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Harald Krüger. Foto: picture-alliance/Tobias Hase

© picture-alliance / Tobias Hase

BMW-Personalchef im Interview: „Auch Frauen haben Benzin im Blut“

„Pauschale Quoten werden der differenzierten Situation in den Branchen nicht gerecht“: BMW-Personalvorstand Harald Krüger über weibliche Führungskräfte und eine neue Arbeitskultur.

Herr Krüger, wann wird der erste Automobilkonzern von einer Frau geführt?

Da möchte ich keine Prognose wagen. Jahrzehnte wird es sicher nicht dauern. Aber ob Frau oder Mann – der oder die Beste sollte an der Spitze stehen.

Wie hoch ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei BMW?

In der BMW AG, also in Deutschland, sind es neun Prozent. In der BMW Group weltweit mehr als zehn Prozent.

Als Zielmarke für die deutschen Standorte haben Sie sich 15 bis 17 Prozent gesetzt. Familienministerin Kristina Schröder wünscht sich eine Verdreifachung.

Wir haben für unsere Branche schon jetzt einen extrem hohen Anspruch, weil 75 Prozent unserer Beschäftigten in Deutschland arbeiten, vor allem in der Produktion und Entwicklung. Im Ausland, wo wir viele Vertriebs- und Marketinggesellschaften oder Finanzdienstleistungen haben, ist der Frauenanteil höher. Die Situation in einem Automobilkonzern ist sehr differenziert. Im Personalwesen liegt der Frauenanteil auf der Führungsebene schon heute bei 30 Prozent, in der Entwicklungsabteilung sind es weniger als zehn Prozent.

Die Regierung schließt eine feste Frauenquote nicht aus, wenn die Unternehmen ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen.

Pauschale Quoten werden der differenzierten Situation in den Unternehmen und Branchen nicht gerecht. Nehmen Sie beispielsweise einen Versicherungskonzern. Da liegt der Frauenanteil in der Gesamtbelegschaft bei rund 50 Prozent, auf der Führungsebene bei rund 30 Prozent. Da müsste bei einer pauschalen Quote in den kommenden Jahren ja kaum mehr etwas passieren. Ist das richtig so?

Frau Schröder hat ja zunächst eine nach Branchen differenzierte flexible Quote vorgeschlagen.

Aber nur für Vorstand und Aufsichtsrat. Was passiert im Rest des Unternehmens? In Norwegen hat man vor einigen Jahren eine Frauenquote von 40 Prozent im Aufsichtsrat vorgeschrieben. Auf der mittleren und oberen Führungsebene hat sich in der Industrie aber wenig getan. Wir sind an einer nachhaltigeren Entwicklung interessiert – auf allen Ebenen des Unternehmens.

War der politische Druck dennoch nötig, um die 30 Dax-Konzerne beim Thema Frauen in Schwung zu bringen?

Die 30 Dax-Unternehmen haben sich auf eine gemeinsame Position zum Thema Frauen in Führungspositionen verständigt – obwohl ihre jeweilige Situation sehr unterschiedlich ist. Das gab es vor dem Gipfel so nicht. Da hat auch die politische Initiative sicher geholfen. Bis Ende 2011 werden alle Unternehmen ihre eigenen Zielsetzungen festlegen und veröffentlichen. Diese Selbstverpflichtung nehmen wir sehr ernst, so wie wir beispielsweise auch die Selbstverpflichtung der europäischen Autohersteller zur CO2-Reduktion ernst nehmen und als einziger Hersteller erfüllt haben. Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit nachprüfen und vergleichen kann, wer vorankommt – und wer nicht. Ende 2011 müssen dann alle veröffentlicht haben.

Und wenn nicht?

Der gesellschaftliche und politische Druck wird wachsen. Glaubwürdig werden die Unternehmen nur sein, wenn sie transparent berichten, wo sie gerade stehen. Aber auch der interne Druck steigt. Der Mangel an Top-Talenten wird diesem Prozess eine eigene Dynamik geben – viel stärker als in der Vergangenheit. Wenn wir 2015 kein attraktiver Arbeitgeber für Frauen in Führungspositionen sind, dann wird die Ingenieurin oder die Programmiererin nicht zu uns kommen, sondern zu einem Wettbewerber gehen.

Der Festlegung von festen CO2-Grenzwerten für die Autoindustrie in Europa gingen viele Jahre Lobbyarbeit voraus. Rechnen Sie beim Thema Frauenquote auch damit?

Es wird noch eine Menge Aufklärungsarbeit auf uns zukommen. Rund 65 Prozent unserer Führungsfunktionen erfordern einen technischen Background, in der Entwicklung, Produktion oder im technischen Vertrieb. Für diese Bereiche gibt es einfach nicht genug Hochschulabsolventinnen. Die Zahl der Abschlüsse steigt zwar, aber sie ist verglichen mit den Geistes- oder Wirtschaftswissenschaften, wo der Frauenanteil bei mehr als 50 Prozent liegt, immer noch sehr klein.

Muss der Staat mehr tun?

Die Verantwortung liegt zunächst beim Staat. Wir brauchen mehr Kitaplätze und mehr Studienplätze in den Ingenieurswissenschaften. Aber das wird nicht reichen. Die Unternehmen müssen ihrerseits aktiver werden. Die Arbeitskultur muss sich ändern. Wir gehen schon heute in die Schulen, wir fördern Studentinnen oder Doktorandinnen in technischen Fakultäten und in der berufsbegleitenden Qualifizierung.

Eine 70-Stunden-Woche ist für viele weibliche Führungskräfte mit Kind unattraktiv.

Als Führungskraft geht es zuallererst um wirksame Ergebnisse und nicht um zeitliche Anwesenheitspflicht. Wir brauchen hierfür auch eine Veränderung der Unternehmenskultur. Vieles ändert sich auch, weil eine andere Generation in Führungspositionen rückt. Wir haben heute viel mehr Männer, die in Elternteilzeit gehen.

Lässt sich eine Unternehmenskultur so schnell ändern? Wie beschleunigt BMW diesen Prozess?

Wir diskutieren das Thema seit 2009 und haben 2010 ein eigenes Modell in die Wege geleitet. Für unsere Führungskräfte gibt es zum Beispiel drei Gehaltsbestandteile: ein monatliches Entgelt, eine am Unternehmenserfolg orientierte Tantieme und eine persönliche Tantieme. Ab 2011 beginnend bemisst sich letztere auch daran, ob es einer Führungskraft gelungen ist, dem BMW-Ziel näher zu kommen, 15 bis 17 Prozent der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.

Sind Männer-Netzwerke in der Autoindustrie, in der die „Car-Guys“ mit „Benzin im Blut“ das Sagen haben, undurchlässig?

Auch Frauen haben Benzin im Blut. Der neue Z4 ist von zwei Frauen designt worden, obwohl es ein sehr sportliches, maskulines Auto ist. Entscheidend ist die Faszination für das Produkt – egal ob von einer Frau oder einem Mann. Es gibt bei BMW übrigens auch Frauen-Netzwerke, die wir aktiv fördern.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer.

ZUR PERSON

DER MANAGER

Harald Krüger (45) ist seit Ende 2008 Personalvorstand bei BMW. Nach einem Maschinenbau-Studium begann der gebürtige Freiburger 1992 bei dem Autohersteller als Trainee im Bereich Technische Planung. Nach Stationen in den BMW-Werken in den USA und in Großbritannien – hier leitete er die Motorenproduktion in Hams Hall – war Krüger vor seiner Tätigkeit im Vorstand Leiter des Bereichs Technische Integration. Krüger ist verheiratet und hat drei Kinder.

DER KONZERN

Die BMW-Group mit den Marken BMW, Mini und Rolls-Royce beschäftigte Ende 2010 weltweit knapp 95 500 Mitarbeiter.

Im laufenden Geschäftsjahr will der Hersteller erstmals mehr als 1,5 Millionen Autos verkaufen.

Alle seine Motorräder (2010: 110 000) produziert BMW in seinem Werk in Berlin- Spandau. Dort sind rund 1900 Mitarbeiter beschäftigt.

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