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Wirtschaft: Breuer ist Antworten schuldig

Verunsicherung vor der Bilanz: Wohin steuert die Deutsche Bank?VON ROLF OBERTREIS (MAIN) FRANKFURT.

Verunsicherung vor der Bilanz: Wohin steuert die Deutsche Bank?VON ROLF OBERTREIS (MAIN) FRANKFURT.Seine Vorschußlorbeeren sind fast verwelkt, Analysten sind skeptisch, Mitarbeiter vorsichtig und die Gewerkschaft ist sauer.Rolf Breuer, der Vorstandssprecher, und die gesamte Deutsche Bank stecken in einer schwierigen Lage.Bewegt hat der 60jährige Banker in den ersten zehn Monaten seiner Amtszeit zwar viel, aber wohin die Reise wirklich geht, weiß niemand."Wir tappen im Dunkeln", sagt ein Branchenkenner.Vielleicht bringt diese Woche mehr Licht, wenn Breuer am Donnerstag erstmals die Bilanz des größten deutschen Geldhauses erläutert und ein Tag später den Analysten Rede und Antwort steht. So offen und ehrlich Breuer seit Sommer letzten Jahres den Bankmitarbeitern unter dem Motto "Offen gesagt" Rede und Antwort steht, so unzureichend fühlen sich Beobachter und Analysten informiert, vor allem nachdem der Banker im Januar eine Bombe hochgehen ließ: Vier Mrd.DM läßt sich der Branchenprimus die Vorsorge für wackelige Kredite in Asien und für den radikalen Umbau der Bank kosten.Aus einem neuen Rekordjahr wird also nichts, das Betriebsergebnis schrumpft um ein Drittel auf vier Mrd.DM, der Gewinn dürfte um etwa die Hälfte auf etwa eine Mrd.DM eingebrochen sein.9000 der weltweit 76 000 Stellen wird die Deutsche Bank in den nächsten drei Jahren streichen, davon allein 5000 in Deutschland. Wenige Monate zuvor hatte das noch ganz anderes ausgesehen.Die Risiken in Asien: Laut Breuer zu vernachlässigen.Das Betriebsergebnis nach neun Monaten: So hoch wie jetzt für das ganze Jahr.Die Arbeitsplätze: Im Inland keine größeren Eingriffe mehr nötig. Jetzt fühlen sich Analysten und Branchenkenner vor den Kopf geschlagen.Andere sind irritiert: Die einen empfehlen die Aktie der Deutschen Bank zum Kauf, die anderen sagen "Halten" und wieder andere raten zum Verkauf."Breuer", sagt einer, "muß endlich sagen, wo es lang geht." Der Chef des Geldhauses soll klar darlegen, was er mit den 2,5 Mrd.DM vorhat, die er bis zum Jahr 2000 für den Umbau der Bank einsetzen will.Der Abbau von Arbeitsplätzen allein kann es nicht sein.Daß es fünf neue Unternehmensbereiche geben soll, daß die Investmenttochter Morgan Grenfell Eigenständigkeit und Namen verliert, daß zwei Vorstandsmitglieder ausscheiden und nicht ersetzt werden, langt vielen Analysten nicht."Die Informationspolitik ist ungenügend." Sie erwarten sich von Breuer endlich Antworten auf mehrere Fragen, die er mit seinen hohen Ansprüchen selbst provoziert hat.In allen fünf Geschäftsbereichen will der Banker weltweit unter den ersten fünf sein.In Europa soll die Deutsche Bank - auch nach der jüngsten Fusion zweier Schweizer Geldhäuser - bald wieder die Nummer eins sein.Breuer zieht das Tempo an, freundlich im Ton, aber hart in der Sache.Er läßt beim Branchenprimus kaum ein Stein auf dem anderen, wirft die Struktur um, die erst vor zwei Jahren unter Hilmar Kopper festgezurrt worden war, sich aber offenbar als Fehlschlag erwiesen hat.Doch so recht kommt die Deutsche Bank nicht voran. Währenddessen verändert sich das Umfeld in rasantem Tempo.Zum Beispiel durch die Fusion der beiden Münchner Großbanken.Oder der beiden Schweizer Bankhäuser zur neuen Nummer eins in Europa.Oder durch die immer stärkere Annäherung zwischen Allianz und Dresdner Bank.Auch in der Versicherungswirtschaft sind Fusionen an der Tagesordnung.Und im Investmentgeschäft wird der Abstand zur angelsächsischen Konkurrenz eher größer denn kleiner.Die Deutsche Bank verliert an Boden.Mit Blick auf Frankreich deutete Breuer immer wieder eine Übernahme an.Passiert ist nichts.Im Versicherungsbereich gilt die Deutsche Bank als zu klein, um wirklich groß zu sein.Wird sie zukaufen und wo? Oder gibt sie das Geschäft ganz auf? "Mittlerweile hat man den Eindruck, die Deutsche Bank ist etwas spät dran.Man könnte auch sagen, sie hat Entwicklungen verschlafen", sagt ein Analyst. Trotz der bislang mageren Bilanz hat Breuer, der wegen seines Alters kaum länger als fünf Jahre an der Spitze der Bank stehen dürfte, bei vielen Mitarbeitern und bei vielen draußen noch Kredit.Sie halten ihm zugute, daß er sich nicht scheut, das Steuer radikal herumzureißen, daß er nicht auf kurzfristige Rekordgewinne schielt.Klar ist: Kaum eine andere Bank könnte sich einen solchen Einschnitt und die Rückstellung von vier Mrd.DM überhaupt leisten.Die Deutsche Bank ist stark genug, voranzukommen, glaubt der Banker.Aber wie er die ehrgeizigen Ziele erreichen will, das müßte der stets gut gelaunte und von Visionen beseelte Rolf Breuer langsam kundtun.

ROLF OBERTREIS (MAIN)

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