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Der Anfang: Britta Steilmann, 1994 zu Beginn ihrer Karriere in der Steilmann-Gruppe. 2003 zog sich die Unternehmerin aus dem Familienunternehmen zurück und hat jetzt eine eigene Design-Firma. Aktuelle Fotos gibt es nicht.

© picture-alliance / dpa

Britta Steilmann im Interview: "Ich würde Angela Merkel unterstützen"

Sie war Firmenchefin, Fußballmanagerin, Öko-Pionierin und hat Rudolf Scharping beraten. Über ihr früheres Unternehmen sagt sie: Die Pleite macht mich traurig.

Frau Steilmann, wir erreichen Sie gerade in Marrakesch. Was machen Sie dort?

Ich arbeite als Interior Designerin an einem Boutique-Hotel-Projekt und habe vorher ein paar Tage Urlaub mit der Familie in dieser wunderbaren Stadt gemacht.

Haben Sie sich aus dem Modegeschäft zurück gezogen?

Ja, vor vielen Jahren. Ich wollte mich ganz bewusst um meine Familie kümmern. Mein ureigener Anspruch an mich in meinem Beruf hat sich damit nicht wirklich verbinden lassen. Ich bin froh, mir diese private Zeit gegönnt zu haben – eine große Bereicherung oder sogar ein Paradigmenwechsel für mich. Mein Berufsleben war so intensiv und facettenreich und jetzt ist es anders intensiv. Ich habe gelernt, dass nicht alles und alle so schnell sind wie ich, und ich habe die Qualität des Geschehenlassens dazu gewonnen. Mein Blick auf die Gesellschaft und das Leben hat viele Facetten dazu gewonnen.

Was haben Sie empfunden, als Sie von der Pleite der Firma hörten, die Ihren Namen trägt?

Es hat mich traurig gemacht. Ich finde es sehr schade, dass es nun auch Steilmann getroffen hat. Die Bekleidungsbranche verabschiedet sich lautlos vom Parkett. Mode spielt in Deutschland kaum noch eine Rolle. Schade, eine tolle Branche mit viel Freude und Kreativität, mit vielen Arbeitsplätzen und auch guten Chancen für Frauen. Seit meine Schwestern das Unternehmen vor zehn Jahren verkauft haben, habe ich es losgelassen. Es macht keinen Sinn, dem Vergangenen nachzuweinen. Jeder gibt sein Bestes, bestimmt auch die neuen Eigentümer. Die Welt verändert sich in solcher Geschwindigkeit, man muss stets bereit sein, sich neu zu definieren. Das scheint nicht gelungen zu sein. Es ist immer sehr traurig für alle Betroffenen, wenn eine Idee scheitert und damit viele Arbeitsplätze vernichtet werden.

Sie sind mit dem Unternehmen groß geworden, haben es jahrelang geleitet. Sehen Sie eine Mitschuld bei sich für den Niedergang?

Nein, weil ich nicht weiß, was gewesen wäre, wenn... Das ist reine Spekulation und ändert nichts. Ich hatte ein Ziel für das Unternehmen, das aber nicht vom Rest meiner Familie mitgetragen wurde. So ist es manchmal im Leben. Es ist nicht die richtige Zeit oder nicht der richtige Ort. Oder die richtige Person. Die Arbeit hat mir aber jede Menge Freude bereitet und ich habe gern und sehr viel gearbeitet. Das war gut.

Vater und Tochter: Klaus Steilmann hatte das Unternehmen 1958 gegründet. 2009 ist er gestorben.
Vater und Tochter: Klaus Steilmann hatte das Unternehmen 1958 gegründet. 2009 ist er gestorben.

© picture-alliance/ dpa

Ihr Vater, der Gründer des Unternehmens, wollte Mode für Millionen und nicht für Millionäre machen. Kann man damit als deutsches Unternehmen heute noch Erfolg haben?

Ganz bestimmt, die Idee ist genauso richtig wie damals. Man muss es aber ganz anders machen. Die Zeit meines Vaters war großartig. Die Menschen brauchten Kleidung, und es hat ihnen Freude gemacht, sich gut zu kleiden. Alles war im Aufschwung, alle waren hochmotiviert. Ich erinnere mich gut an die Zeit. Heute erreicht man die Menschen anders, und die Bedürfnisse sind anders. Auch eine sehr spannende Zeit. Kleidung hat heute aber bestimmt einen anderen Stellenwert als damals.

Sie waren Pionierin mit Ihrer Öko-Kollektion. Heute findet sich Öko-Kleidung in allen großen Ketten.

Na ja, es könnte viel ökologischer in unserer Branche sein. Ich habe noch keine Produktlinie gefunden, die so konsequent ist, wie wir in den 90igern gearbeitet haben.

Wie sollte Mode aussehen?

Wenn ich sie malen dürfte, erlebten wir eine Renaissance der Qualität. Weniger ist mehr. Der Lieblingspulli, die Lieblingsjeans. Ich erlebe mein Produkt von der Entstehung bis zum Namen der Person, die es mir schickt. Wir tragen immer unsere Lieblingsstücke, aber der Kleiderschrank ist voll. Getragen wird nur ein Bruchteil. Ich liebe das Handwerk. Wir lernen und entwickeln uns durch das Tun. Mit der Idee des Grundeinkommens könnten Menschen wieder kreativ und handwerklich arbeiten.

Was hat das Grundeinkommen, also die Idee, dass jeder Mensch Geld bekommt auch ohne Arbeit, damit zu tun?

Ich bin fest davon überzeugt, dass die handwerkliche Arbeit Menschen Freude macht und gut tut. Für viele industrielle Visionen müssen wir allerdings unser System ändern. Wir besteuern Arbeit, die immer mehr schwindet. Das ist falsch, und wir halten an falschen gesellschaftlichen Ideen fest, die in ganz anderen Zeiten geboren wurden. Und versuchen verzweifelt, das was nicht funktioniert effizienter zu machen. Das ist schon verrückt.

Wie verändert sich Mode im Zeitalter 4.0?

Es wird neue Materialien geben, die unser digitales Leben unterstützen. Ich hoffe, dass diese nächste Welle von Menschen getrieben wird, die Ressourcenschonung und Wiederverwertung in ihre Vision spinnen. Schade, dass wir als Branche es nie geschafft haben, Allianzen vor Konkurrenzdenken zu stellen. Jetzt hat Europa in Gänze an Textil und Bekleidung verloren, und es ist extrem kostspielig, Innovationen zu initiieren. Jetzt müssen die Kooperationen interdisziplinär werden – eine enge Zusammenarbeit mit der Chemiebranche und den Innovatoren des Silicon Valley. Klingt ein bisschen fremd. Oft braucht es einen Totalabsturz, um Neues hervorzubringen. Ich finde es jedenfalls nach wie vor total spannend, mit Schülern und Studenten über ihren Ideen zu sitzen und sie anzuregen, frei von Begrenzungen zu denken.

"Mein Herz schlägt für Bernie Sanders"

Das Ende: Steilmann hat im März Insolvenz angemeldet.
Das Ende: Steilmann hat im März Insolvenz angemeldet.

© dpa

Sie haben den damaligen Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping im Wahlkampf in Öko-Fragen beraten. Könnten Sie sich vorstellen, heute Sigmar Gabriel zu unterstützen?

Ich würde lieber Angela Merkel unterstützen. Ich finde den politischen Diskurs in Deutschland sehr anstrengend. Ich wünsche mir ein Team von klugen, jungen und weltoffenen Menschen, die die Kanzlerin beraten und unterstützen. Die sie erreichen, wo sie blinde Flecken hat und die Menschen erreichen, wo Angst die Liebe für das Leben und die Mitwelt verdrängt hat. Ein Team, das ehrlich und freundlich ist und den Menschen Lösungen statt Probleme, Freude statt Hoffnungslosigkeit vermittelt. Es ist so eine spannende Zeit, wir können die Kurve bekommen. Es müssen nur mehr Menschen involviert und begeistert werden, dann ist alles möglich. Würde Herr Gabriel mit mir sprechen wollen, wäre ich auch offen. Mich haben Parteien nie wirklich interessiert, immer die Menschen. Und jeder Mensch ist viel mehr als unsere Idee von ihm. Im amerikanischen Wahlkampf schlägt mein Herz für Bernie Sanders. Es ist so erfrischend, einen Menschen zu hören, der stringent über Jahre seinen Weg gegangen ist und Menschen Mitgefühl und Freude vermittelt. Es begeistert mich, zu erleben, wie Franziskus mit dem Bollwerk in Rom bricht. Und wie religiöse Leader weltweit Tradiertes in Frage stellen und über eine gemeinsame Ethik sprechen.

Als Firmenchefin, Öko-Pionierin und erste weibliche Managerin eines Fußballvereins haben Sie jahrelang im Rampenlicht gestanden. Fehlt Ihnen das?

Die Frage habe ich mir auch oft selbst gestellt. Ich könnte die Öffentlichkeit heute besser handeln als in den 90igern. Ich würde Dinge nicht so persönlich nehmen. Das zurückgezogene Leben hat mir menschlich sehr gut getan. Was mir fehlt, sind die Begegnungen mit den vielen spannenden Menschen, die mit dem öffentlichen Interesse auf dich zukommen.

Sie beraten Familienunternehmen, wie diese den Übergang auf die nächste Generation hinbekommen. Was können Sie denen aus Ihrer eigenen Erfahrung raten?

Den Prozess von außen steuern zu lassen, sich von seiner eigenen familiären Rolle zu lösen. Alle Beteiligten sollten sich privaten Supervisionen unterziehen. Es ist so hilfreich, sich selbst zu reflektieren. Glauben Sie mir, ich hätte vieles ganz anders gemacht mit meinem heutigen Know-how. Bestimmt mit weniger Verletzungen auf allen Seiten.

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