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Wirtschaft: Bloß kein Plattfuß!

In der „Adlershofer Fahrradwelt“ werden vor allem leichte Räder mit pannensicheren Reifen gekauft

Der in den 90er Jahren auch in Berlin verbreitete Mountainbiker ist vom Aussterben bedroht. Monika und Henner Koepenik vermuten, dass er von Spielkonsole & Co. verdrängt wurde. Das ist einer von mehreren Trends, die die beiden Ingenieure in den 17 Jahren seit Eröffnung der „Adlershofer Fahrradwelt“ in Berlin-Treptow beobachtet haben.

Der Mountainbiker hat sein Gefährt entweder zur Jugendweihe geschenkt bekommen oder mit Anfang 20 selbst gekauft. Beides ist nunmehr die Ausnahme, aber die jungen Kunden von einst kommen teils als Familienväter wieder – und kaufen entweder Trekking- plus Kinderrad oder ein Fitness-Bike, das Mountainbike-Technik mit schmalen 28er-Reifen zu einer schnellen Fahrmaschine kombiniert. Mit der werde dann konsequent und mit Stoppuhr zur Arbeit geradelt, berichtet Monika Koepenik. 500 bis 700 Euro koste das Gros der Fitnessbikes.

Wer nicht auf gezieltes Training aus ist, wolle meist dreierlei: Als ersten Wunsch nennen vor allem Frauen, dass ihr neues Rad möglichst leicht sein soll. Insofern ist nicht nur der Trend zu immer dickeren Rohren gestoppt, sondern gezieltes Abspecken angesagt. So sind Federgabeln zumindest bei Damen-Tourenrädern wieder auf dem Rückzug: „Der Verzicht spart 1,5 Kilo und ist bei aufrechter Sitzposition kaum zu merken“, sagt Koepenik und merkt an, dass Billigfederungen mit ihrer Abstimmung auf 70 bis 90 Kilo schwere Fahrer vielen Frauen ohnehin nichts nützten. Deshalb profitierten eher Männer, zumal die oft sportlichere Sitzpositionen bevorzugten und entsprechend mehr Gewicht über die Hände abstützten.

Ergänzt wird der Komfort über gefederte Sattelstützen, die – sofern einstellbar und gegen Nachschwingen gedämpft – zum sinnvollen Standard geworden sind. Dagegen sind vollgefederte Rahmen noch immer schwer und schaukelig.

Der Komfort ist Kundenwunsch Nummer zwei im Fachgeschäft der Koepeniks – und Feind von Nummer eins, der Leichtigkeit. Allerdings zählt auch Zuverlässigkeit dazu. Wegen einer Glasscherbe auf dem Radweg mit einem Platten hängen zu bleiben, empfindet Monika Koepenik als Verstoß gegen die Menschenwürde. Entsprechend erfolgreich verkauft sie pannensichere Reifen: Der Platzhirsch „Schwalbe Marathon“ für 20 Euro ist das Minimum, aber immer mehr Kunden lassen sich die Pannensicherheit mehr kosten: Mit dem extrem dickwandigen „Marathon Plus“ (30 Euro) oder dem „Marathon XR“ für rund 40 Euro, der in den 90ern als Spezialität für Weltumrunder auf den Markt kam und nun auch Alltagsradler sorglos durch Scherbenhaufen fahren lässt. „Kollegen haben uns schon für blöd erklärt, weil wir den Kunden ja dann so schnell keine neuen Reifen mehr verkaufen können“, sagt Monika Koepenik, „aber ich finde das nicht blöd, sondern kundenfreundlich. Außerdem brauchen die Leute ja auch mal eine neue Lampe.“

Womit der dritte Wunsch genannt ist: helles Licht. Der superhelle zweistufige LED-Strahler für 98 Euro wird neuerdings ebenso gern gekauft wie Nabendynamos, für die beim Nachrüsten allerdings das ganze Vorderrad ausgetauscht werden muss. „Eigentlich müsste jedes Rad einen haben“, findet die Händlerin.

Die alte Frage, wie viel ein gutes Fahrrad kosten muss, beantwortet sie so: „Räder für 200 Euro verkaufen wir lieber gar nicht erst. Der Qualitätssprung von 300 auf 400 Euro ist enorm, und Vielfahrer sollten mindestens 500 Euro ausgeben. Außerdem hat man oft die Alternative, sich einen Tag lang über 50 zusätzlich ausgegebene Euro zu ärgern – oder jahrelang darüber, dass man sie an der falschen Stelle gespart hat.“ Stefan Jacobs

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