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Wirtschaft: Bodennahe Eierpreise

Mit seinem neuen Billigangebot erfreut Aldi die Verbraucher – aber Erzeuger drohen mit Abwanderung

Berlin - Für Frühstücksei-Esser könnten die Zeiten nicht besser sein – selten waren Eier so billig. Seit Aldi-Nord vor knapp einer Woche begonnen hat, das 10er Pack aus Bodenhaltung für 69 Cent zu verscherbeln – nicht einmal die Hälfte des bisherigen Durchschnittspreises –, rutschen die Preise auch bei der Konkurrenz in den Keller: Kaufland senkte den Kartonpreis vor dem Wochenende ebenfalls auf 69 Cent (statt bisher 1,59 Euro), Discounter-Konkurrent Plus experimentiert derzeit in Süddeutschland mit dem 10er Karton Bodeneier für 99 Cent. Und auch andere Einzelhändler wie Tengelmann und Kaiser’s denken nach Angaben einer Sprecherin darüber nach, die Eierpreise zu senken.

Eine Reaktion, die Experten nicht überrascht. „Wenn Aldi mit den Preisen runtergeht, ziehen die anderen nach“, prophezeit Werner Böttcher von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle der Landwirtschaft (ZMP) in Bonn. Was Verbraucher freut, verärgert die Eierproduzenten.Viele tragen sich mit dem Gedanken, nach Osteuropa auszuwandern – weil die Kosten dort billiger sind.

Die Marktmacht von Aldi ist enorm: Von den mehr als 17 Milliarden Eiern, die nach Angaben des Bundesverbandes Deutsches Ei (BDE) in Deutschland pro Jahr verzehrt werden, verkauft der Discounter – der Branchenkreisen zufolge aber auch in Holland einkauft – bis zu einem Drittel. Der führt zu einem enormen Druck auf die Zulieferer: „Wenn die Alternative heißt: Entweder du lieferst billiger oder gar nicht, treibt das einem Lieferanten schon die Schweißperlen auf die Stirn“, BDE-Geschäftsführer Siegfried Hart. „Wir sind vom Wohlwollen der Einkäufer abhängig“, klagt Gert Stuke, Generalbevollmächtigter des größten deutschen Eier-Produzenten Deutsches Frühstücksei. Er versorgt fast alle Einzelhändler – außer Aldi. Wenn die Preise so blieben, sagt er, könnten die Lieferanten bald die Futterkosten nicht mehr bezahlen.

Bislang zahlten Verbraucher für einen 10er Karton Eier aus Bodenhaltung im Bundesdurchschnitt (Juli) 1,69 Euro. Damit konnten die Produzenten nach eigenen Angaben gut leben, mit dem neuen Billigpreis dagegen nicht mehr. „Wenn Aldi den Karton für 69 Cent verkauft“, sagt Thomas Kuehn, Sprecher vom Zentralverband Eier, „dann hat der Händler pro Ei effektiv 1,3 Cent dazugelegt – so billig kann niemand produzieren.“ Weil das auf Dauer kein Produzent aushalte, würden sich viele Erzeuger überlegen, auf Standorte in Osteuropa auszuweichen, sagt Kuehn. „Früher hat man in Polen und Tschechien gesucht, jetzt in Ländern weiter östlich, um die Produktion zu verlagern." Für Produzenten, sagte er, rechne es sich nicht, ein Ei aufwändig in Bodenhaltung zu produzieren, das am Ende so viel koste wie das ein Viertel billiger produzierte Käfigei.

„Ein fatales Signal“, meint auch Jutta Jaksche von der Verbraucherzentrale Bundesverband. „Beim Verbraucher entsteht der falsche Eindruck, dass hochwertige Produkte zu Billigpreisen herstellbar sind.“ Damit werde jede Qualitätsoffensive untergraben.

Die Billigpreise sind nicht nur Folge einer rigiden Einkaufspolitik der Discounter, sondern auch Nachwirkung der Geflügelpest, die holländische Halter im vergangenen Jahr zwang, Teile ihrer Bestände zu vernichten. Weil plötzlich zu wenig Eier auf dem Markt waren, stiegen die Preise im zweiten Halbjahr 2003 exorbitant an. Auch viele Hähnchenmastbetriebe nutzten die Krise, um auf Eierproduktion aus Bodenhaltung umzustellen, auch wenn die Käfighaltung EU-weit erst ab 2012 verboten ist. Schnell war das Angebot zu groß, die Preise erreichten nach ZMP-Angaben im Mai 2004 einen Tiefpunkt. Ein Überangebot gibt es noch immer. Davon profitiert jetzt der Handel.

Ob die Preise weiter so niedrig bleiben, hängt nach Einschätzung von Frühstücksei-Mann Stuke vom Widerstand der Erzeuger ab. Der größte Anbieter hat bislang durchgehalten. „Ich selbst“, sagte er, „würde zu diesem Preis nicht liefern.“

Maren Peters

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