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Wirtschaft: Bonn versucht "kreative Buchführung"

Durch Neubewertung des Goldes nimmt Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank Schaden / Ein StandpunktVON ROLF PEFFEKOVENDie Steuerschätzung hat es offengelegt: Im Bundeshaushalt fehlen in diesem Jahr Steuereinnahmen in Höhe von 9 Mrd.DM.

Durch Neubewertung des Goldes nimmt Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesbank Schaden / Ein StandpunktVON ROLF PEFFEKOVEN

Die Steuerschätzung hat es offengelegt: Im Bundeshaushalt fehlen in diesem Jahr Steuereinnahmen in Höhe von 9 Mrd.DM.Da infolge der hohen Arbeitslosigkeit auch die Ausgaben stärker steigen als geplant, wird der Bundeshaushalt eine Lücke von rund 30 Mrd.DM aufweisen.Eine Erhöhung der Kreditaufnahme kann angesichts der schon hohen Verschuldung und mit Blick auf das Maastricht-Kriterium einer Defizitquote von 3 Prozent nicht akzeptiert werden.Ebenso kommen wegen der starken Belastung mit Steuern und Abgaben weitere Steuererhöhungen nicht in Frage.Es bleiben nur Ausgabenkürzungen, die allerdings politisch schwer durchsetzbar sind. Nun glaubt der Bundesfinanzminister, einen Ausweg gefunden zu haben: Die Goldbestände der Bundesbank sollen neu bewertet werden - eine Aktion, die vor dem Start der Europäischen Währungsunion ohnehin fällig wäre, denn wenn die Mitgliedsländer Teile ihrer Gold- (und Devisen-)reserven auf die neue Europäische Zentralbank übertragen müssen, ist zu gewährleisten, daß in allen Ländern die gleichen Bewertungsregeln gelten.Diese voraussichtlich bis Ende 1998 vorzunehmende Neubewertung soll jetzt unter dem Eindruck neuer Haushaltslöcher und der Gefahr, die Maastricht-Kriterien nicht erfüllen zu können, vorgezogen werden. Die Bundesbank verfügt derzeit über 95 Mill.Unzen Gold, die zum Einstandspreis von (durchschnittlich) 144 DM/Unze beweret sind.Da der Marktpreis heute bei etwa 580 DM/Unze liegt, stecken in den Goldbeständen stille Reserven von etwa 40 Mrd.DM.Werden diese durch eine Neubewertung offengelegt, was eine Änderung des Bundesbankgesetzes hinsichtlich der Bewertungsregeln voraussetzt, dann steigt entsprechend der an den Bund abzuführende Bundesbankgewinn.Das Defizit im öffentlichen Haushalt und damit die Defizitquote werden verringert.Davon geht die Bundesregierung jedenfalls aus, obwohl auf EU-Ebene bisher ungeklärt ist, ob Einnahmen aus einer Neubewertung defizitmindernd verbucht werden dürfen. Der Bundesbankgewinn wird jedoch erst nach Abschluß des Geschäftsjahres ermittelt und abgeführt, so daß er erst im Jahre 1998 zu Buche schlagen kann.Da es aber um die Erfüllung des Maastricht-Kriteriums im Jahre 1997 geht, wird es erforderlich sein, eine weitere Änderung im Bundesbankgesetz vorzunehmen, um die Bundesbankgewinne noch in diesem Jahr ausschütten zu können.Die Bundesregierung denkt offenbar daran, die Bundesbank zu einer Art Zwischenbilanz zu verpflichten.Andere technische Möglichkeiten zur Gewinnausschüttung noch im Jahre 1997 werden diskutiert und sollen in einem "Eckwerte-Papier" in den nächsten Tagen von der Bundesregierung vorgestellt werden.Deutschland reiht sich mit solchen Praktiken in den Kreis der Länder ein, die durch "kreative Buchführung" die Maastricht-Kriterien erfüllen wollen - ein Verfahren, das gerade von der Bundesregierung immer wieder zu Recht kritisiert worden ist. Eine Höherbewertung der Goldbestände und die damit einhergehende Ausschüttung eines höheren Bundesbankgewinns bedeuten Geldschöpfung.Es entsteht also ein Inflationspotential.Die Höherbewertung hat insoweit die gleichen Wirkungen wie eine Kreditaufnahme des Bundes bei der Zentralbank, die in Deutschland, aber auch im zukünftigen Europäischen Zentralbanksystem, aus guten Gründen verboten ist.Die Geldmenge wird dabei auf Betreiben der Bundesregierung erweitert, obwohl Geldpolitik Sache der autonomen Bundesbank ist.Deren Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit werden also beschädigt - dies ausgerechnet in einer Situation, in der die Bundesregierung unseren Partnerländern die Bundesbank als Vorbild für eine Europäische Zentralbank anpreist.Diese wird also schon im Vorfeld der geplanten Währungsunion ins Zwielicht gebracht. Nach den derzeit geltenden Regelungen kann für die Finanzierung des Bundeshaushalts der Bundesbankgewinn nur bis zu einem Betrag von 7 Mrd.DM herangezogen werden, der für 1997 aber bereits erreicht worden ist.Was darüber hinausgeht, muß zur Schuldentilgung in den Erblastentilgungsfonds eingestellt werden.Dadurch wird zwar der Schuldenstand gesenkt, aber eine Entlastung des Bundeshaushalts wird nur indirekt über sinkende Zinsverpflichtungen erreicht.Es spricht vieles dafür, daß in einem nächsten Schritt auch die Regeln für die Verwendung des Bundesbankgewinns geändert werden, um die Haushaltsprobleme lösen zu können.Schließlich läßt sich durch Neubewertung der Goldbestände nur einmal ein Haushaltsloch stopfen und ein Defizit verringern.Was aber in Deutschland not tut, ist eine mittelfristig orientierte Konsolidierungspolitik.Es geht nicht darum, nur für das Jahr 1997 den Haushalt in Ordnung zu bringen, sondern darum, zu nachhaltig soliden Finanzen zurückzukehren. Professor Rolf Peffekoven ist Direktor des Instituts für Finanzwirtschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

ROLF PEFFEKOVEN

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