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Blick in die Zukunft: Bezahlen im Vorbeigehen

Die kontaktlose Zahlkarte – was sie bringt und wo die Risiken liegen.

Von Carla Neuhaus

Berlin - 90 Cent für die Frühstücksbrötchen, 1,10 Euro für die Tageszeitung am Kiosk: Noch kramen die Deutschen für solche Beträge ihr Kleingeld aus dem Geldbeutel. Doch das könnte sich schon bald ändern. Denn künftig sollen sie kleinere Einkäufe ganz schnell mit Karte zahlen können. Die Verbraucher halten an der Kasse einfach ihre Giro- oder Kreditkarte vor ein Lesegerät und fertig – ganz ohne die Geheimzahl einzugeben oder die Quittung unterschreiben zu müssen. Kontaktloses Zahlen nennt sich das.

Über einen kleinen Funkchip, der in die Karte integriert wird, werden die Bezahldaten auf kurze Distanz übertragen. Ohne eine Pin eingeben zu müssen, können Verbraucher mit der kontaktlosen Kreditkarte pro Bezahlvorgang maximal für 25 Euro, bei der Girokarte für 20 Euro einkaufen.

Vom Kreditkartenunternehmen Mastercard sind nach eigenen Angaben in Deutschland bereits jetzt 1,2 Millionen Kontaktlos-Karten im Umlauf. Der Konkurrent Visa will bald nachziehen. „Die ersten 150 000 Karten sollen noch in diesem Jahr rausgehen“, sagt Unternehmenssprecher Matthias Adel. Unter den Ersten, die die kontaktlose Visa-Karte ausgeben, werden auch die Landesbank Berlin (LBB) und die Deutsche Kreditbank (DKB) sein.

So richtig in Schwung kommen dürfte das kontaktlose Zahlen aber wohl erst, wenn auch Girokarten mit der neuen Funktion ausgerüstet sind. Im April geben die Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Zuge einer Pilotphase im Raum Hannover drei Millionen Girokarten mit der neuen Funktion aus. Ab August bekommen dann alle Sparkassenkunden, deren alte Girokarte abläuft, eine neue, mit der sie kontaktlos zahlen können. Wird die neue Funktion gut angenommen, wollen auch die übrigen Banken nachziehen und kontaktlose Karten ausgeben. Auf einen gemeinsamen Namen (Girogo) und ein Logo für das Kontaktloszahlen hat sich die Kreditwirtschaft immerhin schon geeinigt.

Damit sich das neue Verfahren auch langfristig durchsetzt, muss allerdings der Handel mitziehen. Lesegeräte für die neuen Karten gibt es bereits in den Geschäften der Douglas Holding (Douglas, Thalia, Hussel, Christ und Appelrath- Cüpper), an Star-Tankstellen und in den Vapiano-Restaurants. In Berlin können Kunden der Galeries Lafayette außerdem schon seit über einem Jahr kontaktlos zahlen. An 19 Kassen sind in dem Kaufhaus neue Lesegeräte aufgestellt. „Die werden auch schon ganz gut angenommen“, sagt Nelly Hemmann von den Galeries Lafayette. Wie die meisten unterstützen aber auch die Lesegeräte in dem Berliner Kaufhaus bislang nur das System von Mastercard. Durch ein Softwareupdate sollen sie in Zukunft für die Kontaktloskarten aller Anbieter aufgerüstet werden können.

Auch wenn die Verbraucher künftig sowohl mit der Kredit- als auch mit der Girokarte kontaktlos zahlen können, sind die beiden Verfahren nicht ganz identisch. So wird das Geld bei der Kreditkarte direkt vom Konto abgebucht wie bei jeder anderen Zahlung mit der Karte auch. „Dadurch kann der Kunde auch später noch nachvollziehen, wo er was bezahlt hat“, sagt Thorsten Klein von Mastercard.

Bei der Girokarte muss der Kunde dagegen erst Geld von seinem Konto auf die Karte laden, um mit ihr kontaktlos zahlen zu können. Auf dem Kontoauszug taucht nur dieser Aufladevorgang auf. Was der Kunde damit im Einzelnen wo ausgegeben hat, lässt sich im Nachhinein nicht nachvollziehen. Aufladen lassen soll sich die Karte sowohl am Geldautomaten als auch an Terminals im Handel. „Außerdem haben die Kunden die Wahl zwischen einer einmaligen Aufladung und einem Auflade-Abo“, sagt Michaela Roth vom Sparkassen- und Giroverband. Bei einem Abo wird die Karte automatisch mit Geld vom Konto aufgefüllt, sobald ein festgelegter Betrag unterschritten wurde.

Auch wenn die Karte geklaut wird, gibt es Unterschiede zwischen kontaktloser Kredit- und Girokarte. Bei der Girokarte ist das Geld, das auf der Karte gespeichert ist, dann in jedem Fall weg. „Das Guthaben auf der Karte ist wie Bargeld“, sagt Roth. Auch wer die Karte sofort sperren lässt, kann das aufgeladene Guthaben nicht retten. Wird die Kreditkarte hingegen gesperrt, können die Diebe mit ihr auch nicht mehr kontaktlos zahlen.

Gleich ob mit der Kredit- oder mit der Girokarte: Frank-Christian Pauli, Bankenreferent beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), sieht das kontaktlose Bezahlen „durchaus kritisch“. Wir müssen noch mehr über die Sicherheit der Lesegeräte erfahren, sagt er. „Und natürlich ist es auch denkbar, dass virtuelle Taschendiebe ans Werk gehen.“ Kriminelle könnten zum Beispiel im Bus oder in der U-Bahn unbemerkt mit einem Lesegerät die Daten der Karte ausspähen und sie an einen Komplizen weitergeben, der damit dann im Supermarkt einkaufen geht.

„Natürlich gibt es nie eine hundertprozentige Sicherheit“, sagt Thorsten Klein von Mastercard. Dennoch hält er die Bedenken für übertrieben. Die Diebe müssten erst einmal an eines der registrierten Lesegeräte kommen. „Außerdem gibt es Sicherheitssysteme, die verhindern, dass beliebig oft hintereinander kleine Summe kontaktlos autorisiert und abgebucht werden“, sagt Klein.

Langfristig soll das kontaktlose Zahlen auch mit dem Smartphone möglich sein. Statt die Karte muss der Kunde dann nur noch das Handy auf das Lesegerät an der Kasse legen. Mit Google Wallet, einem Bezahlsystem fürs Smartphone, befindet sich in den USA bereits jetzt so eine virtuelle Brieftasche auf dem Markt. Auch die Berliner LBB will ihren Kunden langfristig das Zahlen per iPhone und Co. ermöglichen. „Aufgrund der steigenden Verbreitung von Smartphones werden diese in Zukunft ganz selbstverständlich zum Bezahlen eingesetzt“, sagt Tilo Schürer, Leiter Direktmarketing der LBB. Zusammen mit Visa und Swiss Post Solutions will die Bank bald eine spezielle Hülle fürs iPhone rausgeben, in der eine Mikro-SD–Karte und eine kleine Antenne eingebaut sind, die das kontaktlose Zahlen ermöglichen. Ausgelöst wird die Zahlung dann über eine App.

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