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Wirtschaft: Biofleisch wird knapp

Seit den Fleischskandalen ist die Nachfrage stark gestiegen, die Ökobauern kommen kaum hinterher – dennoch sind die Preise stabil

Berlin - Wer zum Weihnachtsfest Fleisch von glücklichen Tieren verspeisen will, der könnte in diesem Jahr Pech haben. Denn die Nachfrage nach Biofleisch ist enorm gestiegen, vor allem wegen der jüngsten Fleischskandale. „Besonders der Bioschweinemarkt ist fast komplett leergefegt“, sagte Alexander Gerber, Geschäftsführer des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), dem Tagesspiegel am Sonntag. Auch beim Rind gebe es in manchen Ballungsgebieten Engpässe. Die Händler verzeichneten in den vergangenen Wochen einen Umsatzanstieg beim Biofleisch von 30 Prozent und mehr. Der nordrhein-westfälische Großhändler Weiling zum Beispiel erreichte ein Plus von 35 Prozent. „Wir führen das Wachstum vor allem auf den jüngsten Fleischskandal zurück“, so Weiling-Sprecher Hansjörg Bahmann.

Auch Bioland, der in Deutschland größte Anbauverband für Ökolebensmittel, sieht Engpässe. „Wir haben Rückmeldungen von Metzgern, die Probleme haben, genug Biofleisch einzukaufen“, sagte BiolandVorsitzender Thomas Dosch. So nimmt etwa der Berliner Großhändler „Bio Fleisch NordOst“ keine Bestellungen von Schweinefleisch mehr entgegen. Rind, Kalb und Lamm sind dagegen noch verfügbar. Auch mit ökologisch gezüchteten Enten und Gänsen sind Ställe und Kühlhäuser gut gefüllt. „Hier haben unsere Betriebe für Weihnachten gut vorgesorgt“, sagte Dosch.

Nach einem Bericht des Bundesverbraucherministeriums kam es bei Biofleisch im Laufe dieses Jahres schon häufiger zu Versorgungsengpässen. „Wir haben schon seit einer Weile Probleme, genug Ferkel zu produzieren“, sagte Gerber vom BÖLW. „Traditionell ist bei unseren Käufern Rind gefragter.“ Inzwischen habe die Branche Käuferschichten dazugewonnen. „Vor allem Jüngere und Singles greifen öfter zu Bioware“ , sagte Gerber.

Trotz der hohen Nachfrage haben sich die Preise nur moderat erhöht, heißt es bei der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle für Agrarwirtschaft. Ein Kilogramm Bioschweinebraten kostet die Verbraucher in diesem Jahr durchschnittlich 6,42 Euro, 15 Cent mehr als im Vorjahr. Hier schlägt sich auch das Geschäft von Supermärkten und Discountern nieder: Während der Preis von Schwein, das im Bioladen verkauft wird, im Schnitt 86 Prozent über dem von konventionellem Fleisch liegt, sind es bei Biofleisch aus dem Supermarkt nur 22 Prozent. Ein Grund für die Differenz: Bioläden verkaufen oft nur Edelteile wie Schinken und Filet. Die großen Ketten können aber auch den Rest des Tieres kostengü nstig verwerten.

Grundsätzlich ist die Produktion von Biofleisch schwieriger an Nachfrageschübe anzupassen als die in der konventionellen Mast. „Für uns gibt es keinen internationalen Fleischmarkt, auf dem jederzeit nachgekauft werden kö nnte“, erklärte Dosch von Bioland. Die Biobranche friste nach wie vor ein Nischendasein. Der Marktanteil von Ökofleisch liegt bei zwei bis drei Prozent, bei Schwein sind es mit 1,5 Prozent noch weniger. Dazu kommt, dass die Tiere im Ö kolandbau wegen des Auslaufs und des Verzichts auf herkömmliches Mastfutter länger brauchen, um ihr Schlachtgewicht zu erreichen. Das „moderne Hausschwein“ sei zudem für die Freilandhaltung nicht optimal, sagte Thomas Korbun vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin. Die Züchtung von für den Ökolandbau optimierten Schweinen stecke noch in den Anfängen.

Auch die Zahl der Biobetriebe lässt sich nicht beliebig erhöhen. „Die Umstellung eines Betriebs dauert zwei Jahre“, sagte BÖLW-Geschäftsführer Gerber. In dieser Zeit müssen die Bauern die Vorgaben der EG-Ö koverordnung einhalten, dürfen ihre Produkte aber noch nicht als teurere Bio-Ware verkaufen. „Die Biobauern sind am Anfang auf staatliche Förderung stark angewiesen“, sagte Gerber. Derzeit werden die Landwirte in den ersten Jahren als Biobauern mit bis zu 400 Euro pro Hektar und Jahr unterstützt. Die Förderung tragen EU, Bund und Länder. Jetzt, wo Horst Seehofer (CSU) Bundesverbraucherminister ist, fürchten Vertreter der Biobranche um diese Mittel. „ Einige Bundesländer, darunter etwa Baden-Württemberg, haben sich schon oft für eine Streichung eingesetzt. Wir fürchten, dass Seehofer das unterstützen könnte“, sagte Gerber.

Weniger kritisch sieht Thomas Korbun vom IÖW die Lage. Zwar verweist er darauf, dass die Union traditionell dem deutschen Bauernverband nahe stehen. „Und der handelt als Sprachrohr der konventionellen Agrarindustrie.“ Allerdings sieht er den ehemaligen Sozialpolitiker Seehofer noch in einer Phase der Orientierung. Aus seinem Ministerium heißt es, es sei noch zu früh für einen Fahrplan zur ökologischen Landwirtschaft.

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