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Wirtschaft: „Bleibt Öl teuer, steigen die Gaspreise“

Gasag-Vorstand Andreas Prohl über mögliche Preiserhöhungen, die Liberalisierung und Expansionspläne

Herr Prohl, die letzten Gaspreiserhöhungen haben einen Proteststurm ausgelöst. Verbraucherschützer riefen die Kunden dazu auf, ihre Gasrechnungen nicht zu zahlen. Wie viele Widersprüche sind bei der Gasag eingegangen?

Rund 6000, das sind weniger als ein Prozent aller Kunden. Aber das waren nur Protestbriefe, keine Zahlungsverweigerer. 70 Kunden haben angekündigt, nicht den vollen Rechnungsbetrag zu überweisen; tatsächlich haben aber alle gezahlt.

Der Ölpreis klettert auf neue Rekordhöhen. Werden die Gaspreise nachziehen?

Wenn der Ölpreis auf diesem Niveau bleibt, dann ist es wahrscheinlich, dass es beim Gas in der zweiten Jahreshälfte zu einer Erhöhung kommt, dann werden wir noch mal was tun müssen. Wegen der Ölpreisbindung hängt das aber vom Öl ab. Sie bewirkt, dass der Ergaspreis dem aktuellen Preis des Öls nach etwa einem halben Jahr folgt.

Das Argument Ölpreisbindung hört man vor allem bei steigenden Ölpreisen. Wie lange liegt denn die letzte Gaspreissenkung zurück?

Im Jahr 2001 haben wir zweimal gesenkt. 2002 war die Ökosteuererhöhung, 2003 kam dann eine weitere Erhöhung, und zum ersten Dezember 2004 haben wir noch einmal erhöht. Aber insgesamt sind wir jetzt auf einem Tarifniveau, das nicht höher ist als Anfang 2001.

Ist die Ölpreisbindung noch zeitgemäß?

Welche Alternative haben wir denn? Wenn wir die Ölpreisbindung aufgeben würden, wären wir den Produzenten ausgeliefert. Es ist dann durchaus möglich, dass ein Land wie Russland den Gaspreis mal schnell um 50 Prozent erhöht. In einem Wettbewerbsmarkt würde man dann einfach den Lieferanten wechseln. In unserem Geschäft gibt es diese Möglichkeit aber nicht. Unsere Leitungen sind so gebaut, wie sie sind. Wir sind rein physisch nicht in der Lage, große Lieferströme einfach umzulenken.

Aber der Gasmarkt wird doch immer globaler, zum Beispiel dank Flüssiggas, das unabhängig von bestehenden Pipelines in Tankern transportiert werden kann. Also müssten Sie doch irgendwann in der Lage sein, auszuweichen.

Ja, natürlich. Aber ich weiß nicht, ob wir uns das wünschen sollten. Flüssiggas ist deutlich teurer als Pipeline-Gas. Wenn wir in Zukunft also mehr Flüssiggas beziehen sollten, dann ist das vor allem ein Ausdruck für sich verteuernde Energie.

Für Pipeline-Gas schließt man in der Regel sehr langfristige Lieferverträge ab. Wie lange hat sich die Gasag gebunden?

Für einen erheblichen Teil unserer Mengen haben wir uns bis in die nächsten zehn, fünfzehn Jahre abgesichert. Angesichts der Beschaffungssituation halten wir das für einen strategischen Vorteil. So können wir dem Kunden, der sich mit seiner Heizanlage ja auch für mindestens 15 Jahre auf Gas festlegt, sichere Konditionen zusagen.

SPD und Grüne haben sich nach langem Streit auf ein neues Energiewirtschaftsgesetz geeinigt. Wie gefällt Ihnen der vorliegende Entwurf?

Wenn es darum geht, fair und diskriminierungsfrei monopolistische Netze zur Verfügung zu stellen, dann ist das ein vernünftiger Ansatz. Aber wenn man sieht, mit welchem politischen Gezerre das gemacht wurde, dann ist das schon sehr enttäuschend. Wir wissen immer noch nicht, auf was wir uns einstellen müssen – schließlich muss der vorliegende Entwurf noch in den Bundesrat.

Immerhin steht fest, dass nach dem Strommarkt nun auch der Gasmarkt liberalisiert wird. Mit wie vielen Wettbewerbern rechnen Sie denn in Berlin?

Ich sehe keinen Händler, der sich auf den Privatkundenbereich stürzen würde. Jeder muss sich schließlich fragen, wo er seine Marge machen kann. Und das ist nicht bei den Kleinverbrauchern. Wir haben für unsere 700000 Kunden eine eigene Abrechnungsgesellschaft, die uns im Jahr 16 Millionen Euro kostet. Finden Sie mal einen Händler, der sich einen solchen Apparat aufbauen kann. Etwas anderes ist es bei Gewerbe- und Industriekunden – aber von denen gibt es in Berlin leider sehr wenige.

Beim Strom funktioniert die Liberalisierung auch für Privatkunden.

Natürlich. Wir stellen uns ja auch darauf ein, dass so ein Wettbewerb kommen kann. Nur halte ich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in zwei, drei Jahren ein Kampf um Privatkunden ausbricht, für gering. Aber aus Sicht der Gasag kann ich nur sagen: Bitte alle kommen! Wettbewerber helfen uns ja, unser Netz besser auszulasten. Dann sollen die ihre Handelsmarge machen und wir machen unsere Netzmarge. Diese Entwicklung würden wir nicht scheuen.

Die Marktöffnung bietet auch Expansionschancen. Haben Sie Pläne, über Berlin hinaus zu wachsen?

Wir haben ja bereits Beteiligungen an der Erdgas Mark Brandenburg, den Havelländischen Stadtwerken und der Gasversorgung Oranienburg. Und weitere Projekte sind in Planung. Wenn man sich den Umfang und die Komplexität des Energiewirtschaftsgesetzes ansieht, glaube ich, dass sich viele kleinere und mittlere Unternehmen damit nicht auseinandersetzen können.

Es werden also weitere Stadtwerke in Brandenburg dazukommen?

Mit ihrem Netz auf jeden Fall; das wird eines unserer Wachstumsthemen sein. Auch wenn in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern was kommt, werden wir uns das anschauen. Die jeweiligen Marken sollen aber erhalten bleiben.

Und die Marke Gasag? Wie lange wird es die noch geben? Die Bewag wird schließlich bald so heißen wie der Mutterkonzern Vattenfall. Und der hält auch rund ein Drittel an der Gasag.

Die Gasag hat in Berlin einen Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent, das ist richtig was wert. Wir werden diese Marke auf gar keinen Fall aufgeben.

Das Interview führten Daniel Rhée-Piening und Anselm Waldermann.

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