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Billigflieger: Wie die Airlines abkassieren

Billigflieger locken mit niedrigen Preisen. Doch viele Ausgaben sind im Kleingedruckten versteckt. Wer das nicht weiß, zahlt drauf.

Von Maris Hubschmid

Was ist schon ein Tomatensaft? Viele Reisende sind gern bereit, auf das traditionell im Flugzeug offerierte Gratis-Getränk zu verzichten, wenn dafür Dumpingpreise winken. Für 22,99 Euro von Frankfurt nach Ibiza, für 9,99 Euro von Berlin nach Oslo – das sind Angebote, die viele nicht ablehnen können. Dass mit den vermeintlichen Schnäppchen fast immer ein Verlust an Servicequalität und Komfort einhergeht, wissen die meisten. Was sie aber nicht ahnen: Am Ende haben sie oft trotz der schlechteren Leistungen eine Menge Geld ausgegeben.

Endpreise sind Pflicht
Bald drei Jahre ist die 2008 erlassene EU-Verordnung in Kraft, die Luftfahrtgesellschaften vorschreibt, gleich zu Beginn einer Buchung die Endpreise anzugeben. Auch in der Werbung darf nicht mehr mit Teilpreisen gelockt werden. Die Realität aber sieht anders aus: Noch immer lauern beim Großteil der Billigairlines versteckte Kosten, werden neue Gebühren ersonnen, oftmals gegen das Gesetz. Allein 65 Verfahren hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) nach Inkrafttreten der Verordnung gegen Anbieter von Billigflügen geführt, überwiegend erfolgreich.

„Mit der Kostentransparenz ist es bei vielen Anbietern nicht weit her“, sagt VZBV-Juristin Helke Heidemann-Peuser. Um sich im harten Wettbewerb gegen die Konkurrenz zu behaupten, wollen die Unternehmen die Ticketpreise so günstig wie möglich erscheinen lassen.

Wir haben verglichen: Wer Ende Juni für Anfang August einen einfachen Flug von Berlin nach London bucht, zahlt bei der Lufthansa regulär 269 Euro. Es gibt aber auch einige günstigere Tickets für 148 Euro. In diesem Fall ist keine Umbuchung inbegriffen, die übrigen Serviceangebote aber bleiben erhalten.

Was aus 30 Euro wird
Ryanair dagegen bietet im gleichen Zeitraum einen London-Flug für nur 29,99 Euro pro Person an. Was sich in der Tarifübersicht jedoch nicht offenbart: Hinzu kommen sechs Euro für das Online-Check-in, 34 Euro „Steuern und Gebühren“ und zwei Euro „Ausgleichsabgabe“. Mit der legt die Fluglinie die Kosten, die ihr durch die aufwendigere Beförderung von Rollstuhlfahrern entstehen, auf ihre Kunden um – weil von Behinderten gemäß EU-Bestimmung kein zusätzliches Geld gefordert werden darf. Da die Airline gesetzlich verpflichtet ist, Reisende, deren Flug ausfällt, finanziell zu entschädigen, zieht sie von jedem auch noch zwei Euro „Verspätungsgebühr“ ein.

Koffer Kosten extra
Doch damit nicht genug. 30 Euro mehr verlangt Ryanair, wenn der Fluggast einen Koffer mit dem gängigen Reisegewicht von 20 Kilogramm mitnehmen möchte. Viele halten das für eine Selbstverständlichkeit, rechnen nicht mit Zusatzkosten. Eine Gebühr von fünf Euro muss zudem entrichten, wer die Option „bevorzugtes Einsteigen“ anklickt. Gerade Familien sehen sich gezwungen, diese Leistung in Anspruch zu nehmen, denn Sitzplatzreservierungen sind bei Ryanair nicht inbegriffen. Wer genügend zusammenhängende Plätze ergattern möchte, muss beim Check-in sonst sehr durchsetzungsfähig sein.

Andere kostenpflichtige „Extraservices“ bekommt der Kunde allerdings ganz unfreiwillig. So wird bei Ryanair, wer zur nachfolgenden Seite wechseln will, aufgefordert, das Land seines Wohnsitzes anzugeben. Überraschend hat er dann eine Reiseversicherung zum Preis von 15,50 Euro abgeschlossen. Das Abbestellen dieser Leistung gestaltet sich ausgesprochen kompliziert.

Schwer zu tragen hat mancher Reisewillige auch an seinem Handgepäck. Da bei Ryanair lediglich ein Handgepäckstück mit bestimmten Maßen zugelassen ist, kostet jedes Sonderteil, sei es eine Gitarre oder ein Kindersitz, bis zu 40 Euro. Für die Zahlung mit Kreditkarte werden schließlich weitere sechs Euro fällig. Summa summarum landet der Kunde bei dieser Salamitaktik somit bei stolzen 168,70 Euro – oneway. Und das ganz ohne klassisches Übergepäck oder Umbuchungswünsche. Damit ist der „Billigflug“ mehr als 20 Euro teurer als das Sparangebot der Lufthansa. Bei der sind die 148 Euro „all inclusive“.

Helke Heidemann-Peuser kennt noch weitere Tricks von Billigairlines: „Steuern/Gebühren“ werden zwar anfangs aufgelistet, in der Endabrechnung aber plötzlich mit null Euro aufgeführt, die Abgaben sind stattdessen im Ticketpreis eingerechnet. Laut Gesetz müssen dem Kunden bei Nichtantritt des Fluges zumindest sämtliche Flugabgaben zurückgezahlt werden. Null Euro Gebühr auf der Rechnung, null Euro Erstattung – so argumentieren die Anbieter. Und niemand vermag sie zu bremsen, solange keiner klagt.

Informieren sollten sich die Kunden im Vorfeld außerdem über den genauen Bestimmungsort. Zwar geben die Airlines fast immer Großstadtziele an, landen aber stattdessen oft auf abgelegenen Provinzflughäfen. Die Taxifahrt zum Hotel kann in solchen Fällen eine Ersparnis bei den Ticketkosten locker auffressen. Es sind schon Flugpassagiere, die nach Hamburg wollten, in Lübeck gestrandet.

Der Rückflug wird teuer
Utopisch ist meist auch die Erwartung, einen Rückflug zum gleichen Preis zu bekommen: Selbst bei den Billigairlines kann dann der voreingestellte Grundpreis das Fünfzehnfache des Hinflugpreises betragen. „Leider können wir unseren Kunden nicht immer die günstigen Preise anbieten, die sie von uns gewohnt sind“, heißt es dazu bei Easyjet.

Viel verbessert hat sich für den Verbraucher also nicht. Wer beim Check-in noch mal so richtig zur Kasse gebeten wird, bekommt auf Nachfrage häufig zu hören: „Steht alles in den AGBs“ – selber schuld. Konkrete Zahlen werden in den Geschäftsbedingungen aber nur selten genannt. Mit Formulierungen wie „für Gepäck können zusätzliche Gebühren erhoben werden“ halten sich die Unternehmen allerhand offen.

50 Euro Bearbeitungsgebühr
So staunte ein Kunde der Gesellschaft Iberia darüber, dass er 50 Euro Bearbeitungsgebühr zahlen sollte, weil der fällige Betrag nicht von seinem Bankkonto eingezogen werden konnte. Es war vorübergehend nicht gedeckt. Ein solcher Vorgang kostet die Fluggesellschaft maximal zehn Euro. Der Kunde zog vor Gericht – und bekam Recht.

Weitere Pläne
Schlimmer geht’s gleichwohl immer: „Wir schöpfen sicher noch nicht alle Möglichkeiten aus“, sagte eine Ryanair-Mitarbeiterin dem Tagesspiegel. Immer wieder machen Meldungen die Runde, eine der Billigairlines erwäge, Stehplätze einzuführen oder eine Toilettennutzungsgebühr zu erheben. Konkreter geworden sind diese Pläne laut Fluggesellschaften – zum Glück – aber noch nicht.

Betroffen sind von alldem mehr Menschen, als man glauben möchte. Rund ein Drittel aller Flüge, die von Deutschland aus starten, werden mit sogenannten Low-Cost-Carriern absolviert. „Es gibt immer Menschen, die noch keine Erfahrungen mit den Billigfliegern gemacht haben und in die Falle laufen“, sagt Heidemann-Peuser. Aber es gibt auch Menschen, die bewusst bei Ryanair und Co. buchen. Denn wer sich auskennt, kann mit diesen Gesellschaften durchaus sparen: „Sofern man die gefährlichen Klauseln kennt und sich die Mühe macht, Endpreise zu vergleichen.“

Wer jedoch lieber von Anfang an weiß, woran er ist, der hält sich besser an die traditionellen Fluggesellschaften. Und nimmt den Flug inklusive Saft, statt nur die saftige Rechnung.

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