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© dpa

Briefgeschäft: Das Geheimnis der Post

Die Digitalisierung bedroht das Geschäft des Bonner Konzerns. Sparen ist eine Antwort darauf. An neuen Produkten aber fehlt es.

Berlin - Nach zehn Stunden ist Schluss, so schreibt es das Arbeitsrecht vor. Wenn dann nicht alle Briefe verteilt sind, muss der Briefträger seine Tour abbrechen – und mancher Kunde wartet vergeblich auf seine Post. Volker Kramer* passiert das nicht. Er ist Stammzusteller seit fast 20 Jahren. Er hat Routine, kennt seinen Bezirk. Der ist in den vergangenen Jahren allerdings deutlich größer geworden. „Früher habe ich um sieben angefangen und war um 13 Uhr locker fertig“, sagt er. Da saßen die erfahreneren Kollegen schon beim Bier. Und früher, da passten auch nur zwei Taschen auf sein Fahrrad, heute sind es drei. Wenn die richtig voll sind, wiegt die Ladung 70 Kilo. „Das geht auf die Knochen“, sagt Kramer. An manchen Tagen muss er sein Rad drei- bis viermal nachladen. Nur im Sommer gibt es deutlich weniger Post. Natürlich ist eine Beladung mit 70 Kilo auch gar nicht erlaubt. „Aber wenn wir auch nur einen Tag alle Vorschriften einhalten würden, dann würde der Laden hier zusammenbrechen“, sagt Kramer.

Das Briefgeschäft – zu Monopolzeiten war das einmal so etwas wie eine Gelddruckmaschine für die Post. Es machte 50 bis 60 Prozent des Gewinns aus. Diese Zeiten sind vorbei. Ein Ergebnis von zwei Milliarden Euro im Briefbereich wird es nicht mehr geben. Die Post sitzt in der Klemme. Auf der einen Seite sinken die Umsätze. Seit der Liberalisierung hat die Post Konkurrenz durch andere Dienstleister bekommen. Gleichzeitig sinken die Sendungsmengen, weil Menschen und Unternehmen immer mehr digital kommunizieren. „Die durch Digitalisierung verlorenen Briefe kommen nie wieder zurück“, sagt Brief-Vorstand Jürgen Gerdes seinen Mitarbeitern.

Auf der anderen Seite aber steigen die Kosten. Und das sind vor allem Personalkosten. Sie machen 70 Prozent aus. Zwar wird immer mehr Technik eingesetzt. „Aber 80 000 Zusteller, die können wir nicht durch Technik ersetzen“, sagt ein Post-Sprecher. Zu wenig Zusteller, zu viele Briefe für den einzelnen und zu große Bezirke – der Unmut der Mitarbeiter war zuletzt so stark gewachsen, dass der Vorstand sich in diesem Jahr gleich zweimal mit ausgewählten Zustellern traf, um nach Lösungen zu suchen. „Da traf ganz oben auf ganz unten“, sagt Briefträger Kramer. Selbst die Post hat inzwischen eingesehen, dass sie den Zustellern nicht viel mehr zumuten kann. Von Arbeitsverdichtung ist da die Rede und dass Briefträger inzwischen so etwas wie Hochleistungssportler seien.

Im Vergleich zur Konkurrenz, die sich nach Angaben der Post nicht einmal an den – auf Betreiben der Post eingeführten – gesetzlichen Mindestlohn von 9,80 Euro hält, zahlt die Post relativ gut. Das Lohnniveau liege 50 bis 60 Prozent über dem der Wettbewerber, sagt ein Sprecher. Und die Löhne stiegen in der Summe jedes Jahr um 250 Millionen Euro. Wahr ist aber auch, dass es bei der Post längst verschiedene Lohnebenen gibt und neue Kollegen zu deutlich schlechteren Konditionen eingestellt werden.

Da die Post nicht an der Preisschraube drehen kann, weil niemand mehr Geld fürs Porto ausgeben will und die Post als marktbeherrschendes Unternehmen auch in der Preisgestaltung nicht frei ist, lautet die Botschaft: sparen, sparen, sparen. Ein Sparversuch läuft noch: Einige Briefzentren arbeiteten im Juli und August an Sonntagen nicht, mit der Folge, dass in einigen Regionen montags keine überregionale Post mehr zugestellt wurde. Viele Kunden hat die Post damit verärgert. Nun will die Post den Versuch auswerten. Auch an Filialen spart die Post, bis Ende 2011 soll es keine eigenen mehr geben, stattdessen Partnershops in Läden, Supermärkten und Tankstellen.

Sparen will die Post auch bei den Löhnen: Geht es nach Vorstandschef Frank Appel, soll die Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden steigen und eine für Dezember vorgesehene Lohnerhöhung ausbleiben. Bisher zeigt sich Verdi jedoch nicht gesprächsbereit. Dem Beispiel der Telekom, die einen Großteil ihrer Beschäftigten in eine Servicegesellschaft ausgliederte, wo die Mitarbeiter länger arbeiten, aber weniger verdienen, werde die Post dagegen nicht folgen. „Wir werden den Beschäftigten nicht in die Tasche greifen“, sagte ein Sprecher.

Kosten sparen allein reicht aber nicht, die Post braucht neue Ideen, um gegen das Schrumpfen des Geschäfts anzugehen. „Wir wollen die Kunden in die elektronische Welt begleiten“, heißt die Wachstumsstrategie. Doch die Liste der infrage kommenden Produkte ist noch sehr kurz. Da gibt es das Handyporto oder die selbstgestaltete Briefmarke. Im kommenden Jahr wird es den Internet-Brief geben, der die Sicherheit der traditionellen Post ins bisher unsichere Netz übertragen soll. Aber selbst der Post-Sprecher dämpft die Erwartungen: „Man kann nicht davon ausgehen, dass sich die Postbranche in zwei , drei Jahren revolutioniert. So eine hohe Innovationsrate wie etwa in der Telekommunikation haben wir nie gehabt.“

Was die Post der Digitalisierung entgegensetzen will, hält Branchenexperte Horst Manner-Romberg bisher für wenig überzeugend. „Dass die Sendungsmengen sinken werden, muss die Post eigentlich schon länger gewusst haben.“ Und er sieht eine noch massivere Bedrohung kommen, wenn nämlich immer mehr Firmen ihre Rechnungen nur noch digital versenden. „Das ist ein riesiges Problem.“ In einigen Ländern wie beispielsweise Dänemark und Finnland hätten Postgesellschaften bereits überzeugende Lösungen entwickelt, wie sie von der zunehmenden Digitalisierung profitieren können. Als Beispiel nennt der Experte e-boks, ein Portal der dänischen Post, auf dem Strom- und Telefongesellschaften sowie Versicherungen ihre Rechnungen einstellen. Der Kunde kann sie dann dort per Mausklick sofort bezahlen. „Das Portal hat rund zwei Millionen dänische Nutzer“, sagt Manner-Romberg. „Bei rund 5,5 Millionen Einwohnern wahrlich beeindruckend.“

So etwas wie der sichere Internet-Brief könne nur eine von vielen Lösungen für die Deutsche Post sein. „Im Ausland gehen die Unternehmen spielerischer mit neuen Lösungen um, probieren mehr aus. Die Deutsche Post ist zu schwerfällig.“ Derzeit sei sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. „Und Frank Appel hat keine klare Vision, wo er mit der Post eigentlich hin will.“ Auch das ist ein Grund warum Briefträger Volker Kramer sagt: „Die Motivation ist im Keller.“

*Name von der Redaktion geändert.

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