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Götz-Albrecht von Foerster verkauft für die Allianz Versicherungen.

© Georg Moritz

Branchengipfel mit Angela Merkel: Versicherungen wollen ihr Image aufpolieren

Die Charme-Offensive: Versicherer haben kein gutes Image, sind aber wichtig. Deshalb kommen die Kanzlerin und der DGB-Chef zum Branchengipfel am Mittwoch.

Berlin - Götz-Albrecht von Foerster mag es einfach. Wenn er Details seines Geschäfts erklärt, zieht er gern Vergleiche aus dem prallen Leben heran, vom Fernseherkauf bis hin zum Autohandel. Aber Foerster ist Leiter einer Allianz-Generalvertretung und verkauft keine Autos, sondern Sicherheit – oder zumindest die Hoffnung darauf. Wenn der Nachwuchs die Scheibe des Nachbarn zertrümmert oder Arbeitnehmer nach einem Unfall nicht mehr arbeiten können, sollen die Päckchen greifen, die der Versicherungsvertreter für seine Kunden schnürt. Besonders dankbar sind die Deutschen Menschen wie ihm aber nicht. Regelmäßig schneiden Versicherungsvertreter in Berufs-Rankings mehr schlecht als recht ab.

210.000 Menschen sind in der Branche beschäftigt

Am kommenden Mittwoch wird die Stimmung eine andere sein. Wenn die Versicherungsbranche zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen nach Berlin lädt, wird die politische Prominenz der Assekuranz ihre Aufwartung machen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat genauso zugesagt wie der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann. Kein Wunder. Mit über 210 000 Beschäftigten ist die Branche ein großer Arbeitgeber. Und mit Kapitalanlagen von schwindelerregenden 1,4 Billionen Euro einer der größten Investoren.

Dieses Geld oder zumindest einen Teil davon möchte die Bundesregierung gern nutzen, um dringend benötigte Stromleitungen, Straßen oder andere Infrastrukturprojekte in Deutschland zu bezahlen. Und weil das Rentenniveau immer weiter sinkt, braucht die Politik die Assekuranz, um die Lücke im Alter mit privaten Versicherungen zu schließen.

Negative Berichterstattung kratzt am Image

Doch diese bringen immer weniger. Der Niedrigzins schmälert seit Jahren die Rendite, zudem sinkt Anfang nächsten Jahres der Garantiezins für neue Verträge. Und seit der großen Lebensversicherungsreform im August müssen die Versicherer ihre Kunden, deren Verträge auslaufen, weniger an den Bewertungsreserven – den Kursgewinnen der festverzinslichen Wertpapiere – beteiligen. „Fünf bis zehn Prozent weniger“ könne das ausmachen, sagt Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten.

Das steigert nicht gerade das Ansehen der Branche. Genauso wenig wie TV-Berichte über zugeknöpfte Versicherungen, die nicht zahlen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Alexander Erdland, Präsident des Versicherungsverbands GDV, ficht das nicht an. „Die große Mehrheit der Kunden ist zufrieden“, sagte der oberste Versicherungslobbyist im vergangenen Jahr im Tagesspiegel-Interview. Dennoch will die Branche das ramponierte Image verbessern. Seit einem Jahr gibt es einen Vertriebskodex des Versicherungsverbands mit Auflagen für Vertreter. Und auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) bemüht sich um das Ansehen des Berufsstands. Der Verband hat das Projekt „Ehrbarer Kaufmann“ ins Leben gerufen und den gleichnamigen Verein gegründet. Auch um den zunehmenden Nachwuchsmangel einzudämmen, hat der Verband das Berufsbild neu definiert.

Online-Portale locken Kunden weg

Götz-Albrecht von Foerster verkauft für die Allianz Versicherungen.
Götz-Albrecht von Foerster verkauft für die Allianz Versicherungen.

© Georg Moritz

Götz-Albrecht von Foerster spricht von schwarzen Schafen, die das Ansehen beschädigen. Doch auch das Internet mischt die Branche auf. Online-Portale, die billige Versicherungen ohne Beratung anbieten, erhöhen den Druck auf die Preise. „Die Digitalisierung ist auch bei uns zu spüren“, räumt Foerster ein, „aber kein Vertreter bleibt ohne Kundenkontakt im Geschäft.“ Erst wenn ein Unglück passiert, würden viele Kunden merken, dass etwas Fundamentales fehlt: Der persönliche Ansprechpartner.

Foersters nächste Kundin ist mit ihm so vertraut, dass es zur Begrüßung Wangenküsse gibt und das „Du“ ganz selbstverständlich ist. Die junge Frau hat im vergangenen Jahr geheiratet und in diesem Jahr ein Kind bekommen. Mitte Dezember zieht die Kleinfamilie in eine Eigentumswohnung um. Bei so vielen Veränderungen im privaten Bereich ist Foersters Liste mit Vorschlägen lang. Ob man die nicht auch am Telefon oder via Online-Datenbank abklären könnte? „Das wäre jetzt zu viel, um es am Telefon zu klären, außerdem läuft da ganz viel über Vertrauen“, sagt er.

Gerade jüngere Kunden seien weniger gutgläubig als früher. Schon vor der ersten Beratung haben sie viel gelesen, im Internet recherchiert und kennen die Schlagworte. „Sie können sie aber oftmals nicht einordnen“, betont Foerster. Dann muss er doch wieder erklären.

Lücken in der Versicherung

Der Mutter, die nun an seinem riesigen, schwarzen Beratungstisch sitzt, erklärt Foerster, dass die Hausratversicherung nicht zahlt, wenn Möbel beim Umzug kaputtgehen. Geklärt werden müsse unbedingt, wie es um die Berufsunfähigkeitsversicherung für den Mann steht. Mit sorgenvoller Mine weist Foerster darauf hin, was passiert, wenn „man mal gar nicht mehr da ist“. Um im Falle des Todes ihres Mannes abgesichert zu sein, müsse eine Vorsorge her. Nach einer halben Stunde kann sich die Kundin kaum noch auf Foersters Ausführungen konzentrieren – das Baby quengelt. Noch Fragen? Im Moment nicht. Das Protokoll der Beratung wird die Frau später zugemailt bekommen und kann noch mal nachlesen, was Foerster aufgezählt hat. „Nächstes Mal komme ich dann wieder zu euch“, sagt Foerster. Dann wird auch der Gatte dabei sein, dieser Termin war nur Vorgeplänkel. Foersters Kundenstamm besteht nicht aus Schnäppchenjägern. Damit es im Schadensfall kein böses Erwachen gibt, bevorzugen sie Foersters Betreuung. „Versicherungen bezahlen das nicht, was nicht versichert worden ist, ganz einfach“, warnt der Allianz-Mann. Bei sehr günstigen Angeboten würden oft wichtige Bausteine fehlen, weil Risiken unterschätzt würden.

Zwischen den Online-Versicherungsangeboten und Foersters Portfolio bleibt eine Gruppe zurück: Die freien Vermittler und Makler. No-Name-Versicherer haben es schwer, schätzt Foerster. Es könne nicht mehr jeder eine Versicherungsagentur aufmachen. Wer den „kalten Hauch des Vertriebs“ im Nacken spüre und deshalb keine nachhaltige Beratung anbiete, sei bald nicht mehr da.

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