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Wirtschaft: Bonn streitet über die Arbeitslosenzahlen

BERLIN (uwe/jhw).Bis zum Jahresende soll die Zahl der Arbeitslosen um mindestens 300 000 niedriger sein als im Vorjahr.

BERLIN (uwe/jhw).Bis zum Jahresende soll die Zahl der Arbeitslosen um mindestens 300 000 niedriger sein als im Vorjahr.Das meldet das Bundeswirtschaftsministerium in seinem neuen Konjunkturbericht."Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft strahlt auf den Arbeitsmarkt aus." Im Juli könne es allerdings noch einmal zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen.Der Vorsitzende der sogenannten Fünf Weisen widersprach gegenüber dem Tagesspiegel der Aussage, es gebe eine grundlegende Tendenzwende am Arbeitsmarkt.

Die neuerliche Zunahme der Arbeitslosenzahl, die jetzt zu erwarten sei, ist nach Angaben des Wirtschaftsministeriums rein saisonbedingt.Zum Quartalsende im Juni würden mehr Kündigungen ausgesprochen, es gebe urlaubsbedingte Entlassungen und den Zustrom junger Leute auf den Arbeitsmarkt, die die Schule oder eine Ausbildung beendet haben.Ende 1998 wären immer noch höchstens 4,2 Millionen Menschen ohne Arbeit.Im Dezember 1997 hatte die Zahl der Arbeitslosen mit 4,52 Millionen einen Nachkriegsrekord erreicht.Im Janaur war die Erwerbslosenzahl dann auf einen Spitzenwert von 4,8 Millionen gestiegen.Schon im vergangenen Monat allerdings hatte die Bundesregierung die Wende auf dem Arbeitsmarkt gesehen: Mit 4,075 Millionen Arbeitslosen lag die Erwerbslosigkeit erstmals in diesem Jahr unter dem Vorjahresniveau.

Erfreuliche Nachrichten auch bei den registrierten offenen Stellen: Hier meldet das Wirtschaftsministerium fast 500 000, den saisonbereinigt höchsten Stand seit der Wiedervereinigung.Die tatsächliche Zahl der offenen Stellen sei jedoch wesentlich höher: Hochgerechnet "dürfte die tatsächliche Zahl an offenen Stellen bei fast 1,5 Millionen liegen".

Regierungssprecher Otto Hauser verband diese Hochrechnung mit einer Kritik an der monatliche Bekanntgabe der Arbeitsmarktdaten durch die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA).Die BA solle in Zukunft ein "differenzierteres" Bild zeichnen, forderte Hauser.Die bloße Darstellung der Zahl der Beschäftigungslosen habe für die Menschen eine relativ geringe Aussagekraft.Künftig müßte auch die Zahl derjenigen offenen Stellen genannt werden, die nicht von den Arbeitsämtern registriert werden.

Dieser Kritik widersprach das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der BA gegenüber dem Tagesspiegel: Zwar sei es das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts gewesen, daß nur etwa 40 Prozent der offenen Stellen dem Arbeitsamt gemeldet würden.Aber man müsse vorsichtig sein, dieses Ergebnis zu verallgemeinern.Die Zahl 40 Prozent hätten die Wissenschaftler zuletzt im vierten Quartal 1997 ermittelt."Sie ist nicht einfach in die Zukunft zu übernehmen", sagte Eugen Spitznagel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts.Allerdings wies die Bundesanstalt auch Anfang Juli mit den aktuellen Arbeitsmarktdaten auf diesen 40-Prozent-Wert hin.

Die Grünen-Politikern Andrea Fischer sagte, die Nürnberger Behörde selbst habe darauf hingewiesen, daß sie keine Behauptungen über offene Stellen aufstellen könne, wenn sie diese offenen Stellen gar nicht kenne.Die Absicht der Bundesregierung sei es, vor der Wahl "auf jeden Fall einen Frühling auf dem Arbeitsmarkt herbeizureden".Dazu sei der Regierung offensichtlich jedes Mittel recht.

Von einem Frühling jedoch könne keine Rede sein, sagte Herbert Hax, der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der wirtschaftlichen Lage, der sogenannten Fünf Weisen."Es gibt eine gewisse Entspannung, aber keine grundlegende Tendenzwende", stellte Hax gegenüber dem Tagesspiegel klar.Immer noch sei die Situation auf dem Arbeitsmarkt "schwierig, in den neuen Bundesländern sogar noch schwieriger".Er halte es zudem für "normal und richtig", daß das "eminent politische Problem" in Wahlkampfzeiten diskutiert werde, sagte Hax.

Gegenüber dem Fernsehsender n-tv sagte der Arbeitsmarktexperte der Deutschen Bank Research, Hans-Jürgen Meltzer, allein im Fahrzeugbau hätten heute schon über 45 000 Beschäftigte mehr Arbeit als im Vorjahr.Der Konsum ziehe jetzt auch an, wozu auch steigende Löhne beitrügen.

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