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Brauereien: Feinschmecker sollen Bier trinken

Der Bierkonsum ist hierzulande seit Jahren rückläufig. Bier sei zum Billiggesöff verkommen, klagen einige Brauer. Angesichts einbrechender Absätze wollen sie mit ihren Produkten ins Luxussegment vorstoßen.

Karl Schiffner führt das bauchige Verköstigungsglas an die Lippen und nippt. „Exotische Frucht, Ananas, Maracuja, ganz deutlich“, gibt er bekannt. Umstehende Mitgenießer pflichten dem Österreicher bei. Sie lassen IPA Meantime über ihre Zungen rinnen, ein in London gebrautes Bier, das hervorragend zu asiatischer Küche und scharfen Speisen passe, wie Schiffner behauptet. Er ist seit April amtierender erster Weltmeister der Biersommeliers. Die meisten würden nur mit der Zungenmitte trinken, rügt der Feinschmecker. Bier aber müsse man durch den gesamten Mundraum spülen, wenn man jede Note schmecken wolle.

Schiffners Verzückungen stehen im krassen Widerspruch zur deutschen Bierrealität. Der Bierkonsum ist hierzulande seit Jahren rückläufig. 151 Liter Bier rannen pro Person 1976 noch im Schnitt durch deutsche Kehlen. 2008 waren es nach Angaben des Deutschen Brauerbunds (DBB) noch 111 Liter, Tendenz ungebrochen sinkend. Der Volksgesundheit mag das zuträglich sein, den Brauereien bekommt es weniger. Sie und ihr Verband haben für den Schwund Erklärungen parat – schlechtes Wetter, abnehmende Bevölkerungszahl, Trend zu alkoholfreien Getränken. Dagegen spricht, dass der Pro-Kopf-Konsum von Wein steigt, auf zuletzt 20,7 Liter per annum. Ein Zuwachs von 2,5 Litern binnen zehn Jahren, sagt das Deutsche Weininstitut.

„Deutsche Weine präsentieren sich als Qualitätstropfen und sind deshalb im Aufwind“, sagt Schiffner, der auch Weinkenner ist. Beim Gerstensaft aber werde seit Jahren nur über den Preis und nicht den Geschmack gesprochen. „Bier braucht Liebe und Hingabe, wenn man es an den Mann bringen will“, sagt der Gourmet. Die Marketingchefs vor allem großer Brauereien dächten vielfach nur ans Verkaufen und nicht an ihr Produkt. „Das ist das Hauptproblem.“

Bier sei zum Billiggesöff verkommen, klagen einige Brauer. „Wenn ein Kasten für fünf Euro zu haben ist, kann das der Verbraucher nicht mehr als etwas Wertiges empfinden“, sagt ein Kenner der Branche. Jetzt beginnt ein Umdenken. Bis zum 500-jährigen Jubiläum des deutschen Reinheitsgebots 2016 wollen deutsche Brauer das Bierimage nachhaltig stärken. „2010 starten wir Schwerpunktthemen, um den Menschen im Land Genussdimension, Produktvielfalt und Tradition vor Augen zu führen“, sagt DBB-Präsident Wolfgang Burghard. Keine bloßen Plakataktionen sind geplant, sondern Veranstaltungen aller Art, bei denen das Volk wieder auf den Biergeschmack gebracht werden soll.

Feinschmecker Schiffner glaubt zu wissen, wie es geht. Über Biergasthäuser, wo zu edlen Speisen Spitzenbier kredenzt wird, über Bierotheken für den Genuss daheim oder Biersommeliers wie ihn. Eine Infrastruktur wie beim Wein müsse her, was Länder wie Österreich vormachten. Dort wachse der Bierdurst. 2008 habe die Alpenrepublik Deutschland pro Kopf vom Platz zwei der Biernationen verdrängt. Deutsches Bier habe zu Recht einen guten Ruf, findet Schiffner. Der müsse aber auch entsprechend gepflegt werden.

Ansätze dazu gibt es. Von den etwa 1000 existierenden Biersommeliers kommen die meisten aus Deutschland. Ausgebildet werden sie seit 2004 meist vom Doemens-Institut in Gräfelfing bei München. Nicht gut zu sprechen ist Schiffner auf viele Großbrauereien, die vor allem auch in Deutschland vielfach die Geschmacksintensität ihrer Biere zurückgenommen haben, um einen vermeintlichen Massengeschmack zu treffen.

Gerstensaft könne aber über Malz, Hopfen und Hefe Aromen wie Karamell, Banane oder Gewürznelke entwickeln und berge 8000 Inhaltsstoffe, gegenüber nur 1200 beim Wein, schwärmen Biergourmets. Bis zu 200 Euro berappen sie für eine Flasche Jahrgangsbier. Sieben bis 25 Euro verlangt Schiffner in seinem Biergasthaus in Oberösterreich pro Pulle. Spitzenbiere seien, kühl und dunkel gelagert, auch Jahrzehnte haltbar.

Schiffners Geschäft läuft. In Österreich hätten Brauereien erst Angst gehabt, dass Gourmet-Biere, die auch aus Skandinavien, Großbritannien oder Belgien kommen, eigenen Absatz kosten, erzählt er. Das Gegenteil sei aber der Fall gewesen.

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