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Lavadecke. Die LED-Beleuchtung der Kabinendecke hat eine deutsche Firma entwickelt.

© Rainer W. During

Boeing 787: Knallbunter Start mit dreieinhalb Jahren Verspätung

Die neue 787 ist leise, bietet mehr Platz und hat größere Fenster. Air Berlin plant den Einsatz des sogenannten Dreamliners ab 2014. Bei Boeing ist man nicht nur zufrieden, sondern vor allem erleichtert.

Jim Berducci hat sich vertan. Das war sein Glück. Eigentlich wollte der Amerikaner maximal 22.000 Dollar für einen der sechs Businessclassplätze auf dem ersten Passagierflug der neuen Boeing 787 bieten. „Doch dann habe ich mich vertippt und 200.000 Dollar eingegeben“, sagt der Mann aus Miami, der dem Erstfliegerclub „First to fly“ angehört. Den Zuschlag bekam er für 31.781 Dollar. Zufrieden ist er vor dem Flug von Tokio nach Hongkong trotzdem. Das Geld ist für einen guten Zweck – und dabei sein ist alles.

Bei Boeing ist man nicht nur zufrieden, sondern vor allem erleichtert. Gelöst wedelt Scott Fancher, projektverantwortlicher Vizepräsident bei Boeing, vor dem Flug mit seiner Bordkarte und seufzt: „Darauf habe ich lange gewartet.“ Nicht nur er, auch Shinichiro Ito. Der Chef der japanischen Luftverkehrsgesellschaft ANA hatte bereits 2004 als Erstkunde gleich 55 der damals nur auf dem Reißbrett existierenden Jets bestellt. Im Mai 2008 sollte er seinen ersten „Dreamliner“ erhalten, doch bei Boeing und den zahlreichen Zulieferfirmen hatte man die Herausforderungen der völlig neuen Technologie unterschätzt. Die 787 gilt als Vorreiter für eine neue Generation von Verkehrsflugzeugen, die bei der Umweltfreundlichkeit ebenso wie beim Passagierkomfort Maßstäbe setzen sollen. Die 787 wird – anders als ihre Vorgänger – nicht aus Aluminiumteilen zusammengenietet, sondern besteht aus großen Elementen aus Kohlefaserverbundstoffen.

Doch aller Streit über die mehr als dreijährige Verspätung war beim Start am Mittwoch vergessen, als die Offiziellen traditionsgemäß ein Fass Sake anschlugen und die ersten Passagiere die Kabine betraten. Im Innern der deutlich höheren, hell beleuchteten Kabine herrscht keine Spur von der in Fliegern sonst üblichen Enge. Die geschwungenen Gepäckfächer lassen auch über den Sitzen ausreichend Platz, so dass sich niemand mehr beim Aufstehen den Kopf stößt. Die Fenster sind mit einer Höhe von 48 Zentimetern ein Drittel größer als in herkömmlichen Jets und lassen sich per Knopfdruck elektronisch dimmen, bis sie ganz dunkelblau sind.

Als die Flugkapitäne Yuichi Marui und Masama Tsukamoto die von Rolls-Royce gebauten Trent-1000-Triebwerke beschleunigen, wird es kaum lauter an Bord. Sofort entbrennt unter den mitfliegenden Experten die Diskussion, ob der Konkurrenzflieger von Airbus, der gigantische A 380, noch leiser oder doch lauter ist. Über ihnen strahlt die Decke dank der LED-Beleuchtung der deutschen Firma Diehl ebenso blau wie der Himmel von Tokio. Später schimmert sie dann in allen Regenbogenfarben.

Am beeindruckendsten an Bord ist jedoch die Luft. Weil diese in den üblichen Reiseflughöhen von zwölf bis 13 Kilometern zu dünn zum Atmen ist, muss sie befeuchtet und komprimiert werden. Dem waren bei Aluminiumfliegern wegen drohender Materialermüdung und Korrosion Grenzen gesetzt. Deshalb entspricht der Kabinendruck herkömmlicher Jets im Reiseflug noch immer einer alpinen Höhe von 2400 Metern, und die Luftfeuchtigkeit ist auf für Menschen eher unangenehme fünf Prozent begrenzt. Beim Kunststoffdreamliner entspricht der Luftdruck einer Höhe von nur 1800 Metern, die Luftfeuchtigkeit wurde auf 15 Prozent erhöht. Außerdem wurden Zusatzfilter eingebaut, die nicht nur Bakterien und Viren, sondern auch natürliche Duftstoffe eliminieren. Und tatsächlich, die üblichen Beschwerden in Nase und Rachen bleiben aus.

Rund ein Drittel der „Nana Hachi Nana“, wie die 787 auf Japanisch heißt, wird im Land der aufgehenden Sonne gebaut. So spricht man dort stolz von einem Jet „made with Japan“ und der erste Passagierflug galt, nachdem Erdbeben und Atomunfall das nationale Selbstbewusstsein schwer angekratzt haben, auch ganz besonders als ein Leistungsbeweis der japanischen Industrie.

Mehr als 800 Dreamliner hat Boeing bereits in den Auftragsbüchern. Ab dem 21. Januar soll die 787 auch die Route Tokio – Frankfurt fliegen. Einziger deutscher Kunde ist bisher Air Berlin, wo man den Einsatz ab 2014 plant.

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