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Bio-Brot: Öko bis zum letzten Krümel

Die Berliner Bäckerei „Märkisches Landbrot“ mit Sitz in Neukölln macht vor, wie Nachhaltigkeit funktioniert.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Im Industriegebiet um das Autobahndreieck Neukölln gibt es eine Oase: Zwischen unbeseelten Lagerhallen steht ein kleines, gelbes Haus. Üppig bepflanzte Blumenbeete sind davor, Efeu und Wein ranken an der Fassade. Die Wand ziert eine Sonne, auf dem Parkplatz sprudelt ein Brunnen.

Seit 30 Jahren leben die Geschäftsführer Christoph Deinert und Joachim Weckmann hier ihre Vorstellung von einer besseren Welt – sie backen Bio-Brot aus konsequent ökologischer Herstellung. 1981 gehörten sie damit zu den ersten Bäckern bundesweit, die Umwelt- und Naturschutz zur Grundlage ihres Geschäfts machten. Mit der Zeit haben sie ihr Engagement ausgebaut. Seit vergangenem Donnerstag ist ihr Bäckerei-Betrieb „Märkisches Landbrot“ eines von 15 Unternehmen in Berlin, die vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in die „Klimaschutz- und Energieeffizienzgruppe der deutschen Wirtschaft“ aufgenommen wurden. Und wieder ist der Betrieb Pionier, als einziger Bäcker in der Riege.

Deutschland ist führend bei Bio-Essen

Dabei ist Deinerts und Weckmanns Idee längst zur Ideologie einer großen Bevölkerungsgruppe geworden: Nirgendwo in Europa ist der Absatz von Ökoprodukten so hoch wie in Deutschland. In den Jahren 2000 bis 2009 ist der Handelsumsatz mit biologisch erzeugten Lebensmitteln um rund 180 Prozent gestiegen. Allein 20 Biobäckereien gibt es in der Region, sagt Michael Willmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg. Der jährliche Umsatz von Bio-Brotwaren in Berlin wird auf 15 Millionen Euro geschätzt.

Mit 5,7 Millionen Jahresumsatz in 2010 zählt Märkisches Landbrot zu den Marktführern. Bis zu 7000 Brotlaibe, die „Paderborner“, „Uckermarker“, oder „Brodowiner“ heißen, werden täglich in der Backstube gefertigt. Daneben werden auch Brötchen, Kuchen und Müsli produziert. Das Unternehmen hat 44 Mitarbeiter und beliefert 130 Läden in Berlin. Ähnlich erfolgreich ist nur die Kette Biobackhaus. „Wir kennen keine Konkurrenten, bloß Mitbewerber“, sagt Landbrot-Chef Deinert. „Jedes neue Bioprodukt ist für uns ein Grund zur Freude.“

Berlins einzige Feng-Shui-Fabrik

Dass diese Firma anders tickt als die meisten Unternehmen, davon zeugt auch ein Zierbrunnen, der auf dem Firmengelände vor sich hin plätschert. Sie nennen ihn „Brunnen des Geldes“, weil er an einer Stelle gebaut wurde, an der nach der Feng-Shui-Philosophie besonders viel geschäftsfördernde Energie fließt.

Einen richtigen Brunnen gibt es aber auch. „Ein Brot besteht zu 40 Prozent aus Wasser. Als vor einigen Jahren Meldungen über Medikamentenrückstände im Trinkwasser durch die Medien gingen, haben wir beschlossen, unser Wasser selber zu pumpen“, sagt Weckmann. In einer lichtgeschützten Anlage auf der Rückseite des Lagerraums wird es um Mineralien von Steinen bereichert, denen man heilende Wirkung nachsagt.

Lobenswert sind aus Sicht von DIHK und Berliner Industrie- und Handelskammer in erster Linie aber andere Dinge. Als erstes Unternehmen Europas hat die Biobäckerei 2010 einen sogenannten „ökologischen Fußabdruck“ veröffentlicht. Die Kennzahl besagt, welche CO2-Mengen während der Herstellung der Waren freigesetzt worden sind. „Vom Getreideanbau bis zur Auslieferung gibt es viele Faktoren, die sich auf die Ökobilanz eines Brotes auswirken“, sagt Deinert. Die Kunden können auf der Webseite auch ihren eigenen CO2-Fußabdruck erstellen. Wer sein Brot toastet und damit Strom verbraucht, verschlechtert seinen Wert.

Zutaten aus der Region

Bis 2020, so hat es sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, sollen seine Produkte gänzlich klimaneutral sein. Deswegen haben die Geschäftsführer eine Solaranlage auf das Dach montieren lassen. Die Öfen werden mit Holzpellets befeuert, den Strom beziehen sie vom unabhängigen Öko-Energieanbieter Lichtblick. Um die wenigen Emissionen, die trotz Erdgas-Autos und Recycling-Papier entstehen, wieder gutzumachen, finanzieren sie ein Wiederaufforstungsprojekt in Madagaskar.

Und weil es „selbstverständlich auch um soziale Nachhaltigkeit geht“, kaufen die Bäcker fast all ihre Zutaten in der direkten Umgebung. Einzig die Kürbiskerne machen ihnen Sorgen – die kommen aus China. „Da haben wir bisher keinen geeigneten Anbieter in Brandenburg gefunden“, entschuldigt sich Weckmann.

Auch, weil jeder in der Kette einen fairen Anteil erhalten soll, ist Bio „natürlich immer ein bisschen teurer. Wir bemühen uns aber, die Preise niedrig zu halten“.

Für den Steuerzahler ist das eine gute Nachricht. Denn auch die Bundestagsabgeordneten essen Märkisches Landbrot in ihrer Kantine.

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