zum Hauptinhalt
Kohle bleibt beliebt. Der Energierohstoff, hier beim Abbau in der Lausitz, dürfte weltweit kaum an Bedeutung verlieren – vor allem in Indien und China.

© dapd

BP-Studie: Erneuerbare Energien spielen nur marginale Rolle

Auch im Jahr 2030 werden die erneuerbaren Energien nur eine geringe Rolle spielen, sagt eine Studie. Dabei werden sie unter allen Formen der Energieerzeugung am schnellsten wachsen.

Man muss nur auf einer Autofahrt durch Deutschland Windräder und Solardächer zählen. Oder man liest diverse Ankündigungen von Konzernchefs. Peter Löscher, der Chef von Siemens, behauptet zum Beispiel, sein Haus würde bald jährlich rund 40 Milliarden Euro mit „Technologien zur grünen Energieerzeugung“ umsetzen. Schnell sieht man da die Welt durch die grüne Brille: Alles wird gut, Umwelt und Klima sind bald gerettet. Doch daran gibt es begründete Zweifel.

So zeichnet eine am Freitag in Berlin vorgestellte Studie ein eher schwarzes Bild der weltweiten Energielandschaft der Zukunft: Im Jahr 2030 braucht die Menschheit insgesamt 39 Prozent mehr Energie für Strom, Heizung und Verkehr als im Jahr 2010. Vier Fünftel dieser Menge werden weiter durch Verbrennung fossiler Rohstoffe erzeugt werden, was den Ausstoß klimaschädlicher Gase steigert. Der Rest wird durch die ebenfalls umstrittene Kernkraft erzeugt – und natürlich durch erneuerbare Energien aus Wasser, Wind, Sonne und Pflanzen.

Erstellt haben diese Prognose Statistiker und Volkswirte des britischen Energiekonzerns BP. Zwar verdient der sein Geld vor allem mit Öl auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, die Studien und Analysen aus dem Hause werden aber auch unter neutralen Beobachtern aller Energiebranchen interessiert zur Kenntnis genommen. Christoph Rühl, Chefvolkswirt der Londoner BP-Zentrale, stellt bei der Vorstellung in Berlin auch klar: „Es geht uns nicht darum, mit unserer Prognose die Zukunft auf die Nachkommastellen genau vorherzusagen“. Viel mehr versuche sein Team, die wenigen wichtigen Punkte zu identifizieren, an denen sich entscheidet, welche Richtung die Entwicklung nimmt. Hier geht es auch um große Politik.

Beispiel Öl, Gas und Kohle: Hier gehen Rühls Experten davon aus, dass USA, Kanada und Mexiko wegen neuer Fördermethoden im Jahr 2030 erstmals in der Geschichte mehr dieser Energierohstoffe produzieren, als sie selbst in Nordamerika verbrauchen. Die USA investieren derzeit bekanntlich stark in Schiefergas, Kanada in Ölsande. „Angesichts so einer neuen Marktlage kann man sich leicht vorstellen, wie ein US-Präsident künftig die Hände in den Schoß legen wird, wenn anderswo auf der Welt der Kampf um Rohstoffe tobt“.

"Die bisher formulierten Klimaziele sind nicht mehr zu erreichen"

Der Kampf ums Öl und andere Stoffe dürften dann Europa, China, Indien und der Rest des asiatisch-pazifischen Raumes unter sich austragen; diese Regionen werden weiter Öl-, Gas- und Kohleimporteure sein. Afrika, die ehemaligen Sowjetrepubliken und der Nahe und Mittlere Osten dagegen werden die umworbenen Energierohstoffexporteure sein.

Dass die arabischen Staaten mittelfristig als wichtigste Öl- und Gaserzeuger ausfallen und großes Geld mit Tourismus, Banken und Sonnenkraft verdienen, glaubt man bei BP nicht. Projekte wie die Ökostadt Masdar City in Abu Dhabi? Rühl winkt ab, alles Fassade. Zudem werde der Irak als Öllieferant wieder voll einspringen. Vielleicht noch entscheidender ist aber, was China und Indien machen, da fast der gesamte Anstieg des weltweiten Energiehungers (96 Prozent) auf die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Erde zurückzuführen sein wird. BPs These: Indien wird zwar nicht ganz so schmutzig in die Phase der Industrialisierung gehen wie China gegangen ist, da heute energieeffizientere Technologien verfügbar sind. Aber auch Indien wird jede Menge Kohle und Öl brauchen.

Unter allen Formen der Energieerzeugung wird die Gruppe der Erneuerbaren am schnellsten wachsen, jährlich um acht Prozent, so die Prognose. Allerdings wirke sich dies nur klimafreundlich bei der Stromerzeugung aus. Für den Verkehrssektor dagegen ist man skeptischer – übrigens nicht nur bei BP: In 18 Jahren bis 2030 wird zwar nur noch jedes dritte dann neu zugelassene Fahrzeug mit einem konventionellem Verbrennungsmotor ausgestattet sein. Den Marktanteil für die radikalste Alternative, volle Elektroautos, schätzt Rühl dann auf rund acht Prozent. Die Mehrheit (56 Prozent) der Neuwagen dürften Hybridantriebe haben – ähnlich wie der Toyota Prius heute. In der Luftfahrt wird Strom als Antrieb vorerst keine Rolle spielen. Und an Pflanzensprit, auf den auch die Luftverkehrsbranche setzt, glaubt man bei BP nicht: 87 Prozent der Treibstoffe werden im Jahr 2030 mit fossilen Rohstoffen erzeugt werden.

Unterm Strich erwarten die Prognostiker, dass Energie zwar künftig deutlich weniger verschwendet wird. Allerdings dürften 2030 rund 40 Prozent oder 1,4 Milliarden Menschen mehr auf diesem Planeten leben. Daher dürfte Energiesparen nicht ausreichen, um den Treibhausgasausstoß nachhaltig zu senken. „Die bisher formulierten Klimaziele sind nicht mehr zu erreichen“, sagte Rühl. Immerhin, auch wenn das manchen kein Trost sein mag, wird das Wirtschaftswachstum, das mit steigendem Energiebedarf einher geht, stark ansteigen. Und die größten Fortschritte im Umweltschutz, das sei eine historische Lehre, würden die Staaten machen, die freie Energiemärkte zulassen. Das Ergebnis immerhin ist ganz im Sinne von BP.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false