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Der Preis pro Tonne CO2 ist drastisch eingebrochen – von 24 auf sechs Euro. Foto: dapd

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Wirtschaft: Brüssel greift in CO2-Markt ein

EU will Verschmutzungsrechte nun verknappen.

Brüssel - Weil das Herzstück der europäischen Maßnahmen gegen den Klimawandel nicht funktioniert, fordert die Brüsseler EU-Kommission Änderungen am System des Emissionshandels. Aufgrund der Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Produktionsdrosselung benötigen die europäischen Unternehmen deutlich weniger Verschmutzungsrechte als gedacht. Der Handel mit den Kohlendioxid-Rechten und der Preis pro Tonne CO2 sind damit eingebrochen – von gut 24 Euro beim Start im Jahr 2008 auf aktuell nur noch gut sechs Euro. Der Anreiz, energiesparender zu wirtschaften, existiert somit praktisch nicht mehr.

EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard will nun die Zahl der Verschmutzungsrechte weiter reduzieren als ohnehin geplant. 2013 beginnt die dritte Phase des Emissionshandels, der statt einer vorwiegend freien Zuteilung Auktionen zum Regelfall macht. Hedegaard schlägt vor, „unter außergewöhnlichen Umständen“ Auktionen abzusagen oder kleiner ausfallen zu lassen. „Das Emissionshandelssystem hat über die letzten Jahre ein wachsendes Überangebot an CO2-Zertifikaten erzeugt“, ließ die Kommissarin am Mittwoch mitteilen, „es ist nicht klug, weiterhin sehenden Auges einen Markt zu überfluten, der bereits übersättigt ist.“

Wie viel weniger Verschmutzungsrechte in Umlauf gebracht werden sollen, steht noch nicht fest – ohnehin müssen noch die 27 nationalen Regierungen und das Europaparlament dem Änderungsvorschlag zustimmen. Insgesamt stehen von 2013 bis 2020 insgesamt 8,4 Milliarden Zertifikate zur Versteigerung, die jeweils einer Tonne Kohlendioxid entsprechen. Am Ende dieser Phase werden dann die Emissionen aller 11 000 Industrieanlagen in 30 europäischen Ländern (neben den 27 EU-Staaten sind das Liechtenstein, Island und Norwegen) sowie des Flugverkehrs erfasst sein.

Einem Arbeitspapier der EU-Kommission ist allerdings zu entnehmen, dass in den ersten drei Jahren der dritten Phase statt der bisher geplanten 3,5 Milliarden CO2-Zertifikate deutlich weniger versteigert werden sollen. Als Optionen bringen die Brüsseler Experten ein Minus von 400, 900 oder 1200 Millionen Tonnen Kohlendioxid ins Spiel, die es in den Jahren darauf allerdings wieder zusätzlich gäbe. Das Europaparlament dagegen hatte bereits im Dezember gefordert, angesichts des Preisverfalls 1,4 Milliarden Zertifikate ganz stillzulegen.

Obwohl die EU-Kommission diesen radikaleren Vorschlag nicht aufgreift, sind die Pläne umstritten. Umweltpolitiker aller Parteien begrüßten den Vorstoß. „Ohne einen angemessenen Preis für die Zertifikate finden keine Investitionen in die kohlenstoffarme Wirtschaft statt“, sagte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen. „Mitgliedstaaten, die ihre Klimastrategie durch die Einnahmen aus dem Emissionshandel finanzieren, haben Probleme die Finanzierung zu sichern“, sagte sein CDU-Kollege Peter Liese: „Dies gefährdet auch die deutsche Energiewende.“

Die Union ist in der Frage jedoch gespalten. „Wenn man ein Handelssystem hat, das den Zertifikatepreis am Markt bildet, kann man doch nicht einfach den Preis künstlich verändern, nur weil er einem vielleicht politisch nicht passt“, kritisierte Herbert Reul, Sprecher aller europäischen CDU/CSU-Abgeordneten.

Die Wirtschaft rügte die Pläne am Mittwoch ebenfalls scharf. Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte Planungssicherheit und grundlegende Verbesserungen „statt kurzfristiger Markteingriffe mit kaum absehbaren Folgen“. Christopher Ziedler

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