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Wirtschaft: Börse: "Börsianer müssen sich weiterhin warm anziehen"

Norbert Walter hatte erst zum Monatsende mit einer Zinssenkung durch die amerikanische Notenbank gerechnet.Herr Walter, hat Sie die Zinssenkung in den USA überrascht?

Norbert Walter hatte erst zum Monatsende mit einer Zinssenkung durch die amerikanische Notenbank gerechnet.

Herr Walter, hat Sie die Zinssenkung in den USA überrascht?

Der Zeitpunkt schon, aber nicht das Ausmaß. Ich hatte eigentlich erst für Ende des Monats mit einer Zinssenkung gerechnet.

Ist der Schritt ein Indiz dafür, dass die Gefahr einer harten Landung in den USA größer ist als bisher angenommen? Hat US-Notenbank-Chef Alan Greenspan sozusagen die Notbremse gezogen ?

Das ist keine Notbremse, das ist ein normaler Zinsschritt. Aber Greenspan ist zweifellos besorgt. Andererseits sieht er, dass die latente Inflationsgefahr auch wegen der sinkenden Ölpreise nicht mehr existiert.

Aber ungewöhnlich ist die Entscheidung. Zuletzt hat die US Notenbank Fed während der Asienkrise zwischen zwei regulären Sitzungen die Geldpolitik gelockert.

Sicherlich. Deshalb wurden Analysten und Märkte sichtlich überrascht.

Ist die Fed möglicherweise mit ihren sechs Zinserhöhungen seit November 1999 zu weit gegangen?

Nein. Die Euphorie, die sich in den wirklich überhöhten Aktienkursen insbesondere am Neuen Markt dokumentiert hat, erforderte Signale der Geldpolitik. Die Notenbanken mussten die Märkte zur Räson bringen.

Was bedeutet die US-Zinssenkung für Europa? Ist Sie gut oder schlecht für die Konjunktur hier zu Lande?

Sie ist gut nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt. Sie zeigt, dass die Amerikaner handlungswillig und handlungsfähig sind. Die Chancen stehen gut, dass die Weltwirtschaft nach einer kurzen Delle wieder Fahrt aufnimmt.

Muss oder wird die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer Zinssenkung ihrerseits nachziehen? Teilen Sie die Ansicht, dass die EZB die Zinszügel zu stark angezogen hat?

Die Zinsen in Europa sind derzeit genau richtig. Ich teile ausdrücklich nicht die Analyse des DIW, dass die EZB zu restriktiv agiert. Allerdings hätte die EZB ihren Referenzwert für das Wachstum der Geldmenge für das laufende Jahr etwas großzügiger gestalten können. Die Neue Ökonomie erhöht schon jetzt das Wachstumspotenzial in Europa. Dafür muss die notwendige monetäre Basis bereitgestellt werden. Die EZB war aber so klug, auf die Überschreitungen des Referenzwertes im vergangenen Jahr nicht mit weiteren Zinserhöhungen zu reagieren.

Aber sie rechnen auf Sicht mit Zinssenkungen?

Nicht in Europa. 4,75 Prozent in Europa sind in Ordnung und angemessen für eine Situation, in der die Inflationsrate die Zwei-Prozent-Marke noch nicht wieder unterschritten hat. Die langfristigen Zinsen in Europa sind ohnehin ausgesprochen niedrig und passen zu unserer wirtschaftlichen Entwicklung.

Also keine Zinssenkung in diesem Jahr?

Walter: 4,75 Prozent sind angemessen für 2001.

Welche Schritte sind für eine weitere Stützung der Konjunktur hier zu Lande noch erforderlich? Reformen, Steuern und so weiter?

Europa muss endlich wieder Europa werden und seinen Integrationswillen dokumentieren. Die Kleinkariertheiten in Paris und Berlin müssen ein Ende haben. Hoffentlich machen die Schweden und Belgier während ihrer EU-Präsidentschaft in diesem Jahr richtig Dampf. Hier zu Lande muss die geplante Regulierung des Arbeitsmarktes entschieden bekämpft werden. Sie wäre schädlich. Die Reform der Altersversorgung muss endlich vorankommen und der Einstieg in den Umstieg auf die kapitalgedeckte Altersvorsorge umgesetzt werden.

Wie bewerten Sie generell die Aussichten für die Konjunktur in Euroland?

Auch mit der Delle in den USA, die hier zu Lande spürbar werden wird, können wir in diesem Jahr ein Wachstum von 2,5 bis drei Prozent schaffen. Auch auf Grund der derzeit günstigen Zinsen und wegen der seit Jahresanfang wirksamen Steuersenkungen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern Europas.

Was bedeutet die Zinssenkung in den USA für den Euro? Wird er jetzt wieder schwächer?

Nein. Dafür gibt es keine Logik. Wenn die Zinsen in Europa bleiben, wo sie sind, und wenn sie in den USA sinken, ist das ein weiteres Argument für einen stärkeren Euro.

Ist die Zinssenkung eine Stütze für den Aktienmarkt? Wie sehen Sie die weitere Entwicklung an der Börse? Geht es wieder aufwärts?

Prinzipiell wird es helfen, wie die erste Euphorie an der Börse nach der Zinsentscheidung am Mittwochabend gezeigt hat. Wenn die Finanzierung günstiger wird, gibt es wieder Chancen für steigende Aktienkurse. Aber wer die Kursexplosion an der US-Technologie-Börse Nasdaq am Mittwoch als Trendwende für neue Höhenflüge einstuft, sollte vorsichtig sein. Börsianer müssen sich weiter warm anziehen und mit Handschuhen und Wintermantel herumlaufen. Es gibt noch kalte Tage an der Börse.

Herr Walter[hat Sie die Zinssenkung in den USA &u]

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