zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Börsenfieber: Der Heisssporn: Kaufen und immer wachsam bleiben

Freitag für Freitag schreiben abwechselnd unsere Kolumnisten über ihr Leben mit den Börsen. Der Heißsporn, der ohne die tägliche Hektik nicht leben kann.

Freitag für Freitag schreiben abwechselnd unsere Kolumnisten über ihr Leben mit den Börsen. Der Heißsporn, der ohne die tägliche Hektik nicht leben kann. Der Outsider, der die Macht der Börse im Alltag beobachtet. Der Zauderer, der den Aktienkauf bis heute nicht wagt. Und der Abgeklärte, der sich nie aus der Ruhe bringen lässt.

Als Börsenaltmeister André Kostolany Ende 1996 anlässlich der Börseneinführung der Deutschen Telekom zu Gast in einer TV-Sendung war und gefragt wurde, was er denn von der neuen "Volksaktie" halte, lautete sein Rat: Kaufen, hinlegen und Schlaftabletten nehmen. Wer dann nach einigen Jahren aufwache, so Kostolany, werde sich bestimmt über einen schönen Gewinn freuen können.

Wer auf Kostolanys geflügeltes Wort vertraute, hat bis heute mit der Telekom nicht mehr verdient als mit einer Staatsanleihe. Und mit der hätten Anleger auch ohne Schlafmittel ruhig schlafen können. Über den Spruch mit den Schlaftabletten haben wir Trader ohnehin schon immer gelacht. Wir glauben nun einmal, dass der Börsenerfolg nur im Moment liegt: Schnell kaufen, und schnell wieder abstoßen. Trader wollen spätestens am selben Abend noch wissen, ob sie Geld gemacht haben oder nicht - und nicht erst nach fünf Jahren.

Sicher, mit dieser Einstellung wirft man uns vor, wir würden die Börse mit einem Casino verwechseln und hätten vom "Anlegen" keine Ahnung. Aber neuerdings gibt uns sogar die Wissenschaft Recht: Kürzlich berichtete die "Financial Times" von einer Langzeitstudie, die am Beispiel des britischen Aktienmarktes - immerhin der zweitgrößte nach der Wall Street - aufzeigt, dass die langfristige Aktienanlage weit weniger profitabel ist als gemeinhin angenommen. Der Grund: Oft zitierte Aussagen wie "Aktien steigen langfristig zehn Prozent im Jahr" sind in den beiden letzten Jahrzehnten des ausgehenden 20. Jahrhunderts entstanden.

Betrachtet man die Börse aber seit 1825, wie die Studie es tut, sieht man, wie außergewöhnlich die Performance insbesondere in den neunziger Jahren war. Wer in dieser Periode investierte, hat in der Tat gutes Geld gemacht mit einer simplen "Buy-and-Hold"-Strategie, also dem Kaufen und Halten von Aktien. Jeder mögliche Anlagezeitraum von 25 Jahren seit 1825 hat im Schnitt aber nur - setzen Sie sich jetzt lieber hin - ein Prozent Rendite im Jahr gebracht - inflationsbereinigt, wohl gemerkt. Oft waren nur Verluste drin - bei 25 Jahren Anlagedauer!

Beständiger Profit, so die Studie weiter, sei folglich nur mit kurzfristigem Trading möglich: Nach starken Kurseinbrüchen hätte man immer wieder auf Erholungsrallyes setzen können, die teilweise nur kurz, oft aber auch mehrere Jahre angehalten hätten. Aber kaufen und halten, so das für die Anleger traurige Fazit der Studie, gehöre mit dem Ende der letzten Boomphase definitiv der Vergangenheit an. Wenn man an der Börse also nur noch als Trader Geld verdienen kann, muss man Kostolanys geflügeltes Wort wohl etwas abwandeln: Statt kaufen und Schlaftabletten nehmen, heißt es dann: Kaufen und Koffeintabletten nehmen! Denn als Trader gilt es, wach zu sein, um seine Position stündlich, ja minütlich aufmerksam beobachten zu können. Aber nach einem erfolgreichen Handelstag schläft es sich des nachts dann umso besser.

Stefan Müller

Zur Startseite