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Bio-Hühnereier in einer Verpackung.

© Arno Burgi/dpa

Bioeier: EU will deutsche Riesenställe beschränken

Deutsche Bio-Eier stammen oft aus Massentierhaltung. Für Verbraucher ist das nicht erkennbar. Doch nun schaltet sich die EU ein

Das Ei ist das zentrale Symbol des Osterfests. Im Christentum symbolisiert es seit Jahrhunderten die Auferstehung. In anderen Kulturen und Religionen steht es für Fruchtbarkeit und neues Leben, ist Sinnbild des Werdens und der Schöpfung. Zu dieser verheißungsvollen kulturellen Aufladung des ovalen Tierprodukts wollen Bilder der industriellen Eierproduktion so gar nicht passen. Viele Kunden greifen darum zu Erzeugnissen aus ökologischer Haltung. Eier sind das mit Abstand beliebteste Bio-Produkt in Deutschland. 2017 gab es hierzulande erstmals mehr Haltungsplätze für Hennen im Bereich der ökologischen Erzeugung als in der Käfighaltung. 1,3 Milliarden Bio-Eier wurden produziert.

Die Vorstellung von weitem, sattem Grün, versteckten Nestern und von Bauernhofidylle verbindet sich wunderbar mit den Bildern vom familiären Osterfest. Doch diese Illusion wurde vor wenigen Wochen zerstört: Recherchen des RBB ergaben, dass 90 Prozent aller Bioeier in Brandenburg aus Großbetrieben mit mehr als 30 000 Hühnern kommen. Rechtlich sind die Betreiber nicht zu belangen, da die deutschen Behörden die EU-Bioverordnung großzügig auslegen. Kritiker sprechen jedoch vom umfassendsten Verbrauchertäuschungsskandal in der Geschichte des EU-Öko-Landbaus.

Intransparenz für Konsumenten

Welche Möglichkeit haben Konsumenten unter diesen Umständen, herauszufinden, wie die realen Produktionsbedingungen ihrer Frühstückseier sind? Seit 2005 müssen sortierte Eier, die unverarbeitet verkauft werden, gekennzeichnet werden. Aus dem sogenannten Erzeugercode auf der Schale können Konsumenten Haltungsform, Herkunftsland und Stallnummer ablesen. Eine vorgestellte Null steht für ökologische Haltung. Ob das Produkt aber aus einer riesigen Eierfabrik oder von einem kleinen Vorzeigehof stammt, ist dabei nicht erkennbar. Das ist vom Gesetzgeber auch nicht vorgesehen.

Auf der Seite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft findet sich folgende Information: „Eine behördenseitige Veröffentlichung der Betriebsnummer in Verbindung mit Name und Anschrift des entsprechenden Betriebes sieht das Marktordnungsrecht nicht vor und ist nicht mit dem Datenschutz vereinbar.“ Verbraucher, die sich über die Erzeugerbetriebe informieren wollen, heißt es weiter, mögen sich direkt mit dem auf der Verpackung genannten Unternehmen in Verbindung setzen. Doch gerade bei großen Supermärkten, ist das nicht ohne weiteres möglich: Der Name eines Betriebes fehlt oft.

Das große Schweigen

Eine weitere Möglichkeit ist die Rückverfolgung mittels des Erzeugercodes auf www.was-steht-auf-dem-ei.de. Dort können Verbraucher durch Eingabe der Zahlen-Buchstaben-Kombination den Namen und die Postleitzahl der Höfe nachvollziehen. Zudem werden zwei Fotos des Betriebs präsentiert. Nicht aufgezeigt werden hingegen die wirtschaftlichen Kennzahlen, und nur in Einzelfällen ist eine E-Mail-Adresse hinterlegt. Beim Lebensmitteldiscounter Lidl stammen Bioeier beispielsweise von der „Betriebsgemeinschaft Gbr Kraatz“ in Nordwestuckermark. Informationen über das Unternehmen sind kaum zu finden. Im Telefonbuch findet sich immerhin eine Nummer. Ein Anrufbeantworter meldet sich – direkte Kontaktaufnahme scheint unerwünscht.

Auf Anfrage heißt es bei Lidl, man wolle „grundsätzlich keine Angaben zu unseren Lieferanten machen“. Auch KAT, der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen, der die Rückverfolgung mittels des Erzeugercodes anbietet, rückt keine Infos zur Zahl der gehaltenen Hennen heraus. Ebenso wenig das Landesamt für Landwirtschaft (LELF) und der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). Direkte Besuche vor Ort sind bei den Brandenburger Betrieben unerwünscht: Auf Anfrage des Tagesspiegels lässt die Pressesprecherin des ZDG mitteilen, dass keiner der angefragten Höfe für eine Besichtigung zu gewinnen sei.

EU-Verordnung erlaubt nur 3000 Legehennen pro Stall

Im September vergangenen Jahres stellte der Landtagsabgeordnete der Grünen Benjamin Raschke eine kleine Anfrage zu Tierhaltungsanlagen in Brandenburg. Aus der Antwort der Landesregierung geht hervor, dass beim Lidl-Lieferanten „Betriebsgemeinschaft Gbr Kraatz“ 39 000 Plätze für Legehennen registriert sind. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Farm „Wriezen Landfrisch Bio GmbH“, die Aldi beliefert. 2013 gab es hier nach Regierungsangaben 36 000 Plätze. Den RBB-Recherchen zufolge sind es aktuell immer noch rund 30 000.

Die aktuelle EU-Verordnung erlaubt maximal 3 000 Legehennen pro Stall. Ausgehebelt werden die Vorgaben jedoch dadurch, dass in Deutschland Herden aus jeweils 3 000 Tieren durch Trennwände separiert in einem Gebäude untergebracht werden können. Nach dem Legehennenbetriebsregistergesetz darf pro Stall aber nur eine Kennnummer zur Kennzeichnung der Eier verwendet werden. Im Falle der „Betriebsgemeinschaft GbR Kraatz“ hieße das: Es müsste 13 Stallkennnummern geben, doch es existiert nur eine einzige. Zumindest diese Praxis könnte bald ein Ende haben. Mitte März stellte die EU-Kommission klar, dass ein Stallgebäude auf 3 000 Hennen beschränkt sein muss, um der EU-Ökoverordnung zu entsprechen. Das geht aus einem Sitzungsprotokoll des Ausschusses für Bio-Produktion hervor.

Würde diese Vorgabe in Deutschland durchgesetzt, wäre der gängigen Praxis der Unterteilung in mehrere Ställe ein Riegel vorgeschoben. Und somit auch den riesigen Bio-Eierfabriken. Verbraucher müssten dann nicht mehr aufwändig die Herkunft ihres Frühstückeis recherchieren. Bio wäre wieder das, was es einmal sein sollte: Eine Alternative zur Massenproduktion.

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