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"Es herrschen Angst und Verunsicherung. Auch in Deutschland behalten die Anleger ihr Geld lieber in der eigenen Kasse", sagt Börsenexperte Joachim Goldberg.

© dpa

Börsenkrise: „Eine Art kollektiver Kontrollverlust“

Der Börsenexperte Joachim Goldberg warnt vor Panikmache an der Börse und sagt, dass es keinen eindeutigen Grund für die neuesten Turbulenzen gibt.

Herr Goldberg, die Aktienkurse sind wieder auf Talfahrt. Wo liegen die Gründe?

Im Prinzip gab es keinen erkennbaren Grund. Hinweise auf eine angeblich falsch eingegebene Großorder erwiesen sich als falsch. Faktisch aber trägt das Geschehen panikartige Züge, auch bei großen Anlegern. Wir erleben eine Art von kollektivem Kontrollverlust. Dazu kursieren zum Teil wilde Gerüchte und Verschwörungstheorien, die sofort zu neuer Verunsicherung führen. Viele Händler und Anleger sind schockiert über die Entwicklung der vergangenen beiden Wochen. Die Stimmung ist schlecht.

Was bedeutet das für die nächste Zeit?

Nicht wenige machen sich Sorgen. Auch wenn es weit hergeholt und übertrieben ist: Man hört schon wieder von Vergleichen mit der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Sicher ist: Niemand weiß, wann die Turbulenzen zu Ende sind. Manche Börsianer sagen, es geht im Dax noch auf 4800 oder gar 4300 Punkte runter. Seriös sind solche Prognosen nicht.

War es eine trügerische Annahme, dass die Krise von 2008 schon überwunden war?

Vieles erinnert in diesen Tagen an das Geschehen vor drei Jahren. Auch die Unsicherheit mit Blick auf die Banken ist wieder deutlich gestiegen.

Aber Geld ist doch eigentlich da. Angaben der US-Notenbank zufolge halten amerikanische Firmen rund 2000 Milliarden Dollar in ihren Kassen – so viel nie zuvor.

Das Geld ist in der Tat da. Aber es herrschen Angst und Verunsicherung. Auch in Deutschland behalten die Anleger ihr Geld lieber in der eigenen Kasse. Es wird nicht in Finanzanlagen investiert. Möglicherweise bremst die Verunsicherung bald auch die realen Investitionen.

Was sollen Kleinanleger machen?

Was für eine Frage! Glücklicherweise sind viele nicht dabei, weil sie Aktien schon 2008 den Rücken gekehrt haben. Wer noch investiert, für den ist es zu spät, jetzt raus zu gehen. Wenn er breit gestreut in verschiedene Anlageklassen investiert hat, dann sieht es nicht so dramatisch aus. Und wer in Zeiträumen von zehn oder 20 Jahren denkt, liegt mit Aktien nicht falsch. Allerdings sollte sich jeder Anleger eine Grenze setzen: Bis hierhin und nicht weiter. Auch Goldkäufe stellen mittlerweile aufgrund des hohen Preises eine hohe psychologische Hürde dar. Letztlich verschont die Krise aufgrund der engen Vernetzung keinen Bereich des Finanzmarktes. Alles hängt mit allem zusammen.

Joachim Goldberg ist Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Cognitrend, Börsenpsychologe und Autor des Blogs blognition.de.

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