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Wirtschaft: Börsenfieber: Billig ist nicht preiswert

Freitag für Freitag schreiben auf dieser Seite unsere Kolumnisten über ihr Leben mit den Kursen. Nächste Woche: unser Heißsporn.

Freitag für Freitag schreiben auf dieser Seite unsere Kolumnisten über ihr Leben mit den Kursen. Nächste Woche: unser Heißsporn. Er handelt täglich an der Börse und erklärt, warum er ohne dieses Risiko nicht mehr leben will.

Geld mit Aktien zu verdienen ist ganz einfach. Man kauft sie billig und verkauft sie teuer. Die Differenz ist, abgesehen von den Bankspesen und der eventuellen Steuer, der wohlverdiente Lohn für den Mut des Anlegers. So dachte auch Herr Professor Gert H. aus M. und orderte im Spätherbst letzten Jahres einen ordentlichen Posten Daimler-Chrysler-Aktien über seine Hausbank. Beraten lassen wollte der Herr Professor sich nicht, schließlich nimmt er sich nach seinem zehn Stunden Arzt-Arbeitstag noch ausreichend Zeit für das Studium von einschlägigen Wirtschafts-Magazinen. Dort war nachzulesen, wie billig die Daimler-Chryser seinerzeit zu haben waren. Über 100 Euro hatten die Aktien vor Jahresfrist noch gekostet, er konnte sie jetzt zu 70 Euro ergattern.

Einen professionellen und neutralen Vermögensverwalter wollte Professor H. für seine finanziellen Belange auch nicht engagieren, die wollen doch nur an sein sauer verdientes Geld. Alle benötigten Informationen bekam er von Freunden oder aus der Presse. Allerorts wurde sein ausgewähltes Unternehmen ob der globalen Strategien sowie des professionellen Managements gelobt. Denn auf das Management kommt es an. Die Konzernlenker müssen schon eine gute Reputation haben, man muss etwas über sie in den Zeitungen lesen können. Dann kann man sicher sein: Solchen Leuten kann man sein Geld anvertrauen. Mit denen kann man Geld verdienen.

Immer hatte er nur über Aktien gelesen, nie selbst welche besessen. Endlich konnte er mitreden. Er hatte sein Geld ausschließlich in Immobilien investiert und sich dafür Häme bei Freunden und Kollegen eingeholt. Schon nach wenigen Tagen stiegen seine billig erworbenen Daimler-Aktien steil bis auf 77 Euro an und damit wuchs auch der Stolz des Besitzers. So macht man das mit Aktien.

Leider ging es dann mit dem Kurs bergab. Von Tag zu Tag schmolz des Professors Geld dahin. Er konnte aber von seiner glorreichen Idee der billigen Aktie nicht lassen. Irgendwie muss man doch auch mit Aktien Geld verdienen können, und zwar schnell.

Nach einem verlorenen Tennismatch im Frühjahr schnappte er in der Sauna Gespräche vom ganz großen Geld auf. EM.TV wolle in den Motorsport eingestiegen. 50 Prozent der Formel 1 Rechte sollen für den nötigen Schub auf dem Kurszettel sorgen. Die Aktie lag damals bei 90 Euro, 30 Euro unter ihrem Höchstkurs. Das reichte dem Neuaktionär aber nicht, er wollte warten, bis sie richtig billig wurde. Diesmal wollte er es besser machen. Eines morgens schlug er dann zu. Früh erteilte er per Handy Order. Diskrete Angelegenheiten macht er immer per Handy. Schon wegen der Neidgefühle seines Sekretariats. Nicht mal seine Frau wusste von diesem genialen Coup. Er wollte sie mit einer Luxusreise überraschen. Bei 60 Euro kaufte er eine anständige Stückzahl. 50 Prozent unter Höchstkurs! Die brauchen überhaupt nicht zu steigen dachte er, es ist mir genug, wenn die ihren alten Kurs von 120 wiedersehen. Das würde auch reichen, die Daimler-Verluste vergessen zu machen.

Noch heute hält er beide Aktien. Die Reise wurde nicht angetreten. Daimler hat nach seinem Kauf über 30 Prozent abgegeben, EM.TV über 60 Prozent. Das war eine sehr teure Lektion für Professor H: Man kauft keine billigen Aktien. Die preiswerten sorgen für Vermögen. Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt. Die stehen im Telefonbuch.

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