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Wirtschaft: Bio verkauft sich gut

Wachstumsmarkt Lebensmittel: Öko-Produkte locken Großhandelsketten aus der Reserve

Lidl will den Erfolg seiner ersten bundesweiten Aktionswoche mit Bioprodukten ausbauen. „Die Aufnahme ins Dauersortiment ist vorstellbar. Bis zum Sommer 2006 kann mit einer weiteren Aktion gerechnet werden“, sagte die Lidl-Sprecherin. Weitere Discounter wie Plus oder Aldi versuchen sich ebenfalls im Bio-Bereich und bieten biozertifizierte Produkte in ihrem Dauersortiment. Die Supermarktkette Reichelt führt mittlerweile rund 300 Bioprodukte und bekommt über das Mutterunternehmen Edeka zukünftig einen hauseigenen Biofleisch-Lieferanten aus dem Brandenburgischen. „Biologisch“ und „ökologisch“ sind durch das Bio-Siegel (siehe Kasten) geschützte Begriffe, die nur Lebensmittel kennzeichnen dürfen, die den ökologischen Anbau-Richtlinien der EG-Verordnung entsprechen.

Bei ansonsten stagnierenden Umsatzzahlen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel wächst und gedeiht die Bio-Branche bereits seit Jahren in Folge. Mit einem Wachstum von knapp elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr wurden 2004 rund 3,5 Milliarden Euro mit Bioprodukten umgesetzt. Im zweiten Quartal 2005 stieg der Umsatz mit Naturkost um 12,5 Prozent verglichen mit der Vorjahresperiode. Bio-Lebensmittel sind somit ein Garant für Wachstum, auch wenn sie mit nur knapp fünf Prozent Marktanteil immer noch ein Nischenbereich sind. Am Umsatzplus der Öko-Lebensmittel waren zu 31 Prozent die Naturkostfachgeschäfte, davon rund 170 in Berlin, beteiligt. Der klassische Lebensmitteleinzelhandel lag mit 28 Prozent dicht dahinter. Der restliche Vertrieb lief über Direkt- und Höfeverkäufe (16 Prozent), Bäckereien, Metzgereien und Reformhäuser (je sieben Prozent) sowie Drogerieketten (über fünf Prozent).

Der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Adalbert Kienle, begrüßt die Ausweitung ökologischer Produkte im Lebensmitteleinzelhandel. Die Aktivitäten der Discounter sieht Kienle allerdings weniger als plötzlich entdecktes Umweltbewusstsein, sondern als ökonomisches Kalkül. „Wenn die sich ständig unterbietenden Discounter versuchen, mit ihrer Preispolitik den Bio-Markt zu erschließen, geraten auch ökologische Hersteller unter Preisdruck“, sagte Kienle. Bei Milchprodukten lasse sich bereits eine Marktverdrängung deutscher Hersteller beobachten. Die Preise der Importware aus Ländern wie Österreich und den Niederlanden, die Bio-Milch subventionieren, bedrohten deutsche Bio-Molkereien. „Bei zu niedrigen Preisen lässt sich der ökologische Mindeststandard nicht mehr bezahlen. Einige Molkereien mussten sogar wieder auf konventionelle Produktion umstellen, um wirtschaftlich überleben zu können“, sagte Kienle.

Auch mit der EU-Osterweiterung sei eine starke Konkurrenz auf den Bio-Markt getreten, sagte Bernhard Jansen vom Internationalen Zentrum für Ökologischen Landbau in Dresden. Auf Dauer könnten auch die dortigen Bauern keine Öko-Qualität zu Dumping-Preisen produzieren. Die deutschen Öko-Akteure sollten sich deshalb – neben Afrika und Asien – auch in Osteuropa aktiv für „fairen Handel“ einsetzen. Nur ausreichend hohe Preise garantierten Nachhaltigkeit und sicherten die Umsetzbarkeit ökologischer Richtlinien bei Herstellern und Verarbeitern von Bio-Produkten.

Markus Rippin von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) sieht die Vorstöße konventioneller Supermärkte und Discounter hingegen gelassen: „Hier handelt es sich nicht um eine typische Konkurrenzsituation, sondern um die Erschließung neuer Käuferschichten“, sagte Rippin. Das bestätigte auch der Sprecher des Verbands Bioland, Ralf Alsfeld. „Auf dem Bio-Markt verhält es sich wie in der Auto-Branche: Das staatliche Bio-Siegel ist der Tüv, der dem Verbraucher einen gesicherten Mindeststandard liefert. Die strengeren Richtlinien anderer Verbände bringen einen zusätzlichen Mehrwert.“ Laut Alsfeld sei es keine Schwierigkeit, sich mit Bio-Premiumprodukten, die ein zusätzliches Warengütezeichen tragen, neben so genannten „Standard“-Bio-Produkten durchzusetzen. Denn Qualität, Nachhaltigkeit und regionaler Bezug zahlten sich mehr aus als ein niedriger Preis.

Katrin Wlucka

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