelor als auch Mittal sind aus Großfusionen hervorgegangen. In Deutschland gehört zu Arcelor unter anderem die brandenburgische Eko Stahl. Insgesamt hat der Konzern hier zu Lande rund 7500 Beschäftigte. Mittal kommt auf etwas mehr als 1000 Mitarbeiter. „Die deutschen Standorte der beiden sind nicht vergleichbar“, sagte Martic von der IG Metall. Es würden sehr unterschiedliche Produkte hergestellt. Arcelor habe in der Vergangenheit die Strategie gefahren, die maritimen Standorte zu stärken. Die deutschen Werke gehörten aber nicht zu der Kategorie. Mittal sei es dagegen egal, wo die Werke liegen, solange sie hochproduktiv sind. Das könne sich als gut für die deutschen Standorte erweisen, sagte Martic. Außerdem verfüge Arcelor – im Gegensatz zu Mittal – nicht über eigene Rohstoffe wie Koks oder Erze, was zu einer „chronischen Unterversorgung“ und Kostennachteilen geführt habe. Auch hier könne sich die Situation der hiesigen Werke verbessern.

Experten erwarten weitere Übernahmen. „Die Konsolidierung der Stahlbranche geht jetzt erst richtig los“, sagte Michael Tappeiner, Stahlanalyst der WestLB, dem Tagesspiegel. Der kombinierte Konzern Mittal/Arcelor komme nur auf einen Weltmarktanteil beim Stahlausstoß von zehn Prozent. Dagegen stünden die drei größten Eisenerzproduzenten für mehr als 70 Prozent des Marktes.

Seit einigen Jahren erlebt die Stahlbranche einen unverhofften Boom, weil die Nachfrage durch den wirtschaftlichen Aufschwung in China und Indien stark zugenommen hat. Allerdings werden dort auch große Kapazitäten aufgebaut, die die Branche bei einer Abschwächung der Konjunktur wieder in Probleme stürzen könnte. IG-Metall-Vertreter Martic fordert deshalb, in Deutschland vor allem auf die Entwicklung noch besserer Produkte zu setzen, für die Kunden auch bereit sind mehr zu zahlen.

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