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Wirtschaft: Billiger Standort für Westkonzerne

Ostdeutschland ist prima für die Autoindustrie, vor allem ihre Lieferanten: Die großen westdeutschen Werke sind nicht weit weg, die Arbeitnehmer qualifiziert, fleißig und günstig. Peter Müller ist Speditionskaufmann bei einem Zulieferer in Sachsen.

Ostdeutschland ist prima für die Autoindustrie, vor allem ihre Lieferanten: Die großen westdeutschen Werke sind nicht weit weg, die Arbeitnehmer qualifiziert, fleißig und günstig. Peter Müller ist Speditionskaufmann bei einem Zulieferer in Sachsen. Er arbeitet 40 Stunden die Woche und geht Ende des Monats mit rund 1000 Euro netto nach Hause. „Das ist nicht viel, aber auch nicht wenig“, sagt Müller. „Es gibt viele Leute, die wesentlich weniger kriegen, unsere Werker.“ Müller arbeitet in der Verwaltung, die Werker in der Fabrik. „Da gibt es einige, die am Monatsende kein Geld mehr für Benzin haben, um auf die Arbeit zu kommen.“ Die Firma zahlt unter Tarif, und doch werden die Beschäftigten von der Firmenleitung immer wieder mal mit der üblichen Drohgebärde konfrontiert: „Die Leute in Tschechien und der Slowakei arbeiten viel billiger als ihr.“ Das wissen auch die großen Autokonzerne und machen entsprechend Druck auf ihre Lieferanten. Und die geben den Druck weiter auf die Löhne ihrer Belegschaft.

KÖCHIN UND VERKÄUFERIN

Marlis Schmitz hat auf der Raststätte Michendorf gelernt, dort, kurz vor Berlin, wo die Transitfahrer vor der Wende gerne noch einen Stopp einlegten, um billig einzukaufen. Und um gut zu essen: „Bei uns gab es Wild, Roastbeef, Filet – davon haben andere Gaststätten geträumt“, erinnert sich Schmitz. Die Köchin arbeitete im FDGB-Heim am Schwielowsee, betrieb später mit ihrem Mann, ebenfalls ein Koch, eine Gaststätte, und war nach der Wende in einer Tagungsstätte der Landesbausparkasse tätig. Heute hat Marlis Schmitz, inzwischen in den Fünfzigern, drei Jobs: 80 Stunden im Monat kocht sie in einer Behinderteneinrichtung für zehn Euro die Stunde; für 400 Euro sitzt sie bei Rossmann an der Kasse und wiederum als Köchin hilft sie regelmäßig in einer Gaststätte, sechs Euro die Stunde. Gerd Schmitz, Marlis’ Mann, verteilt Zeitungen: Sechs Tage die Woche, von 0.30 Uhr bis sechs Uhr. Das bringt 700 Euro netto. Tagsüber bestückt er in einem Supermarkt die Zigarettenauslagen (500 Euro im Monat) und betreut einen Ferienbungalow ( 200 Euro). „Wir kommen klar“, sagt Gerd. Auch deshalb, weil sie seit 1984 ein Haus haben und keine Miete schultern müssen.

INGENIEUR BEI JENOPTIK

Tom Steier begann 1984 im Kombinat Carl Zeiss Jena, das zur Wendezeit allein in Jena 27 000 Menschen Arbeit und Brot gab. Heute umfasst die Jenoptik-Belegschaft 3000 Leute. Steier ist noch dabei. Der Ingenieur für Informationstechnik entwickelt digitale Bildbearbeitungssysteme, Jenoptik konzentriert sich auf optische und laseroptische Technologien. Steier bekommt 4600 Euro brutto im Monat. Das ist in Ostdeutschland eine Menge. In Westdeutschland indes würde ein vergleichbarer Ingenieur ein paar tausend Euro mehr verdienen. Im Monat. Doch Steier wollte nicht in den Westen. Er hat die tiefen Brüche mitgemacht und überstanden. Ende der 90er, nach „sehr schwierigen Jahren“, ging es langsam aufwärts, erinnert sich der Ingenieur. „Damals bekamen die Kollegen wieder Kinder und bauten sich auch Häuser.“ Die ärgsten Folgen der Wende waren überstanden, die größten Zukunftsängste überwunden. alfalle Namen geändert

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