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Wirtschaft: Bist du Jeck?

Karneval 2004: Deutschlands Narren kleiden sich für die fünfte Jahreszeit ein – einige Tipps, worauf es beim neuen Outfit ankommt

Jeck sind wir alle, aber jeder Jeck ist anders. Die Kölner Karnevalisten haben eine philosophische Formel für das gefunden, was jeden Narr vor Anbruch der „fünften Jahreszeit“ umtreibt: Als was gehe ich dieses Jahr? Jeck soll das Outfit 2004 natürlich wieder sein, aber am besten noch ein bisschen jecker als das der anderen Narren.

Da hat es der Nachwuchs leichter: Kinder gelten beim Thema Verkleidung als konservativ. Sie lieben das, was sie kennen, wie Kostümexperten bestätigen: „Märchengestalten, Cowboys oder Piraten sind in diesem Jahr besonders gefragt“, sagt Marcus Flegel vom Berliner Masken- und Kostümhändler Metamorph. Doch auch die kleinen Jecken gehen mit der Mode. So sind Freibeuterkostüme in dieser Saison beliebt, weil den Kids der Kino-Hit „Fluch der Karibik“ aus dem vergangenen Jahr in Erinnerung geblieben ist. Auch Harry Potter dürfte sich wieder in zahlreichen Variationen beim Kinderfasching selber über den Weg laufen. Allerdings greifen nur wenige Händler aktuelle Trends rechtzeitig auf. Die Suche einer Tagesspiegel-Redakteurin nach einem Fischkostüm („Findet Nemo“) für ihre Tochter blieb im Kaufhaus KaDeWe, beim Bekleidungsdiscounter und in mehreren Internet-Shops ohne Erfolg. Da muss wohl bis zum kommenden Wochenende noch selber geschneidert werden…

Viele Eltern achten jedoch nach Beobachtung von Metamorph-Mitarbeiter Flegel bei der Auswahl der Kostüme zunehmend auf hochwertige Materialen. Und das kann teuer werden: Kinderverkleidungen aus festen Stoffen, die genäht und nicht einfach geschweißt sind, kosten bei Metamorph zwischen 60 und 130 Euro.

Qualität wird von den Erwachsenen auch beim eigenen Kostüm erwartet. „Gerade jüngere Jecken wollen regelrecht gestylt sein“, sagt Jürgen Kleefisch vom Kölner Karnevalsausstatter Deiters. Der Grund: Auf vielen angesagten Partys, die mit den biederen Sitzungen der Karnevalsvereine nichts mehr zu tun haben, ist mehr als eine Pappnase nebst Narrenkappe gefragt. Wer hier für Aufsehen sorgen will, trägt in diesem Jahr ein ausladenes Rokoko-Kleid oder wirft sich ins Flowerpower-Dress der Siebzigerjahre. „Viele Jecken kehren inzwischen aber auch wieder zu klassischen Themen zurück und verkleiden sich als Clown, Cowboy, Indianer oder Ritter“, sagt Kleefisch. Die Preise reichen bei den Verkleidungen von der Pappnase für 50 Cent bis zum handgenähten Edel-Kostüm für 1500 Euro.

Selbst solche Preise können echte Narren nicht bremsen. Von Konsumflaute spürt Ausstatter Deiters nur wenig. Der Umsatz steigt von Jahr zu Jahr. „Gerade in schwierigen Zeiten wollen die Leute feiern“, sagt Kleefisch. Gespart worden sei in den vergangenen Jahren eher beim Ausgehen, zumal viele Gastronomen nach der Euro-Einführung zu Karneval die Preise kräftig erhöht haben.

Besonders im Rheinland ist das närrische Treiben längst kein reines Vergnügen mehr, sondern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Fachhochschule Koblenz schätzt den Karnevalsmarkt auf rund drei Milliarden Euro. Neben dem Umsatz mit Kostümen und Accessoires wie Karnevalsorden oder Säbeln zählen dazu die jährlich rund 25000 Veranstaltungen mit rund 1,6 Millionen Besuchern. Für die Übertragungsrechte der Sitzungen zahlen Fernsehsender Millionen. Nach Angaben des Bundes Deutscher Karneval leben in Deutschland rund 3000 Unternehmen mit 50000 Vollzeitarbeitsplätzen vom Karneval.

Einmal im Jahr trifft sich die Branche auf der Messe „Inter Karneval“ in Köln, um die neuesten Entwicklungen bei Kostümverkauf, Wagenbau oder Wurfmaterial zu präsentieren. „Auch beim Wurfmaterial geht der Trend eindeutig zu hochwertiger Ware“, sagt Projektleiter Manfred Schlecking. Bedauerlicherweise gingen die gestiegenen Qualitätsansprüche vieler Jecken zu Lasten kleiner Freuden – zum Beispiel der klassischen Kamelle. Schlecking: „Wer bückt sich schon nach einem Bonbon, wenn von oben ganze Pralinenschachteln anfliegen?“

Maurice Shahd

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